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70 Jahre KVW

Gemeinwohl soll das Land prägen
Werner Steiner, KVW Landesvorsitzender
Ein solches Jubiläum gibt Anlass zurückzublicken: am 8. Februar 1948 wurde zum ersten Mal der Tag der Sozialfürsorge begangen. Die erste Kirchensammlung für das Patronat wurde abgehalten. Fragen nach der Zukunft des Landes, nach der Entwicklung der Gesellschaft, nach Neuem für die Zukunft standen im Vordergrund. Priester und junge Leute aus dem Mayr-Nusser Kreis und um Schulamtsleiter Josef Ferrari machten sich Gedanken. Sie sahen die Not, die Rechtlosigkeit der Bürger im neuen System in den Nachkriegsjahren. Bürger haben Rechte, kennen sie aber nicht. 3000 Südtiroler, meist Angehörige einfacher Verhältnisse hätten Anrecht auf eine Rente gehabt. In Unkenntnis der Sachlage konnten sie ihre Rechte nicht geltend machen.
Als christliche Fraktion und im vorgewerkschaftlichen Raum
Die Einheitsgewerkschaft CGIL nutze die Gunst der Stunde und 1949 waren bereits 8000 einheimische Arbeiter in die Gewerkschaft eingeschrieben. Es stellte sich die Frage: „Welche Kräfte werden die Arbeitswelt Südtirols gestalten? Werden die neuen Strömungen auch politisch aktiv werden und Einfluss auf unsere Gesellschaft nehmen? Man hielt Ausschau nach Lösungen und wurde beim Modell „ACLI“ fündig. Die ACLI waren 1944 als christliche Fraktion der Gewerkschaft CGIL gegründet worden und arbeiteten im vorgewerkschaftlichem Raum. Es wurden alsbald konkrete Vorarbeiten zur Gründung des KVW in Angriff genommen. Die Ortskirchen von Bozen und Trient unterstützten das Vorhaben und riefen in ihren Amtsblättern zum Aufbau des KVW als Bewegung und Patronat auf. Es wurden Ortsgruppen gegründet, Theologiestudenten übernahmen die Obmannstellen. In vielen Gremien stellten Frauen die Mehrheit der Mitglieder.
Die Gründung am 17. September 1948
Am 17. September 1948 erfolgte die Gründung des KVW und am 29. November 1949 fand die 1. Landesversammlung statt.
Seitdem sind nun 70 Jahre vergangen in denen die Welt große Veränderungen mitgemacht hat. Der Wandel der Gesellschaft, der Wandel in den Werten stellen uns vor neue Herausforderungen. Der Ruf nach Neoliberalismus wird immer stärker. Öffentliche Einrichtungen werden schlecht gemacht, der Ruf nach Privatisierung und dadurch angeblich mehr Effizienz ist aus dem Bereich der Sanität bekannt. Dass wir uns dadurch zu einer zwei Klassen Medizin hin entwickeln scheint nicht weiter zu stören. Wer es sich leisten kann, baut sich eine private Zusatzversorgung auf und die anderen Menschen werden wohl schauen wo sie bleiben. Es haben aber nicht alle die finanziellen Voraussetzungen für zusätzliche Vorsorge und deshalb ist es notwendig, dass wir uns gemeinsam für eine wirksame Sanität in unserem Land einsetzen. Bei Jubiläen ist es oft leichter vergangenen Zeiten nachzuhängen. Wir als KVW wollen in die Zukunft blicken und uns neuen Herausforderungen stellen. Im Gespräch mit langjährigen Mitgliedern erfahre ich oft, dass jede Zeit ihre spezifischen, ökonomischen, politischen und kulturellen Aufgaben zu lösen hatte.
Sich als Christen den sozialen Herausforderungen stellen
Als Christen und KVW Mitglieder blicken wir zuversichtlich in die Zukunft und stellen uns den sozialen Herausforderungen unseres Landes. Gemeinsam werden wir auch weiterhin unsere Stimme erheben und sachlich auf Fehlentwicklungen hinweisen. Wir wollen durch unseren ehrenamtlichen Einsatz aufzeigen, dass es sich lohnt für den Mitmenschen da zu sein. 1992 schloss Johannes Meßner sein Referat zum Tag der Sozialfürsorge mit den Worten: „Der Sabbat ist für die Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat.“ So wollen wir auch Sorge tragen, dass nicht Interessengruppen ihre persönlichen Anliegen durch entsprechende Organisation durchsetzen, sondern das Prinzip des Gemeinwohles nicht nur unseren Verband, sondern auch unser Land Südtirol in Zukunft prägen werden.
Text: Werner Steiner

