Thema

Referendum zum Flughafen Bozen

Mitbestimmung ist gefragt: Soll das Land Südtirol den Flughafen mitfinanzieren?
Die beratende Volksbefragung über den Flughafen Bozen findet am Sonntag, den 12. Juni statt. Südtirols Wählerinnen und Wähler können dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetz „Bestimmungen zum Flughafen Bozen“ zustimmen oder es ablehnen. Die Diskussion über die Zukunft des Flughafens Bozen wird seit Jahren intensiv geführt. Aus dem Wahlergebnis kann die Politik ableiten, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist. Das Referendum ist beratend, jedoch hat Landeshauptmann Kompatscher zugesichert, dass das Ergebnis für ihn bindend sei.


Foto: LPA / Giuri Pernthaler, Arno Perth, Martina JaiderFoto: LPA / Giuri Pernthaler, Arno Perth, Martina Jaider

Am 12. Juni 2016 werden die Südtirolerinnen und Südtiroler bei einer beratenden Volksbefragung darüber entscheiden können, ob sie für oder gegen den Landesgesetzentwurf „Bestimmungen zum Flughafen Bozen“ sind.


Was sieht das Gesetz vor?
Der Flughafen Bozen trägt - laut Gesetzentwurf Nr. 60 aus dem Jahr 2015 - zur Verbesserung der Erreichbarkeit und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Südtirols bei. Er ist von grundlegender Bedeutung für die wirtschaftliche, touristische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung des Landes Südtirols. Im Gesetz steht weiters: „Der Flughafen ist somit eine Einrichtung von öffentlichem Interesse“.


Was sind die Entwicklungsziele?
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass auf Grundlage des von der Landesregierung genehmigten Entwicklungskonzepts ab 1. Jänner 2022 eine Mindestzahl von 170.000 Fluggästen pro Jahr erreicht werden muss.
Der Flughafen darf die Kategorie 2C nicht übersteigen. Dies bedeutet, dass die Start- und Landebahn maximal auf 1.462 m verlängert werden kann. Dies entspricht einer Verlängerung um 168 Meter. Linienflüge dürfen zwischen 6 und 23 Uhr starten und landen, Charterflüge von 7 bis 22 Uhr.


Es geht um die Finanzierung
Laut diesem Gesetz kann das Land Südtirol ab 2017 den Flughafen Bozen jährlich mit bis zu 2,5 Millionen Euro unterstützen. Das Gesetz sieht also eine Obergrenze für die Finanzierung durch das Land vor. Ab dem Jahr 2022 dürfen es jährlich bis zu 1,5 Millionen Euro sein. Diese Kosten sind einschließlich Beiträge für Flugverbindungen und Investitionen.
Das Gesetz sieht vor, dass die Finanzierung des Flughafens eingestellt wird, sollten die vorgegebenen Entwicklungsziele nicht erreicht werden. Ab dem Jahr 2022 muss demnach der Flughafen auf eine jährliche Mindestanzahl von 170.000 Passagieren kommen.
Und genau über diese im Gesetz enthaltenen Bestimmungen dürfen die Wahlberechtigten am 12. Juni abstimmen. Es geht darum, ob das Land das Ziel des Ausbaus des Flughafens weiterverfolgen soll oder ob es sofort aus der Finanzierung des Flughafenbetriebs aussteigen soll.
Warum eine Volksbefragung?
Der Gesetzentwurf war von der Landesregierung im vergangenen Jahr vorgelegt worden. Auf Vorschlag von Landeshauptmann Arno Kompatscher hatte der Landtag im Dezember beschlossen den Gesetzentwurf einer beratenden Volksbefragung zu unterziehen. Obwohl es eine beratende Volksbefragung ist, hat Kompatscher versichert, dass er sich an das Ergebnis halten wird. Die Volksbefragung war Teil des Koalitions- und Regierungsprogramms. Gerade weil das Land bereits 120 Millionen Euro (seit 1999) in den Flughafen investiert hat, knüpft der Landeshauptmann eine nochmalige Investition des Landes an die Zustimmung der Bevölkerung.
Es ist dies in Südtirol die erste, von der Regierungsmehrheit selbst beantragte Volksbefragung. Das ist ein wichtiger demokratiepolitischer Schritt für Südtirol.


