Kommentar

Der Mensch ist Auftrag

Text: Karl H. Brunner
Der KVW wird von vielen in Südtirol wesentlich mit unseren Dienstleistungen in Verbindung gebracht. Obwohl wir hier gute Arbeit für unsere Mitglieder und darüber hinaus leisten und auch leisten müssen, ist das eindeutig zu kurz gedacht: Viel mehr Zeit und Einsatz zeigen wir „KVWler“ in unseren Ortsgruppen, in unseren Gebieten, Bezirken und auch in den Landesgremien. Dort, wo wir mit unseren Mitgliedern zusammen aktiv werden, da wird für mich der KVW so richtig greifbar.
Der KVW bietet die Chance, sich miteinander auf den Weg zu machen und dabei die anderen nicht zu vergessen: Es geht uns um Begegnungen, um die Freude am Miteinander, darum, uns fortzubilden und uns für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen. Wir sollen hinschauen, wenn wir Not sehen und anpacken, wenn es gilt, sie zu lindern. Der Mensch, der uns begegnet, ist für uns keine Nummer, kein anonymes Etwas, er oder sie ist unser Auftrag! Ich wünsche uns allen viel Freude bei diesem sicher herausfordernden Abenteuer.



Kommentar

Niedrige Zahlen, große Diskussionen

Text: Josef Stricker
Flüchtlinge in Südtirol
Josef Stricker,
geistlicher Assistent 
des KVW


Aktuell muss Südtirol 1650 vom Staat zugewiesene Menschen auf der Flucht aufnehmen. Bis Jahresende könnte die Zahl auf 2000 und mehr ansteigen. Die Landesregierung hat – richtigerweise – beschlossen, Asylsuchende auf das ganze Land zu verteilen. Trotz Widerstände am Anfang hat die Verteilung bis dato im Großen und Ganzen geklappt. Rechte Gruppierungen machten und machen weiterhin Stimmung gegen die geplanten Aufnahmen, weil sie wissen, dass die Menschen Angst haben. Trotzdem kann die Bilanz bis jetzt mit dem Prädikat positiv versehen werden. Ausnahmen bilden ein paar Gemeinden, die noch dazu Tourismushochburgen sind. An Stelle einer Willkommenskultur scheint die Gemeindeverwalter dort dumpfe Gleichgültigkeit erfasst zu haben. Der Fremdenverkehr könnte Schaden nehmen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Offen gesagt, ein Zeichen von moralischem Verfall.
Flüchtlinge suchen heute, was Millionen Europäer nach dem Zweiten Weltkrieg suchten: Sicherheit und eine Zukunft für sich selbst. Ein Blick in die jüngere Südtiroler Geschichte könnte hilfreich sein. Historiker haben nachgeforscht. Nach dem Zusammenbruch im Mai 1945 bis weit ins das Jahr 1946 überrannten zigtausend italienische Zivilisten, illegal zurückkehrende Optanten, Vertriebene aus Osteuropa und jede Menge andere unser Land. Es soll Spitzen bis zu neunzigtausend Flüchtende gegeben haben. Mit Hilfe der Alliierten und des Internationalen Roten Kreuzes war es damals möglich, die Not der Menschen einigermaßen zu bewältigen. Es wurden Flüchtlingslager und Unterkünfte im ganzen Land eingerichtet, die erst im Laufe des Jahres 1946 langsam abgebaut werden konnten.
Was damals in Zeiten allgemeiner Not möglich war, soll heute inmitten von Wohlstand nicht mehr möglich sein, nämlich Menschen auf der Flucht eine Chance zu geben?