Todesfall

Todesfall

was nun? | 2016

Methodenvorschläge
Hilfen, der Endphase des Lebens einen Sinn zu geben
Spirituelle Sterbebegleitung kann nicht nur mit gutem Willen erfolgen und auf dem Glauben aufbauen, dass Gott helfen wird, ohne selber das Seine dazuzugeben. Es braucht neben dem Glauben an Gott eine besondere Ausbildung, um mit den verschiedenen Situationen des Sterbens zurechtzukommen. Ich möchte ein paar solcher Methoden anführen, die eine spirituelle Begleitung erleichtern und ermöglichen.
Der Kreuzweg als Sterbe - Begleitmodell
Der Kreuzweg ist für Christen ein bekanntes, geliebtes, meditatives Gebet. Es lädt den Sterbenden ein, sich mit dem Leid auseinander zu setzen. Er sieht wie Jesus mit seinem Leid zurechtgekommen ist und welche Möglichkeiten er benützt hat, um das Ziel zu erreichen: Ich kann der Wirklichkeit des Todes nicht entrinnen – wichtig ist das Kreuz dieses Weges anzunehmen – ich darf schwach sein – die Begegnung mit der Familie kann mir helfen – ich akzeptiere die Hilfe von außen – ich freue mich auf die Gesten der Freunde – die Schwäche gehört zu diesem Weg – das heulende Bedauern meiner Situation kann ich nicht brauchen – die Schwäche engt meine Bewegungen ein – ich möchte die Würde als Mensch behalten – ich darf die Ohnmacht erleben – Dinge mit der Familie klären – zu wissen, dass man von der Familie angenommen ist. Das Ja zum Tod. Diese Betrachtung kann gerade älteren Menschen helfen mit dem Leid Jesu ihr eigenes Leid besser anzunehmen.
Ars moriendi hilft das Gleichgewicht zu finden
„Die Ars moriendi richtet sich an den Sterbebegleiter, der den Sterbenden als „lieber Freund“ oder „liebe Freundin“ (Dilecte aut dilecta ) anreden soll. Die Anrede des Sterbenden als Freund oder Freundin und das Selbstverständnis des Sterbebegleiters als wahrer Freund bringt dabei einen für die Ars moriendi insgesamt wichtigen Gedanken zum Ausdruck: Der Sterbende soll in seiner letzten Not nicht allein gelassen werden. Er soll aber auch nicht einfach nur seelsorglich versorgt werden, sondern in einem Prozess gläubiger Kommunikation mit dem Freund zu jenen Entscheidungen finden, die zum ewigen Heil führen. Dazu will die Ars moriendi dann gezielte Hilfen und Anweisungen geben. Sie beginnt mit vier Ermahnungen, die aus der Sicht des Glaubens die Situation beschreiben, in der der Sterbende sich befindet. Zuerst wird er daran erinnert, dass wir alle in Gottes Hand stehen. Das Ziel des Lebens besteht darin, durch ein Gott gefälliges Leben einst die Herrlichkeit des Paradieses zu erreichen.

