Kommentar
Demokratie
Muss sich auf das Gemeinwohl rückbesinnen
Foto: Markus Spiske - pexels
Am 22. Oktober dieses Jahres wird in Südtirol der Landtag neu gewählt. Als Hochamt der Demokratie wurde so ein Wahlgang früher bezeichnet, wobei Demokratie implizit mit repräsentativer Demokratie gleichgesetzt wird. Die Medien berichten täglich über neue Kandidaturen, spekulieren über den Wahlausgang, erörtern die voraussichtlichen Koalitionsvarianten und freuen sich über Hickhack, Pannen und sonstige Peinlichkeiten. Um politische Programme, Visionen für das Land und die Lösung der großen Probleme geht es jedenfalls kaum.
Es ist unschwer vorherzusehen, dass die Beteiligung an diesem für Südtirol wichtigsten Wahlgang ein weiteres Mal abnehmen oder zumindest dort bleiben wird, wo sie 2018 lag: bei knapp drei Viertel der Wahlberechtigten. Im Vergleich zu anderen Regionalwahlen in Italien ist das zwar hoch. Im Vergleich zu den Beteiligungsquoten bis Ende der 1980er Jahre ist es dagegen recht wenig. Spätestens seit damals wird die Enttäuschung über die politischen Akteure und das Ergebnis ihrer Arbeit gerne als „Politikverdrossenheit“ bezeichnet. Wie konnte es dazu kommen?
Einmal hat es mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. In den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg, vor allem ab 1960 gab es in allen westlichen Ländern einen enormen Aufschwung und Modernisierungsschub, der allen den Eindruck vermittelte, dass ihnen und ihren Kindern eine immer bessere Zukunft beschieden sei. Zudem wurde der Sozialstaat in dieser Zeit sukzessive ausgebaut. Dann folgten verschiedene Krisen oder einfach Sättigungstendenzen und der Preis, der mit dem forciertem wirtschaftlichem Wachstum und Globalisierung verbunden war, wurde zunehmend sichtbar: neben der Zerstörung des Planeten Erde die wachsende soziale Ungleichheit und das nicht eingelöste Versprechen von der Chancengleichheit aller (wobei die Situation der Menschen in anderen Ländern zumeist gar nicht mitgedacht wurde).
Zum anderen hat es einen grundlegenden Wertewandel in der Gesellschaft gegeben, von einer Orientierung an Pflichten und Verantwortung für die Gemeinschaft hin zu einer radikalen Individualisierung, in der es vor allem um Selbstverwirklichung geht. Politik wird folglich mit den Augen von Konsumenten betrachtet und bewertet: Was bietet sie mir, wer nützt meinen Interessen am meisten, welche „Marke“ passt am besten zu mir? Da die Aufgabe der Politik jedoch darin besteht, allen im Sinn des Gemeinwohls bestimmte Opfer abzuverlangen, etwa das Zahlen von Steuern oder Einschränkungen während einer Pandemie, ist die Enttäuschung unausweichlich.
Doch wenn wir auf Bewegungen, wie „Fridays for future“ blicken, dann gibt es zumindest unter jungen Menschen auch viel Idealismus. Aber die herrschende Politik muss auf diesen Impuls reagieren. Sie muss wieder Ziele für die Gesamtgesellschaft im Land und weltweit formulieren und realistische Wege aufzeigen, wie diese zu erreichen sind. Dafür wird es notwendig sein, weniger auf gut organisierte Interessensgruppen zu hören und keine Versprechen zu geben, die nach den Wahlen nicht einlösbar sind. Und die Wählerinnen und Wähler müssen genau hinhorchen und abwägen, wem sie wirklich glauben und ihr Vertrauen schenken.
Es ist unschwer vorherzusehen, dass die Beteiligung an diesem für Südtirol wichtigsten Wahlgang ein weiteres Mal abnehmen oder zumindest dort bleiben wird, wo sie 2018 lag: bei knapp drei Viertel der Wahlberechtigten. Im Vergleich zu anderen Regionalwahlen in Italien ist das zwar hoch. Im Vergleich zu den Beteiligungsquoten bis Ende der 1980er Jahre ist es dagegen recht wenig. Spätestens seit damals wird die Enttäuschung über die politischen Akteure und das Ergebnis ihrer Arbeit gerne als „Politikverdrossenheit“ bezeichnet. Wie konnte es dazu kommen?
Einmal hat es mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. In den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg, vor allem ab 1960 gab es in allen westlichen Ländern einen enormen Aufschwung und Modernisierungsschub, der allen den Eindruck vermittelte, dass ihnen und ihren Kindern eine immer bessere Zukunft beschieden sei. Zudem wurde der Sozialstaat in dieser Zeit sukzessive ausgebaut. Dann folgten verschiedene Krisen oder einfach Sättigungstendenzen und der Preis, der mit dem forciertem wirtschaftlichem Wachstum und Globalisierung verbunden war, wurde zunehmend sichtbar: neben der Zerstörung des Planeten Erde die wachsende soziale Ungleichheit und das nicht eingelöste Versprechen von der Chancengleichheit aller (wobei die Situation der Menschen in anderen Ländern zumeist gar nicht mitgedacht wurde).
Zum anderen hat es einen grundlegenden Wertewandel in der Gesellschaft gegeben, von einer Orientierung an Pflichten und Verantwortung für die Gemeinschaft hin zu einer radikalen Individualisierung, in der es vor allem um Selbstverwirklichung geht. Politik wird folglich mit den Augen von Konsumenten betrachtet und bewertet: Was bietet sie mir, wer nützt meinen Interessen am meisten, welche „Marke“ passt am besten zu mir? Da die Aufgabe der Politik jedoch darin besteht, allen im Sinn des Gemeinwohls bestimmte Opfer abzuverlangen, etwa das Zahlen von Steuern oder Einschränkungen während einer Pandemie, ist die Enttäuschung unausweichlich.
Doch wenn wir auf Bewegungen, wie „Fridays for future“ blicken, dann gibt es zumindest unter jungen Menschen auch viel Idealismus. Aber die herrschende Politik muss auf diesen Impuls reagieren. Sie muss wieder Ziele für die Gesamtgesellschaft im Land und weltweit formulieren und realistische Wege aufzeigen, wie diese zu erreichen sind. Dafür wird es notwendig sein, weniger auf gut organisierte Interessensgruppen zu hören und keine Versprechen zu geben, die nach den Wahlen nicht einlösbar sind. Und die Wählerinnen und Wähler müssen genau hinhorchen und abwägen, wem sie wirklich glauben und ihr Vertrauen schenken.
Text: Hermann Atz
Hermann Atz, Politikwissenschaftler, Co-Leiter des Sozialforschungsinstituts apollis