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Zeitzeugen des KVW berichten

Damals und heute: Parallelen, Gemeinsamkeiten und Neues
Die Zeitzeugen, v.l. Sepp Pfattner, Josef Stricker, Lisl Lantschner, Burgl Moser, Wilfried Wörndle, Helga Mutschlechner und Theresia Kühbacher.
Die 70-Jahr-Feier des KVW war Anlass zurückzublicken auf Ereignisse und Leistungen des größten Sozialverbandes Südtirols. Bei Begegnungen mit Zeitzeugen ließen diese Vergangenes Revue passieren und erzählten von Pionierleistungen des KVW. Dabei kamen auch viele Gemeinsamkeiten zutage.
Theresia Kühbacher und Lisl Lantschner berichteten von der Berufsgruppe für Hotel- und Gastgewerbeangestellten und von den KVW Senioren. In diesen Bereichen ist der KVW von Null gestartet und hat wertvolle Aufbauarbeit geleistet. In den 80er Jahren wurde die Dienststelle für Senioren im KVW gegründet. Lisl Lantschner erzählte, dass es anfangs darum ging, Seniorenklubs in den Orten aufzubauen. Später holte der KVW Ausbildungen nach Südtirol, die es vorher nur in Österreich und Deutschland gab: Seniorentanzleiter, Gymnastikleiter und Gedächtnistrainer wurden ausgebildet, das Tanzen im Sitzen wurde gelehrt, Schreibwerkstätten organisiert. Die Kurse für pflegende Angehörige wurden als erstes vom KVW angeboten, ebenso wurden Altenpflegerinnen und Familienhelferinnen ausgebildet. All dies war zur damaligen Zeit neu im Land.
Kühbacher ist seit 1954 Mitglied beim KVW. Da sie im Gastgewerbe tätig war, kam sie schon bald zur Berufsgruppe für Hotel- und Gastgewerbeangestellte. Für diese wurden Studienfahrten und Ferienaufenthalte außerhalb der Saisonen angeboten. „Es ging um eine gute Berufsbildung und um ein menschenwürdiges Wohnen der Angestellten“, erzählte Kühbacher.
Wie ein roter Faden zieht sich die Frauenarbeit durch die 70-jährige Geschichte des KVW. Burgl Moser erinnerte sich an die Anfänge zurück, als Waltraud Gebert die Frauen im KVW geleitet hat. Es ging um die soziale Absicherung, um die Hausfrauenrente und das Familienpaket der Region wurden eingeführt. Um die Absicherung geht es auch heute noch, hackte Helga Mutschlechner ein. Da es nur mehr die beitragsbezogene Rente geben wird, sind die Frauen stark benachteiligt. Weitere aktuelle Themen sind Gewalt gegen Frauen, Vereinbarkeit, gleicher Lohn, Schutz des freien Sonntags usw.
Wilfried Wörndle und Josef Stricker sprachen über den KVW als soziale Bewegung damals und heute. Sie zogen Parallelen und analysierten die Herausforderungen: es ging um den KVW als „Bollwerk gegen den Kommunismus“, um den Wirtschaftsliberalismus und um die Gegner heute, die nicht so eindeutig auszumachen sind, sondern verschleiert und diffuser arbeiten.
Der ehemalige Landesvorsitzende Sepp Pfattner und Herbert Prugger sammelten mit den Anwesenden Vorschläge und Ideen für die zukünftige Arbeit im KVW. Diese „Bausteine für die Zukunft“ wurden zum Abschluss dem Landesvorsitzenden Werner Steiner übergeben.