Danach wird der Sterbende zur Dankbarkeit gegenüber Gott aufgefordert, von dem er in seinem Leben vielfältige Wohltaten erfahren hat. Er soll Zuflucht zur Barmherzigkeit Gottes nehmen und um Vergebung seiner Sünden beten.
In der dritten Ermahnung wird ihm in Erinnerung gerufen, dass er viele Sünden in seinem Leben begangen hat, für die er Strafe verdient. Wenn er jedoch willig und in Geduld die Leiden der Krankheit und des Sterbens auf sich nimmt, so wird ihm dadurch schon jetzt von Gott die Strafe und Pein erlassen, die ihm sonst im Purgatorium (Fegefeuer) noch bevorsteht. Wer sich so verhält, darf sicher sein, dass er Eingang in das Paradies findet.
Schließlich wird der Sterbende in der vierten Ermahnung angehalten, in dieser letzten und äußersten Stunde seines Lebens alles unter der Rücksicht des ewigen Seelenheils zu betrachten. Ganz und gar soll der Sterbende sich Gott anvertrauen. Er soll auch seine Angehörigen Gott anempfehlen.
Gerade in der letzten Ermahnung wird noch einmal ganz deutlich ausgesprochen, dass letztlich alles auf das ewige Heil ankommt, das nur aus Gottes Barmherzigkeit geschenkt wird.“ 13)
Es werden nach den Ermahnungen an den Sterbenden wichtige Fragen gestellt. Sie betreffen den Glauben, den Willen, die Vergebungsbitte, die Besserung, sollte er gesunden, die Bereitschaft zur Beichte, zur Restitution und zur Vergebung. Es folgen sodann eine Reihe von kurzen Gebeten zu Gott dem Vater, zu Jesus, zur Gottesmutter, zu den heiligen Engeln, besonders zum Schutzengel und zu den Heiligen, die der Sterbende in seinem Leben verehrt hat.
Masche der Verliebten
In den Seminaren der Sterbebegleitung, die ich in verschiedenen Orten hielt, begegnete ich einer uralten, aber sehr wirksamen Methode, die ich den Verliebten abschaute. Sie besteht aus einem sehr einfachen Element: Man orientiert sich am Atemrhythmus des Sterbenden. Verliebte können, ohne dass sie miteinander sprechen, fühlen, wie es dem Partner geht. So ist es ebenso möglich seelische Empfindungen, Angst, Ruhe, Zufriedenheit, Spannungen des Sterbenden am eigenen Körper zu spüren, so dass ich mit Berührungen und Worten Spannungen lösen kann. Ich merke es an meinem körperlichen Empfinden, wenn wieder Ruhe im Körper des Partners einkehrt. Dieser Atemrhythmus wird beim Sprechen, Beten, Singen, Streicheln, Einreiben und Lagern eingehalten. Diese Methode stellt den Patienten in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und auf diese Weise spürt dieser das Angenommensein. Dies ist für ihn eine große Hilfe. 14)
Tonglen: Buddhistische Wegweiser
Tonglen bedeutet „Geben und Nehmen“. In der Tonglen-Visualisation nehmen wir – mit einer starken, mitfühlenden Grundhaltung – das Leid und den Schmerz anderer in Empfang und geben ihnen – mit einem Herzen voller Zärtlichkeit und Zuversicht – all unsere Liebe, unsere Freude, unser Wohlbefinden und unseren Frieden. Normalerweise wollen wir weder unser Glück hergeben noch das Leid eines anderen auf uns nehmen 15). Dieses „Nicht-Wollen“ ist die Stimme unseres selbstsüchtigen Ichs. Wir schätzen unser „Ich“ höher als die „anderen“, und so kreisen wir in allem, was wir denken, reden und tun, stets um uns selbst. Wir folgen ständig nur den Befehlen unseres Ichs und bleiben so im Teufelskreis von Hoffnung und Furcht, Angst und Enttäuschung gefangen.
Es würde den Rahmen sprengen auf einzelne Übungen einzugehen wie: Tonglen für eine unangenehme Atmosphäre; Selbst Tonglen; Tonglen für andere; Tonglen im täglichen Leben nutzen.
Widmung
Wir müssen uns in schmerzlichen oder kummervollen Situationen nicht hilflos fühlen, wenn wir verstehen, kreativ und mit Würde und Mut auf sie einzugehen. Unser Leid dem Wohle anderer zu widmen, ist eine Möglichkeit, unseren Erfahrungen eine höhere Bedeutung zu geben. Die Praxis des Widmens wird in vielen religiösen Traditionen gelehrt, und ich habe festgestellt, dass selbst diejenigen, denen traditionelle spirituelle Vorstellungen nicht vertraut sind, dem Prinzip des Widmens sehr viel abgewinnen können. Wir können unser Leid, unsere Trauer, unsere Krankheit, selbst unseren Tod jemandem widmen. 16)
Eltern opfern oft ihre Leiden für ihre Kinder und Enkel auf. Viele ältere, gläubige Menschen haben ihren letzten Lebensweg, der oft mit viel Schmerzen und Leiden gepflastert war, für Priester und für Priester- und Ordensberufe aufgeopfert.
