Sozialfürsorge

Antworten des Patronats KVW-ACLI auf Fragen der LeserInnen

Mutterschaft ab achtem Schwangerschaftsmonat
Ich bin schwanger und der errechnete Geburtstermin ist der 30. Dezember 2015. Die Schwangerschaft verläuft ohne „größere“ Probleme und ich möchte bis einen Monat vor der Geburt arbeiten. Was muss ich tun?
Bei einer flexiblen Mutterschaft läuft die obligatorische Mutterschaft einen Monat vor der Geburt und vier Monate nach der Geburt.
Der Antrag um flexible Mutterschaft muss spätestens zwei Monate vor errechnetem Geburtstermin an die Versicherungsanstalt NISF/INPS und dem Arbeitgeber eingereicht werden. Dafür sind folgende Unterlagen notwendig:
- ärztliches Zeugnis von dem mit dem Sanitätsbetrieb konventionierten Frauenarzt innerhalb Ende des siebten Schwangerschaftsmonats ausgestellt,
- Bestätigung des Arbeitsmediziners, dass bei einer Arbeitstätigkeit im achten Schwangerschaftsmonat kein Risiko für Mutter und Kind besteht; wurde vom Betrieb kein Arbeitsmediziner ernannt, muss eine Selbsterklärung des Arbeitgebers vorgelegt werden
- ärztliches Zeugnis mit errechnetem Geburtstermin
- letzter Lohnstreifen, Identitätskarte und Steuernummer der Antragstellerin.
Rentenerhöhung bei Arbeitstätigkeit nach Rentenbeginn
Ich bin seit 2007 in Pension und habe in den Jahren 2010 und 2011 als Aushilfe in einem Handwerksbetrieb gearbeitet. Ich habe einen Lohnstreifen erhalten. Nun hat mir ein Freund erzählt, dass ich Anrecht auf eine Rentenerhöhung hätte. Stimmt das?
Ja, laut Ihren Informationen haben Sie Anrecht auf einen Rentenzuschlag. RenteninhaberInnen, die nach der Dienstalters- oder Altersrente noch eine Arbeitstätigkeit ausgeübt und somit Pensionsbeiträge eingezahlt haben, können nach fünf Jahren ab Rentenbeginn oder letztem Rentenzuschlag einen Antrag um Rentenerhöhung einreichen. Bei Erreichen des Rentenalters kann man ausnahmsweise den Antrag um Rentenzuschlag nach zwei Jahren einreichen. Für den Antrag um Rentenzuschlag, der über das Patronat KVW-ACLI eingereicht werden muss, sind folgende Unterlagen notwendig: gültige Identitätskarte und Steuernummer des Antragstellers und des Ehepartners, Angabe des Zivilstandes, letzte persönliche Steuererklärung und jene des Ehepartners.
Anrecht auf Hinterbliebenenrente
Ich bin eine 70-jährige Rentnerin und beziehe eine Rente in der Höhe von monatlich 605 Euro netto. Mein Mann ist jetzt über 80 Jahre alt und sehr altersgebrechlich. Manchmal stell ich mir vor, was sein wird, wenn er nicht mehr da ist. Habe ich bei Todesfall Anrecht auf eine Hinterbliebenenrente und wenn ja, in welcher Höhe? Die Rente meines Mannes ist etwa 950 Euro netto im Monat.
Als verheiratetes Paar haben Sie Anrecht auf eine Hinterbliebenenrente. Grundsätzlich wird die Hinterbliebenenrente in der Höhe von 60 Prozent der Rente des Verstorbenen berechnet. Besteht ein steuerpflichtiges Einkommen von mehr als 19.593,21 Euro, wird die Hinterbliebenenrente um 25 Prozent oder 40 oder 50 Prozent gekürzt. Je höher das steuerpflichtige Einkommen des Hinterbliebenen ist, umso geringer ist die Hinterbliebenenrente. Als steuerpflichtiges Einkommen werden nicht die selbstbewohnte Eigentumswohnung, Abfertigung, der Betrag der Hinterbliebenenrente und ab 1993 Nachzahlungen, die der Sonderbesteuerung unterliegen, gezählt.
Das Anrecht auf Hinterbliebenenrente besteht auch bei einer gerichtlichen Trennung. Bei Scheidung wird die Hinterbliebenenrente nur dann genehmigt, wenn der Hinterbliebene Anrecht auf Unterhaltszahlungen hat, die im Scheidungsurteil festgelegt wurden. Lebensgefährten haben kein Anrecht auf Hinterbliebenenrente.
Minderjährige Kinder, Oberschüler bis zum 21. Lebensjahr, Universitätsstudenten bis zum 26. Lebensjahr sowie arbeitsunfähige Kinder haben auch Anrecht auf eine Hinterbliebenenrente, wenn ein Elternteil verstirbt.
Der Antrag um Hinterbliebenenrente wird über das Patronat gestellt. Notwendige Unterlagen: Totenschein sowie Steuernummer des Verstorbenen, Identitätskarte und Steuernummer des Antragstellers, Rentendaten des Verstorbenen, Hochzeitsdatum, letzte Steuererklärung des Antragstellers und Verstorbenen, IBAN-Code des Bank- oder Postkontos für die bargeldlose Überweisung.
Niedere Renten für die Frauen
Der 30. Oktober 2015 wurde zum „Equal Pension Day“ erklärt. Ich bin über die veröffentlichten Rentendaten erschrocken. 2014 bekamen Frauen durchschnittlich 13.971 Euro, Männer hingegen durchschnittlich 21.081 Euro. Betroffen macht mich dies besonders, weil ich nach der Geburt des zweiten Kindes mein Arbeitsverhältnis aufgelöst habe und nun seit zwei Jahren nicht mehr rentenversichert bin. Bin ich schon in die Falle der Altersarmut getappt?
Zeiten ohne Rentenabsicherung sind Lücken in der Altersvorsorge. Es gibt aber Möglichkeiten, bei Mutterschaft, Pflege von Familienangehörigen und Teilzeitarbeit auch eigenverantwortlich Altersvorsorge aufzubauen. Ob in die staatlich öffentliche Rentenkasse gezahlt wird oder in einen Zusatzrentenfonds hängt von der individuellen Situation ab. Ob und in welcher Höhe die Region Trentino-Südtirol Beiträge gewährt für Erziehungszeiten oder Pflegezeiten, kann in einem Beratungsgespräch im Patronat abgeklärt werden.
Der Beitrag für nicht arbeitende Elternteile mit einem Kind unter drei Jahren wird unabhängig vom Einkommen in der Höhe der getätigten Rentenbeiträge entrichtet und kann maximal 7.000 Euro für freiwillige Rentenbeiträge und bis zu 3.500 Euro beim Aufbau einer Zusatzrente betragen. Werden pflegebedürftige Familienmitglieder mit Pflegestufe 2, 3 oder 4 betreut, wird ein jährlicher Höchstbeitrag von 4.000 Euro gewährt.

