Thema
Keine Angst vor Digitalisierung
Der Mensch bleibt den Maschinen in vielem überlegen
Josef Stricker,
geistlicher Assistent des KVW
geistlicher Assistent des KVW
Roboter, künstliche Intelligenz werden den Arbeitsmarkt tiefgreifend verändern. Viele fragen sich, wird der Mensch von der Wirtschaft in Zukunft noch gebraucht werden?
Eine diffuse Angst vor Arbeitslosigkeit geht um. Pessimisten meinen, es werde zu einem Kahlschlag am Arbeitsmarkt kommen. Optimisten geben sich da viel gelassener. Ein Blick in die jüngere Geschichte scheint ihnen Recht zu geben. Seit 1800 hat es vier Technikschübe gegeben. Begonnen hat die industrielle Entwicklung mit der Dampfkraft. Fünfzig Jahre danach wird diese von der Elektrizität abgelöst. Ein Jahrhundert später folgt die Elektronik und jetzt ist die digitale Vernetzung dran. Jeder Schub bewirkte einen Anstieg der Produktivität. Und jedes Mal wurde ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen vorausgesagt, der aber nicht eingetreten ist. Deswegen nicht, weil es zwar zu einer Verlagerung von Tätigkeiten gekommen ist, aber nicht zu Massenarbeitslosigkeit. Eine Entwicklung, die mitunter zu heftigen Reaktionen geführt hat. Anfang des 19. Jahrhunderts kam es in Schlesien zum Weberaufstand. Aufgebrachte Heimarbeiter stürmten Fabriken, die für die Fertigung mechanische Webstühle verwendeten. Die Weber sahen sich um Arbeit und Brot gebracht. Heinrich Heine hat den schlesischen Webern mit einem Gedicht ein literarisches Denkmal gesetzt.
Die Arbeitswelt wird sich ändern
Historisch betrachtet blieben nach jedem Techniksprung viele Jobs auch deswegen erhalten, weil Menschen den Wettlauf mit der Maschine gewannen. Dass es ausgerechnet dieses Mal zu einem Kahlschlag kommen könnte, ist noch längst nicht ausgemacht. Wie auch immer, die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft täten gut daran, sich rechtzeitig mit dieser Entwicklung auseinanderzusetzen und auf mögliche Folgen vorzubereiten. Maschinen übernehmen in steigendem Ausmaß Arbeiten, die bisher eher gering qualifizierte Menschen verrichteten. Belegschaften in den Fabriken dürften schrumpfen. Maschinen ersetzen einfache Dienstleistungen bei den Banken, in der Gastronomie, im Handel.
Digitalisierung hat Grenzen
Der Mensch dürfte den Maschinen in allem, was mit Empathie, mit Kreativität zu tun hat, überlegen bleiben. Es wird darum gehen, Menschen umzuschulen, neue Berufsbilder zu entwickeln und Fähigkeiten zu erlernen, die zu den anstehenden Herausforderungen passen. Gerade in alternden Gesellschaften mit zunehmender Betreuungsbedürftigkeit und Einsamkeit tun sich neue Chancen auf. Selbst in einer durchdigitalisierten Welt wird der Mensch weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen. Menschen werden vor allem dort gebraucht, wo es um menschliche Nähe geht: in Pflegeberufen, in der Medizin, im Gesundheitsbereich insgesamt, in der Bildung. Menschen können nicht ersetzt werden, wo es darum geht, Vertrauen aufzubauen und komplexe Sachverhalte zu erklären. Es wird zu einer teilweisen Verlagerung der Arbeit von der Produktion weg hin zum Umgang mit Menschen kommen.
Technische Lösungen politisch gestalten
Um den Wandel zu lenken, braucht es erstens den politischen Willen dazu, und zweitens Geld, viel Geld. Was die Ressourcen anbelangt, besteht unser gegenwärtiges Dilemma darin, dass die Gewinne im Bereich der Produktion von wenigen abschöpft werden. Diese Entwicklung könnte die Ungleichheit dramatisch verschärfen. Sie hat in den meisten Industrieländern ohnehin zugenommen. Als Antwort auf diese Spaltung der Gesellschaft wird man über neue Formen in der Einkommensverteilung nachdenken müssen. Ansonsten könnte der digitale Kapitalismus eine Schlagseite bekommen, die den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft unterspült.
Text: Josef Stricker