Wie lautet die Fragestellung?
„Wollen Sie die Genehmigung des Gesetzentwurfes Nr. 60/15, betreffend Bestimmungen zum Flughafen Bozen, zu welchem der Südtiroler Landtag am 4. Dezember 2015 die Anberaumung einer beratenden Volksbefragung beschlossen hat?“

Foto: LPA / Giuri Pernthaler, Arno Perth, Martina JaiderFoto: LPA / Giuri Pernthaler, Arno Perth, Martina Jaider

Was bedeutet ein „Ja“?
Die Mehrheit sagt Ja: Das bedeutet, dass der Flughafen Bozen die Chance bekommt, mit öffentlicher Unterstützung und unter Kontrolle des Landes Südtirol das Ziel „funktionierender Regionalflughafen“ zu erreichen. Der Rahmen dafür, wird vom Landesgesetz „Bestimmungen zum Flughafen Bozen“ und dem Entwicklungskonzept der Südtiroler Landesregierung vorgegeben, so wie anfangs beschrieben. Sollte das Ziel nicht erreicht werden, steigt das Land 2022 aus.


Was bedeutet ein „Nein“?
Die Mehrheit sagt Nein: Das bereits genehmigte und mit Urteil des Staatsrates bestätigte Ausbauprojekt zur Verlängerung der Start- und Landebahn wird vom Land Südtirol nicht umgesetzt und es werden auch keine weiteren finanziellen Mittel für den Betrieb des Flughafens Bozen aufgewendet.
Wie es dann weiter geht, ist nicht ganz sicher. Auf der Homepage des Landes steht, dass das Land in der Folge die Flughafenbetreibergesellschaft ABD liquidieren muss. „Unter den geltenden Rahmenbedingungen fällt die Konzession für den Betrieb des Flughafens Bozen an die Nationale Zivilluftfahrtbehörde ENAC zurück“. Gemunkelt wird auch, dass das Land Südtirol die Zuständigkeit für die Konzessionsvergabe erlangten könnte. Laut einem Dekret des Staatspräsidenten gehen Flughäfen von regionalem oder lokalem Interesse an die Region (oder die autonome Provinz) über.
Es ist nicht klar, ob die Konzession für den Betrieb in Zukunft europaweit auszuschreiben ist.


Welches Quorum?
Für die Volksbefragung ist ein Quorum von 40 Prozent vorgesehen. Der Landeshauptmann hat versichert, dass sich die Südtiroler Landesregierung auf jeden Fall nach der Mehrheit der Stimmen richten wird, sollte auch das Quorum nicht erreicht werden.


Meinungen und Bedenken
Kritisiert wird, dass im Entwicklungskonzept der Faktor Mensch und Natur völlig ausklammert wird. Es geht nur um den wirtschaftlichen Aspekt. Die Themen Umwelt und Gesundheit werden nicht erwähnt. Gerade sie sorgen jedoch bei der Bevölkerung für Unbehagen. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, der Alpenverein Südtirol und der Heimatpflegeverband machten auf schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung und die Umwelt im Bozner Talkessel, im Unterland und im Überetsch aufmerksam. „Schon allein die Lärm- und Emissionsbelastung, die von drastisch mehr Flügen mit größeren Flugzeugen ausgeht, muss als ‚erhebliche‘ Umweltfolge gelten und rechtfertigt daher die ordentliche UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung)“, so die Vertreter der drei Organisationen.
Sie hatten in ihren Stellungnahmen nicht nur auf die durch einen Ausbau des Flughafens zu erwartenden gesundheitlichen Folgen für die Bürger im größten Ballungsraum Südtirols verwiesen, sondern auch auf die Auswirkungen auf die Landwirtschaft oder die Fauna. „Diese Folgen werden im Umweltbericht zum Flughafenausbau kaum oder nur oberflächlich behandelt, müssen aber eingehend beleuchtet werden“, so Dachverband, AVS und Heimatpfleger.
Die Handelskammer ist überzeugt, dass der Südtiroler Regionalflughafen von enormer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Südtirol ist und damit für die Sicherung der Arbeitsplätze in Südtirol. Damit die Südtiroler Wirtschaft wachsen kann und der Wohlstand und das Einkommen erhalten bleiben, muss es den einheimischen Unternehmen möglich sein, ihre Produkte zu exportieren und mit ausländischen Geschäftspartnern zusammenzuarbeiten. Damit diese Kooperationen gelingen können, muss es möglich sein, schnell und bequem von Südtirol aus die Welt zu erreichen und umgekehrt.


Erreichbarkeit
Die Erreichbarkeit ist ein Argument, dass von Tourismus und Wirtschaft vorgebracht wird. Ein funktionierender Flughafen leistet einen wesentlichen Beitrag für die Erreichbarkeit einer Region und damit zur Vernetzung zwischen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Akteuren. Im geschäftlichen und politischen Alltag ist das Flugzeug ein sehr wichtiger Verkehrsträger, um Kontakte auf nationaler und internationaler Ebene zu pflegen.
Mobilität, Vernetzung und Erreichbarkeit sind heute wichtige Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg. Ein Flughafen ist ein wichtiger Baustein in einem vollwertigen Mobilitätsangebot und die Brücke zu entfernten Märkten. Eine Brücke, die keine Einbahnstraße ist und so auch Touristen aus aller Welt die Möglichkeit gibt Ferienregionen schnell und unkompliziert zu erreichen.