Kultur

Macht Kunst gesund?

Kunsttherapie hinterlässt Spuren
Jeder besitzt die Fähigkeit zu gestalten. Gestalten heißt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und zu verändern. Die Kunsttherapie regt an, durch das Malen und Modellieren seelisches Leid und Unsagbares darzustellen. Es entsteht ein Weg, die alte Form zu verändern, Neues zu entdecken und zu verwirklichen. Der kreative Prozess, der über das Malen und Gestalten im Außen stattfindet, ist Ausdruck und Spiegelbild der Innenwelt. Im Umgang mit der Kunst und der Auseinandersetzung mit sich selber lernen die TeilnehmerInnen positive Gefühle zu entwickeln und ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

In der Kunsttherapie stehen die Bilder als Zeichen für die Welt, in der ein Mensch lebt. Wenn sich die Bilder verändern, verändert sich auch der eigene Platz in der Welt.In der Kunsttherapie stehen die Bilder als Zeichen für die Welt, in der ein Mensch lebt. Wenn sich die Bilder verändern, verändert sich auch der eigene Platz in der Welt.

Als ich nach meinem Abschluss an der Hochschule der Künste in Paris im Jahr 1993 nach Bruneck kam, hatte ich den Wunsch, ein Atelier für psychisch Kranke zu gründen. Dieser Wunsch ging dann elf Jahre später in Erfüllung. Julia Bornefeld und ich wurden eingeladen, an der Psychiatrischen Abteilung im Krankenhaus Bruneck „die Patienten künstlerisch zu betätigen“. Aus dem ursprünglichen Projekt ist ein kontinuierliches Angebot geworden und ich absolvierte ein Masterstudium in Kunsttherapie an der Universität René Descartes/Paris. Mittlerweile finden in einem geschützten Rahmen unterschiedliche kreativtherapeutische Treffen wöchentlich statt.

