Thema

Arbeiten will ich und zwar gut!

„Arbeiten will ich und zwar gut!“ – rufen uns der Arbeiter und die Arbeiterin auch in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt zu und die Menschen haben ein Recht auf eine gute, menschenwürdige Arbeit, mit einem gerechten Einkommen und eine Tätigkeit, die der Verantwortung für die Umwelt und die neuen Generationen gerecht wird.
Wenn sich die Arbeitswelt auch verändert, gute Arbeit muss das Leitbild bleiben, das Augenmerk ist auf die Qualität der Arbeitsbedingungen zu richten




Karl H. Brunner,
Mitglied des KVW Vostands
Eine Arbeit in Südtirol
Trotz der niederschlagsarmen Wochen im Frühling haben die Bauern im Land im Sommer ihr Heu ins Trockene gebracht. Viele Menschen in unserem Verband kennen diese körperlich anstrengende Arbeit aus ihrer eigenen Lebensgeschichte. Sie wissen, was es bedeutet, die Hänge vor allem in den steilen Lagen zu bearbeiten. Wer hätte sich vor 60 Jahren gedacht, dass es auf Südtirols Bergbauernhöfen Heubelüfter, hochmoderne Mähmaschinen, ja manchmal sogar Heugebläse mit Förderbändern etc. geben wird, die diese – zugegeben immer noch schwere – Arbeit erleichtern? Aber nicht nur das: Urlaub am Bauernhof ist ohne Homepage und E-Mail nicht denkbar. Der technische Fortschritt bis hin zur Digitalisierung ist also am Hof angekommen, vereinfacht vieles und hat auch das Leben der Bauern nachhaltig verändert. Was für die Berglandwirtschaft gilt, gilt in noch größerem Ausmaß für den Dienstleistungssektor, das Handwerk, den Handel und ganz besonders für die Industrie: Schwere körperliche Arbeit wird erleichtert, die Entfernung spielt kaum mehr eine Rolle und kann mit einem Mausklick überwunden werden. Informationen stehen umfassend und jederzeit zur Verfügung, die Produktion kann mehr und mehr den Bedürfnissen angepasst, die Banküberweisung jederzeit – selbst in der Nacht und am Sonntag – getätigt werden, etc. Diese Beispiele zeigen: Die Welt ist „smarter“ geworden und zwar auch bei uns!
Eine Erfolgsgeschichte?
Liest man diese Zeilen, könnte man meinen, dass hier alles nur besser wird. Die Politik und große Interessensverbände z.B. in Deutschland schwärmen schon von der „Industrie 4.0“ und stellen Milliarden an Steuergeldern zur Förderung der Digitalisierung in den Unternehmen zur Verfügung. Als KVW besteht unsere Aufgabe darin, einen konstruktiv kritischen Blick auf diese Entwicklungen zu werfen. Wir fragen uns: Wie geht es den Menschen in dieser neuen Arbeitsrealität? Als Sozialverband dürfen und müssen wir noch einmal präzisieren: Wie geht es den Schwächeren in unserer Gesellschaft damit?
Es gibt ohne Zweifel Positives zu berichten und einiges davon wurde bereits angedeutet. Der Einsatz von Robotern und Maschinen hat beispielsweise schwere körperliche Arbeit deutlich erleichtert und wirkt sich positiv auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen aus. Die so genannte „Arbeit 4.0“ könnte auch aus ökologischer Sicht interessant sein: Während heute z.B. Sportschuhe in Massen produziert werden, nicht selten um die ganze Welt reisen und immer wieder in großen Hallen zwischengelagert werden müssen, eröffnen sich durch den technischen Fortschritt ganz neue Möglichkeiten: Der Kunde kann sich seinen Schuh im Internet nach Wunsch selber zusammenstellen. Damit kann die Produktion zielgerichtet erfolgen, die Massenproduktion kann verringert werden, Zwischenlager fallen weg und durch dezentrale Produktionsstätten, kann der Weg auch verkürzt werden. Studien gehen davon aus, dass z.B. durch den Einsatz von 3D-Druckern der Materialverschleiß massiv verringert werden kann.
Soziale Berufe im Aufwind
Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die von uns als Gesellschaft Antworten verlangen. Hier einige Beispiele: Besonders gering qualifizierte MitarbeiterInnen kommen durch die zunehmende Digitalisierung immer mehr unter Druck. Studien gehen davon aus, dass bis zu 47 Prozent der heutigen Arbeitsplätze verloren gehen aber auch neue für höher qualifizierte MitarbeiterInnen entstehen könnten. Damit geht auch eine Veränderung von Berufsbildern einher: Manche Berufe werden in Zukunft wohl überhaupt ganz verschwinden, während jenen im sozialen Bereich eher eine positivere Entwicklung vorhergesagt wird, weil die zwischenmenschlichen Beziehungen schwerer durch Computer und Roboter ersetzt werden können. Welche Perspektive können wir den „Verlierern“ in diesem Prozess dann aber bieten?
Die große Geschwindigkeit, mit der sich das Wissen vermehrt und auch wieder überholt, stellt für die Menschen ebenso eine Herausforderung dar, wie die zeitliche und räumliche Entgrenzung des Arbeitsplatzes. Wenn wir z.B. die E-Mails über das Handy auch von Zuhause aus „checken“, dann wird deutlich, dass hier Grenzen verschwimmen, was mitunter von Arbeitgebern auch verlangt wird. Was aber bedeutet dies für die nötigen Erholungs- und Familienzeiten, wenn wir rund um die Uhr erreichbar sind und damit die Arbeit auch immer „mitnehmen“?
Durch das Internet entstehen neue Formen der Beschäftigung, die bisher noch keine klare Regulierung erfahren haben. Ein Beispiel dafür ist das „Crowdworking“: Eine junge Mutter ist Grafikerin und stellt ihre Dienste über eine Internetplattform zur Verfügung. Da sie gut Englisch spricht, kann sie ihre Arbeitszeit weltweit anbieten. Auf den ersten Blick ist das durchaus attraktiv: Sie kann arbeiten, wann es die Betreuung ihres Kindes erlaubt und ist ihre eigene Chefin. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich auch die damit einhergehenden Probleme: Es gibt keinen kollektivvertraglich geregelten Lohn und keinen Arbeitsschutz, bei Krankheit kein Krankengeld und Stundenlöhne im untersten Einkommenssegment. Im Jahr 2016 waren ca. 112 Millionen Menschen auf diese Weise tätig. Diese Zahl macht deutlich, dass es sich dabei um kein Randphänomen handelt. Wie geht die Politik aber mit dieser Form einer „Anstellung von Selbstständigen“ um, wie es beispielsweise auch bei den Fahrern einiger Paket- und Taxidienste der Fall sein soll? Diese Menschen arbeiten von ihrer Tätigkeit und Abhängigkeit her in einem Angestelltenverhältnis. Formal und damit im Hinblick auf die soziale Absicherung tragen sie allerdings die Risiken der Selbständigkeit.
Einen Prozess aktiv gestalten
Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist eine Realität, die eine Reihe von Veränderungen anstößt. Wie bei allen Veränderungen gibt es auch hier beides: Chancen und Herausforderungen. Es geht letztendlich darum, diesen Prozess aktiv zu gestalten und zwar mit einer klaren Grundeinstellung, bzw. einem Leitgedanken. Für uns als Sozialverband ist klar: Der Mensch muss in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interesses gerückt werden und zwar nicht nur bei politischen Sonntagsreden. Die Digitalisierung darf nicht zu einem Ausgrenzungsphänomen verkommen. Es braucht Rahmenbedingungen, die ein gutes Leben für alle ermöglichen und zwar durch neue soziale Sicherungs- und Steuersysteme, die den Entwicklungen der zunehmenden Digitalisierung Rechnung tragen. Eine solidarische Ökonomie und ein nachhaltiger Lebensstil, der nicht auf Kosten der „Länder des Südens“ aufgebaut wird, sind Grundpfeiler einer friedlichen Gesellschaft. Damit die Jugend aber auch andere Menschen am Wohlstand und an der Gesellschaft teilhaben können, kann nicht genug in ihre Bildung investiert werden und die Menschen müssen diese Gelegenheit auch mit großer Eigenverantwortung wahrnehmen, um Grundkompetenzen entwickeln, erhalten und stärken zu können!
Aus diesen Zeilen wird deutlich, dass es nicht darum gehen kann, nur von anderen, von der Politik und den UnternehmerInnen etwas zu fordern. Wir alle sind dazu aufgerufen, unser Leben nach diesen Prinzipien auszurichten und uns mit Nachdruck dafür einzusetzen, unsere Gesellschaft engagiert in diese Richtung mitzugestalten. Wenn wir mit unseren Überzeugungen Netzwerke in unserem Land und darüber hinaus bilden, dann können wir mit unserer Dynamik auch andere „zur Bewegung“ anstecken und die Gesellschaft aktiv mitgestalten!

