Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Ingeburg Gurndin


Viele Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte haben es mit sich gebracht, dass die Welt „kleiner“ und grenzenlos erscheint. Distanzen werden immer schneller überwunden, Kommunikation von einem Erdteil zum anderen geht in Sekundenschnelle und dies alles ist für jede und jeden von uns möglich. Geldgeschäfte werden international durchgeführt, keine Regierung kennt das Ausmaß oder die Größenordnung der Kapitalflüsse.
Die Auswirkungen der Globalisierung sind überall spürbar, vor allem auch die negativen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht - auch international - auseinander, die Entwicklung des Klimas und die Umweltzerstörung wirken sich überall auf der Welt aus. Diese internationalen Zusammenhänge aufzeigen möchte die Titelgeschichte dieser Ausgabe des Kompasses.

Lorenz Gallmetzer, gebürtiger Südtiroler und langjähriger Journalist beim ORF, fordert in seinem Artikel ganz klar eine Reglementierung der Globalisierung und der technologischen Revolution. Ansonsten werde es soziale, politische und ökologische Auswirkungen geben, die in Konflikten und Katastrophen enden.
Multinationale Konzerne denken nur an die Maximierung ihres Profits. Ethisches Handeln, Verantwortung für die Menschen und die Umwelt lehnen sie ab. Ihnen Grenzen setzen und ihrem Wirtschaften Regeln geben wäre Aufgabe der Politik.

Thema

Weltweite Globalisierung

Text: Herbert Prugger
Grenzen sind offen für Waren, Menschen, Kapital, Wissen und Ideen
Globalisierung ist ein noch offener Prozess. Grenzen werden unsichtbar, durchlässig, Waren und
Kapital können ausgetauscht werden, Menschen können frei reisen, Wissen und Ideen zirkulieren,
Zusammenarbeit findet statt.
Die Globalisierung der Welt ist heute eine Tatsache. Ihre Kehrseite, also die Wirkung und Ergebnisse dieser heutigen Situation erleben wir in jedem Land. Besonders zu spüren ist sie natürlich in den sogenannten reichen Ländern und an den Grenzen zu ihnen. Es gibt nicht nur die „Wanderung“ der Waren sondern eben auch die „Wanderung“ der Menschen, eine Art „Durchwanderung“ bisheriger Monokulturen und „Monovölker“. Was sich in der Pflanzen- und Tierwelt abspielt, scheint sich auch in der Menschenwelt abzuspielen. Und bisher wirksame Gegenmittel scheinen nicht mehr richtig zu wirken, so dass die Rufe nach stärkeren und damit giftigeren Wirkstoffen immer lauter werden, auch wenn man um mögliche Folgen Bescheid wissen müsste.
Veränderung beim Einzelnen
Auf den ersten Blick scheint der einzelne oder eine Gruppe von Menschen wie der KVW ohnmächtig, also ohne Macht, da etwas zu ändern. Und der Einzelne wie auch der KVW haben nicht die Macht da konkret und schnell etwas zu ändern. Ändern kann sich nur der Einzelne, können wir uns nur selber. Wir können hoffen, dass es uns Viele nachmachen und dadurch sich auch insgesamt positive, d. h. lebenswürdigere Veränderungen ergeben.
Aber wie geht so etwas? Das Jahresthema des KVW der vergangenen beiden Jahre „kritisch, konstruktiv gestalten“ war eine „Brille“ und ein Hilfsmittel bewusster hinzuschauen, inne zuhalten und nachzudenken und andere Haltungen und Handlungen zu suchen und auszuprobieren. Hintergrund ist der Leitsatz der Katholischen Soziallehre, das „Sehen - Urteilen (= prüfen) - Handeln“. Der Leitsatz lädt ein, konkret und genau hinzuschauen. Es gibt schon einige Initiativen und Versuche, anders zu leben und zu handeln. Beispiele sind: Eine-Welt-Läden und -Gruppen, die OEW, das Haus der Solidarität, Bauernmarkt, alternative, biologische Landwirtschaft mit lokalem Vertrieb, die vielen und vielfältigen Hilfsprojekte. Jeder kann gerade beim Einkaufen entscheiden, was er oder sie konkret unterstützt und fördert. Hier hat der Einzelne als Konsument eine Macht, die er nutzen kann und soll. Mit vielen kleinen Veränderungen kann sich ein größeres Umdenken ergeben.
Im Kleinen etwas ändern
Dieses Thema hat auch der bekannte Schweizer Soziologe und Globalisierungskritiker Jean Ziegler aufgegriffen und er ist da recht positiv: er hofft auf eine neue, weltumspannende Zivilgesellschaft. Viele Initiativen gibt es bereits, die ein Stück die Welt verändern und einen Beitrag zu einer sozialen Ordnung leisten. Vor allem setzt er große Hoffnung in die Möglichkeiten, die Demokratien in der westlichen Welt bieten.
Vom seligen Josef Mayr-Nusser kann man lernen, dass es wichtig ist, sich gut zu informieren und sich mit den verschiedenen Strömungen und Ideologien der Zeit auseinanderzusetzen. Es ist aber auch wichtig, bei der Hilfe für die Schwachen und Armen keine Unterschiede zu machen bezüglich Nationalität, Sprache, sozialem Stand, ... Der Mensch soll gesehen werden, der konkrete Mensch, der Hilfe braucht. Ganz wie Papst Franziskus uns Christinnen und Christen wiederholt motiviert und auffordert.
„Die Welt wird nicht von Ideen verändert, sondern von Ereignissen“ hat die jüdische Philosophin und Politikwissenschaftlerin Hannah Arendt gesagt. Wir erleben das heute negativ an den islamistischen Terroranschlägen.
Als Christen und Kirche haben wir aber viele Beispiele, die genau das Gegenteil zeigen: Die Welt kann zum Positiven und zu einem menschenwürdigeren Leben verändert werden, anfangs oft durch ein paar mutige Menschen mit Ausstrahlungskraft.