Kommentar

Gewalt gegen Frauen

Gewalterfahrungen gehören für viele Frauen immer noch zum Alltag
Guido Osthoff,
Leiter der Männerberatung der Caritas, Diözese Bozen-Brixen
Am 25. November ist der internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. In der kürzlich veröffentlichten Erhebung des Landesinstiuts für Statistik zeigte sich, dass Gewalt gegen Frauen keinen Rückgang aufweist und oft innerhalb der Familie auftritt. Täter ist fast immer der Partner oder Ex-Partner.
Leider ist festzustellen, dass Gewalttaten und insbesondere Gewalt gegen Frauen großteils von Männern ausgeübt werden. Gewalt gegen Frauen kann deshalb nur beseitigt werden, wenn immer mehr Männer an ihrem Verhalten arbeiten und lernen, auch in Konfliktsituationen keine Gewalt mehr anzuwenden. Dies ist einfach gesagt, aber schwer getan.
Lernen Konflikte gewaltfrei und konstruktiv zu lösen
Seit 2001 bietet die Caritas Männerberatung Männern zu all ihren Lebensfragen und -problemen Beratung von Mann zu Mann an. Über 5000 Männer sind seitdem bereits mit der Männerberatung in Kontakt getreten und haben sich von Mann zu Mann von psychotherapeutischen Experten beraten lassen. Von Anfang an wurde deutlich, dass sich viele Männer im Umgang mit ihren Gefühlen und in der Kommunikation über Beziehungsthemen schwer tun. Die Berater der Männerberatung machten darüber hinaus die Erfahrung, dass vor allem bei Beziehungskonflikten ein Teil der ratsuchenden Männer zu gewalttätigem Verhalten neigt und sich schwer damit tun, ihre Konflikte anders als mit destruktivem Verhalten zu bewältigen.
Aus diesem Grund beschloss das Team der Caritas Männerberatung, für Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, ein spezifisches Anti-Gewalt-Training zu entwickeln. Dieses Training wird seit mehr als fünf Jahren in enger Kooperation mit den Südtiroler Frauenhausdiensten und mit Unterstützung des Landesamtes für Kinder-, Jugendschutz und soziale Inklusion angeboten. Ziel des Trainings ist neben der Verhaltensänderung des Mannes der Schutz der betroffenen Frauen vor weiterer Gewalt. Deshalb auch die enge Zusammenarbeit mit den Kolleginnen der Frauenhäuser, welche den von der Gewalt betroffenen Frauen Beratung und Schutz anbieten.
Einsicht ist Voraussetzung für eine Verhaltensänderung
Im Vergleich zu den mehr als 600 Frauen, die jährlich Kontakt mit den Frauenhausdiensten aufnehmen, ist die Anzahl der Männer, die sich an die Caritas Männerberatung wenden, um am Anti-Gewalt-Training teilzunehmen, mit 20 bis 30 Männern jährlich sehr gering. Das ist sehr bedauernswert, vor allem weil sich eine nachhaltige Verhaltensänderung nur über eine intensive Arbeit am eigenen Verhalten erreichen lässt. Dazu braucht es aber in der Regel die Hilfe von Fachleuten; denn die Mehrzahl der betroffenen Männer hat sich dieses Verhalten von klein auf angeeignet und teilweise bereits von erwachsenen Bezugspersonen übernommen. Viele der Teilnehmer am Anti-Gewalt-Training haben dort erstmals eine Problemeinsicht gewonnen und ihr Verhalten als problematisch anerkannt. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Verhaltensänderung.
Italien hat gemeinsam mit vielen anderen europäischen Ländern 2011 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch Istanbulkonvention genannt, unterzeichnet. Dies sieht unter anderem vor, dass Täterprogramme wie das Anti-Gewalt-Training der Caritas Männerberatung umfassend gefördert werden, eben weil die Gewalt gegen Frauen nur dann nachhaltig beendet werden kann, wenn mit den Tätern so gearbeitet wird, dass sie ihr Verhalten ändern und keine Gewalt mehr anwenden. Der große Teil der gewalttätigen Männer ist aber nur dann bereit, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen, wenn sie dazu mit Nachdruck motiviert werden. Dies kann die deutliche Aufforderung etwas an seinem Verhalten zu ändern von Kollegen, Freunden und Familienangehörigen sein. Dies sollte aber vor allem von öffentlichen Institutionen, ob Sozialdienste, Ordnungskräfte oder Gerichte beherzigt werden, in dem sie den gewalttätigen Mann dazu verpflichten, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen.
Denn nur wenn immer mehr Männer lernen, auch im Konfliktfall ohne Gewalt auszukommen, wird die Anzahl der Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, nachhaltig abnehmen.
Text: Guido Osthoff

Kommentar

Anti-Gewalt-training

Das Anti-Gewalt-Training umfasst 28 zweistündige Gruppensitzungen. Sie finden einmal pro Woche abends in den Räumlichkeiten der Caritas Männerberatung in Bozen statt. Der Einstieg in das Gruppenprogramm kann jederzeit erfolgen; die Gruppengröße beschränkt sich auf maximal 15 Männer. Die Gruppe wird von zwei, speziell für das Training ausgebildeten Fachkräften geleitet. Die Teilnahme am Anti-Gewalt-Training ist kostenlos. Auch die Partnerinnen der gewaltbereiten Männer bekommen Unterstützung und Begleitung. Eine qualifizierte Beraterin des zuständigen Frauenschutzzentrums steht ihnen zur Seite.
Männerberatung in Bozen: Tel. 0471 324649.