Macht Kunst gesund?* Folgt man dem aus der Romantik hervorgegangenem Klischee, das immer noch hartnäckig in vielen Köpfen herumschwirrt, sind Künstler selbst nicht ganz gesund, unausgeglichen, häufig melancholisch und todessehnsüchtig. Ist demnach die künstlerische Tätigkeit eine Sublimierung, ein Mittel, um gegen das Irresein anzukämpfen, das Ventil, aus dem die giftigen Seelendämpfe entweichen können? Auch wenn die Kunst nicht immer und alle gesund macht, kann sie helfen, die latente Krankheit einzudämmen.
Sich der Welt ohne Worte mittteilen
Kunst in der Psychiatrie dient nicht dazu, neue „Art Brut“ Künstler populär zu vermarkten, sondern bietet neben den klassischen psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Verfahren eine zusätzliche Alternative, vor allem dann, wenn Worte nicht genügen. Malen und Modellieren kann helfen, die Wahrnehmung zur Welt und zu sich selbst zu verbessern. Viele Patienten haben kaum Erfahrung mit künstlerischem Ausdruck und es erfordert Mut und Frustrationstoleranz, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen. Kunsttherapie ist die einzige Therapieform, die „Spuren“ hinterlässt: es entsteht ein „Produkt“, ein Bild, eine Plastik, ein Foto. Die ästhetische Komponente ist sekundär, das Geschaffene ist Ausdruck und Gegenstand, auf den sich Patient und Therapeut gemeinsam beziehen. Das Produkt ist der „Ort“ von Übertragungen und Projektionen, das „dritte Objekt“, wodurch Emotionen und Sprache reaktiviert werden und psychische Lebendigkeit entsteht.
Kunst schafft Raum für neue Erfahrungen
In ihren Bildern drücken viele unserer TeilnehmerInnen zuerst genau das aus, was nach ihrem Empfinden so wenig Platz bekommt: ihr schwer beschreibbares Leiden wird sichtbar. Dadurch bauen sie eine Brücke zwischen sich und den Anderen. Malen berichtet der „Welt“ von ihrem Leid.
Über den kreativen Prozess Selbstheilungskräfte entwicklen
Interessanterweise geschieht im Prozess des Malens etwas Paradoxes, ein kleines Wunder: wenn ich male, beschäftige ich mich liebevoll mit Linien, Farben, Formen und indem ich dem Schmerz eine Form gebe, spüre ich in diesem Moment des Malens ein leichtes Glück, einen leichten Genuss, eine Befreiung: ich entferne mich kurz vor dem Schmerz. Diese Erfahrung wiederholt sich immer wieder. Kunst wird eine Strategie des Überlebens, Quelle von wohltuenden Emotionen. Kunst ist dann nicht mehr nur Ausdruck von meinem Leid, sondern schafft Raum für neue Erfahrungen mit mir und der Welt.
Hier ein Fallbeispiel
Frau F. spielte Harfe in einem Orchester, bis sie an starken Depressionen erkrankte, jeden sozialen Kontakt vermied und sich immer mehr von der Welt zurückzog. Die Harfe berührte sie nicht mehr. Die Psychologin empfiehlt Frau F. zusätzlich zur Psychotherapie Kunsttherapie. Bereits der erste Besuch im Atelier wirkte wie ein Aha-Erlebnis: das Malen war ihr bisher unbekannt und begeisterte sie unmittelbar. Aus der ehemaligen klassischen Musikerin wurde eine „Jazz-Malerin“: sie ließ ihre Improvisationen frei auf Papier fließen. Sie malte rätselhafte Landschaften, menschenlos, surreal, außerirdisch, die sie im Einzelgespräch als seelische Selbstporträts erklärte. In einem für sie wichtigen Bild spiegelten der rosarote Adler, die Insel mit dem unbekannten Schatz und die magischen Tannenbäume die Kindheit wider, so wie sie Frau F. empfand: „der unbekannte Schatz“ war das Kind, das von den Eltern nicht wertgeschätzt wurde. Die gemalten Bilder wurden für sie zu Schätzen und gaben ihr einen Teil der fehlenden Wertschätzung zurück. Nach drei Jahren fühlte sich Frau F. stabil und konnte die Therapien abschließen. Sie spielt wieder Harfe und malt, wenn ihr danach zumute ist.

*„Macht Kunst gesund? Die Werke von Psychisch Kranken zwischen Pathologie und Kunst“, Jakob Simmank, Frankfurter Zeitung, 30. August 2015

Erwin Kirchler,
Erwin Kirchler,
Sylvie Riant
Sylvie Riant