Kommentar

Gewalt gegen Frauen

Gewalterfahrungen gehören für viele Frauen immer noch zum Alltag
Guido Osthoff,
Leiter der Männerberatung der Caritas, Diözese Bozen-Brixen
Am 25. November ist der internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. In der kürzlich veröffentlichten Erhebung des Landesinstiuts für Statistik zeigte sich, dass Gewalt gegen Frauen keinen Rückgang aufweist und oft innerhalb der Familie auftritt. Täter ist fast immer der Partner oder Ex-Partner.
Leider ist festzustellen, dass Gewalttaten und insbesondere Gewalt gegen Frauen großteils von Männern ausgeübt werden. Gewalt gegen Frauen kann deshalb nur beseitigt werden, wenn immer mehr Männer an ihrem Verhalten arbeiten und lernen, auch in Konfliktsituationen keine Gewalt mehr anzuwenden. Dies ist einfach gesagt, aber schwer getan.
Lernen Konflikte gewaltfrei und konstruktiv zu lösen
Seit 2001 bietet die Caritas Männerberatung Männern zu all ihren Lebensfragen und -problemen Beratung von Mann zu Mann an. Über 5000 Männer sind seitdem bereits mit der Männerberatung in Kontakt getreten und haben sich von Mann zu Mann von psychotherapeutischen Experten beraten lassen. Von Anfang an wurde deutlich, dass sich viele Männer im Umgang mit ihren Gefühlen und in der Kommunikation über Beziehungsthemen schwer tun. Die Berater der Männerberatung machten darüber hinaus die Erfahrung, dass vor allem bei Beziehungskonflikten ein Teil der ratsuchenden Männer zu gewalttätigem Verhalten neigt und sich schwer damit tun, ihre Konflikte anders als mit destruktivem Verhalten zu bewältigen.
Aus diesem Grund beschloss das Team der Caritas Männerberatung, für Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, ein spezifisches Anti-Gewalt-Training zu entwickeln. Dieses Training wird seit mehr als fünf Jahren in enger Kooperation mit den Südtiroler Frauenhausdiensten und mit Unterstützung des Landesamtes für Kinder-, Jugendschutz und soziale Inklusion angeboten. Ziel des Trainings ist neben der Verhaltensänderung des Mannes der Schutz der betroffenen Frauen vor weiterer Gewalt. Deshalb auch die enge Zusammenarbeit mit den Kolleginnen der Frauenhäuser, welche den von der Gewalt betroffenen Frauen Beratung und Schutz anbieten.
Einsicht ist Voraussetzung für eine Verhaltensänderung
Im Vergleich zu den mehr als 600 Frauen, die jährlich Kontakt mit den Frauenhausdiensten aufnehmen, ist die Anzahl der Männer, die sich an die Caritas Männerberatung wenden, um am Anti-Gewalt-Training teilzunehmen, mit 20 bis 30 Männern jährlich sehr gering. Das ist sehr bedauernswert, vor allem weil sich eine nachhaltige Verhaltensänderung nur über eine intensive Arbeit am eigenen Verhalten erreichen lässt. Dazu braucht es aber in der Regel die Hilfe von Fachleuten; denn die Mehrzahl der betroffenen Männer hat sich dieses Verhalten von klein auf angeeignet und teilweise bereits von erwachsenen Bezugspersonen übernommen. Viele der Teilnehmer am Anti-Gewalt-Training haben dort erstmals eine Problemeinsicht gewonnen und ihr Verhalten als problematisch anerkannt. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Verhaltensänderung.
Italien hat gemeinsam mit vielen anderen europäischen Ländern 2011 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch Istanbulkonvention genannt, unterzeichnet. Dies sieht unter anderem vor, dass Täterprogramme wie das Anti-Gewalt-Training der Caritas Männerberatung umfassend gefördert werden, eben weil die Gewalt gegen Frauen nur dann nachhaltig beendet werden kann, wenn mit den Tätern so gearbeitet wird, dass sie ihr Verhalten ändern und keine Gewalt mehr anwenden. Der große Teil der gewalttätigen Männer ist aber nur dann bereit, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen, wenn sie dazu mit Nachdruck motiviert werden. Dies kann die deutliche Aufforderung etwas an seinem Verhalten zu ändern von Kollegen, Freunden und Familienangehörigen sein. Dies sollte aber vor allem von öffentlichen Institutionen, ob Sozialdienste, Ordnungskräfte oder Gerichte beherzigt werden, in dem sie den gewalttätigen Mann dazu verpflichten, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen.
Denn nur wenn immer mehr Männer lernen, auch im Konfliktfall ohne Gewalt auszukommen, wird die Anzahl der Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, nachhaltig abnehmen.
Text: Guido Osthoff