Erzählungen, Gleichnisse und Erlebnisse in der Bibel und in Lebensgeschichten
Auf dem Weg in den Aufbahrungsraum des Krankenhauses Meran finden sie Blätter aus Ton, Eisen, Kupfer oder anderen Metallen am Wegesrand liegen. Auf ihnen stehen Gedanken von Menschen, die den irdischen Lebensweg vollendet haben.
Diese Art Erzählungen, Geschichten, Gleichnisse an das Sterbebett zu tragen, kann für einen alten Menschen wertvoll sein. Es hilft ihm seine Lebenssituation aus der Perspektive der Erzählung zu sehen, und er bekommt damit eine Möglichkeit, dass sie zu einer neuen Kraftquelle werden kann. Beispiele und Gleichnisse der Bibel lassen sich gut einsetzen, um ebenso ein Umdenken, ein Vertiefen einer Krankheitssituation zu erreichen. Ältere Menschen hören gern Geschichten aus dem Leben und aus der Bibel. Sie zu benützen kann ein Segen werden, dass auch Sterben leichter gelebt werden kann. 17)
Das Sakrament der Krankensalbung
Die Feier des Sakramentes besteht vor allem darin, dass die Priester der Kirche den Kranken die Hände auflegen, das Gebet aus dem Glauben gesprochen wird und die Kranken mit dem heiligen Öl gesalbt werden: In diesen Zeichenhandlungen wird das Heil Gottes angezeigt und zugleich zugewendet. 18)Diese drei Gesten, Hand auflegen, ölen und Gebet, sollen sichtbar, spürbar vom Sterbenden erfahren werden. Der Priester soll bei der Handlung keine Angst haben den Körper des Sterbenden zu berühren.
Ritual der Wegzehrung
Das Ritual der heiligen Wegzehrung wurde in der Vergangenheit in unseren Dörfern gelebt. Ein Christ empfing vor dem Sterben die heilige Kommunion als Wegzehrung auf den Weg in die ewige Heimat. Der Priester ging mit dem Allerheiligsten von der Pfarrkirche weg. Er wurde vom Mesner oder Ministranten mit Glocke und Laterne begleitet. Auf dem Kirchturm läutete das „Zügen Glöcklein“. In der Pfarrgemeinde wusste man dadurch, dass ein Bruder oder eine Schwester in den letzten Zügen liegt. Man schloss sich entweder betend dem Allerheiligsten an oder man betete in den Häusern für jenen Menschen.
Der Brauch auf den Weg Gaben mitzugeben als Stärkung ist in vielen Religionen und auch bei Naturvölkern vorhanden. Den Menschen auf dem Weg Stärkung anzubieten kann das Gemeinschaftsbewusstsein stärken und der Sterbende fühlt sich geborgen und getragen. So kann die Wegzehrung in einem neuen Kleid mithelfen, gläubige Menschen zu Gott zu begleiten.
Der Christ wird, wenn der Übergang ins neue Leben nahe ist, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist anvertraut. Man bittet Maria, die Engel und die Heiligen um ihren Beistand. Die Bitte um Vergebung aller Sünden und Fehler mache den Menschen bereit in die Schar der Kinder Gottes aufgenommen zu werden. Es wird der Wunsch ausgedrückt, dass er nun für ewig Gottes Antlitz schauen möge. In einem Fürbittgebet wird Gott an seine Barmherzigkeit erinnert, die er anderen geschenkt hat und somit auch diesem Sterbenden zukommen lassen möge.
Gebet 19)
Gebet ist wichtig für einen sterbenden, gläubigen Menschen. Man soll jene Gebete benützen, zu denen der Sterbenden einen Zugang hat. Je näher der Tod herannaht, desto kürzer sollen die Gebete werden, weil die Aufnahmefähigkeit des Sterbenden abnimmt. Man spricht von den Stoßgebeten, die man vorsagen kann. Geeignet sind ebenso die Leiergebete wie der Rosenkranz, weil sie mithelfen eine Atmosphäre der Ruhe zu schaffen. Es kann auch nur ein Geheimnis des Rosenkranzes sein.

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13) Wagner H.: Ars moriendi, S. 29 - 30.
14) vgl. Otterstedt Carola: Sterbenden Brücken bauen, Symbolsprache verstehen, auf Körpersignale achten. S. 84ff.
15) Lonaker C.: Dem Tod begegnen und Hoffnung finden. Die emotionale und spirituelle Begleitung Sterbender.
S. 118.124.
16) Ich kann ein ähnliches Gebet sprechen mit den hier vorgetragenen Gedanken: Möge ich durch das Leid, das ich jetzt ertragen muss, allen anderen Menschen, die ich so schätze wie meine eigenen Freunde, nutzen und helfen können. Möge ich das Leid all jener, die krank sind oder Schmerzen haben, trauern oder sterben, auf mich nehmen, und mögen sich alle dauerhaften Glücks und guter Umstände erfreuen.
17) Kuschnik L.: Lebensmut in schwerer Krankheit, Spirituelle Begleitung bei Krebs, S.101 - 211.
18) Die Feier der Krankensakramente, S. 30/Nr. 27.
19) Beitrag von Pizzini Karl, Krankenhaus-Seelsorger in Brixen
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