Text: Inburg Gurndin


Kommentar

Südtirols Autonomie

Das neue Statut für soziale Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich
Südtirol und die Region haben die Autonomie gut genützt. Die Regelungen für Bildungsförderung, sozialen Wohnbau, Gesundheit, Sozialhilfe, Pflegesicherung, Zusatzvorsorge, Familie, Integration, öffentliche Betreuungs- und Pflegedienste und Sanitätskörperschaften sind auf gutem Niveau. Das Statut hat sich bewährt.

Der Andrang beim ersten Open Space zum Autonomiekonvent in Bozen war groß. Foto: Südtiroler LandtagDer Andrang beim ersten Open Space zum Autonomiekonvent in Bozen war groß. Foto: Südtiroler Landtag
Karl TragustKarl Tragust

Trotzdem: das neue Statut kann und muss besser werden. Die Gegebenheiten der sozialen Sicherheit ändern sich rasant. Bewährtes ist unter Druck. Viele glauben, dass nur der Abbau der Leistungsstandards uns im internationalen Wettbewerb überleben lässt. Das Soziale wird aus dem öffentlichen Raum herausgenommen und in den privaten und individuellen Raum zurückgegeben. So ist die derzeitige Orientierung der politischen Mehrheit, die nicht unmittelbar mit dem Statut zu tun hat. Dieses stellt aber wichtige Weichen für die lokalen Gegebenheiten.


Aufgaben des Statuts


Das Statut sollte a) soziale Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich als Grundwerte vorgeben, b) die Zuständigkeiten für Gesetzgebung beim Land konzentrieren und c) Mitbestimmung und Betroffenenbeteiligung stärken.
a) Präambel:
Das Statut soll eine Präambel über die Grundwerte der Autonomie haben. Soziale Gerechtigkeit und sozialer Ausgleich sind solche Grundwerte. In einer Solidaritätsklausel wird festgeschrieben, dass Südtirol Einnahmen der öffentlichen Betriebe zu einem in den Gesetzen zu definierenden Anteil für soziale Bedürfnisse zur Verfügung stellt (z.B. Einnahmen aus Energie). Gesetze über die Befriedigung sozialer Grundbedürfnisse sehen einen mehrjährigen Finanzierungsplan vor. Bei Steuerreduzierungen sichert eine statutarische Garantieklausel die Finanzierung sozialer Grundbedürfnisse. Die Verteilung der Ressourcen nach Proporz braucht es nicht. Ausschlaggebend ist das Bedürfnis.


b) Zuständigkeiten:
Auf dem Gebiete der Region Trentino-Südtirol sind heute vier Gesetzgeber: EU, Staat, Region und autonome Provinzen. Das ist zu viel. Es ist fast unmöglich, alle vier Gesetzgeber für ein organisches Ganzes zu koordinieren. Ich plädiere für die Übertragung der Gesetzgebungsbefugnisse der Region an die Länder, für die primäre Zuständigkeit des Landes im Gesundheitswesen und für die sekundäre Zuständigkeit bei Vorsorge und Sozialversicherung. Die Übertragung der sog. Ordnungskompetenz an die Länder würde das Gesamtsystem stimmiger, organischer und einfacher machen. Die Gesetze für Wirtschaft, Bildung, Wohnbau, Gesundheit, Soziales, Familie, Arbeit, Migration können gut aufeinander abgestimmt und mit den Ordnungsbestimmungen, also dem institutionellen und organisatorischen Rahmen der Lokal-, Sozial- und Gesundheitskörperschaften, direkt verbunden werden. Das steigert Wirksamkeit und Effizienz des Gesamten. Auch die Verwaltungszuständigkeiten von Land und Lokalkörperschaften sind im Statut klarer zu regeln, damit die heutige Grauzone zwischen Landes- und Gemeindezuständigkeiten, z.B. bei der Sozialhilfe, aufgelöst wird.


c) Sozialbereich:
Im Sozialbereich ist die Ausrichtung auf die Betroffenen wichtig. Nach dem Grundsatz: Nichts ohne uns, nichts über uns. Mitbestimmungs- und Anhörungsmechanismen sind statutarisch zu verankern.


Soziales wird grenzüberschreitend


Was tun mit der Region? Aus der Sicht der Sozialgesetzgebung brauchen wir sie nicht. Interessant ist hingegen eine Klammer im europäischen und grenzüberschreitenden Sinne mit den Nachbarstaaten und Regionen. Das Modell der Europaregion ist weiterzuentwickeln. Soziale Sachverhalte werden immer grenzüberschreitender und die Regelung des lokalen Gemeinwesens muss dem Rechnung tragen. Trotz und gerade wegen der neuesten Migrationsbewegungen.

Text: Karl Tragust