Gesundheit & Umwelt
Essstörungen sind heilbar ...
... wenn sich die Rahmenbedingungenändern.
Raffaela Vanzetta
Essstörungen sind eine Realität unserer Gesellschaft geworden. Immer jüngere Frauen (und auch einige Männer) erkranken daran und sehr viele schweben an der Schwelle zwischen Erkrankung und Normalität.
„Heute darf ich die Nachspeise essen, denn ich war schon eine Stunde joggen“. Das ist ein Satz, der eigentlich Alarmglöckchen läuten lassen sollte, der aber in unserer Gesellschaft als völlig normal angenommen wird.
„WOW,du hast ja abgenommen! Du schaust blendend aus“, ist eine Aussage, die nahezu jede Frau als Kompliment empfindet und von vielen auch als Kompliment benutzt wird. Wollen wir einer Frau eine Freude machen, schenken wir ihr den Eindruck, sie sehe dünner aus. Funktioniert immer.
Dazu kommt, dass wir in einer Zeit der Machbarkeitsillusion leben. Alles ist machbar, es liegt nur an uns, es auch zu tun. Wir können gesund bleiben, wenn wir uns richtig ernähren und bewegen und auf gefährliche Laster verzichten.
Wir können erfolgreich sein, wenn wir das Richtige lernen.
Wir können unseren Körper formen, wenn wir nur genügend Willenskraft dafür einsetzen.
Junge Mädchen und Burschen, die das Leben noch vor sich haben, stehen stark unter dem Druck der Machbarkeit und der eigene Körper drückt diesbezüglich auch einiges aus.
Eine schlanke Frau ist eine Frau, die sich unter Kontrolle hat, die diszipliniert ihr Leben meistert, auf Essen (und auf Genuss) verzichten kann, sich eine sportliche Betätigung im Alltag einteilen kann.
Eine dicke Frau verkörpert das Gegenteil: keine Willenskraft, kein Durchhaltevermögen, Faulheit, Trägheit, den Versuchungen nicht widerstehen können. Und wer will das schon verkörpern? Eigentlich wären die Fähigkeit zu genießen und die Fähigkeit, faulenzen zu können, gar nicht so abwegig, aber in unserer Gesellschaft sind es Fähigkeiten, die keinen Wert haben.
Essstörungen sind heilbar. In Südtirol gibt es kompetente Teams in jedem Bezirk, die viel Erfahrung in der Behandlung von Essstörungen gesammelt haben. Wenn wir aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ändern, bleibt es eine Sisyphusarbeit ohne Ende. An dieser Veränderung können wir uns alle beteiligen. Wie?
Zum Beispiel, in dem wir Frauenkörper nicht werten, Mädchen wegen ihren Kompetenzen und nicht wegen ihrem Aussehen loben und selber glauben, dass unser Wert sich nicht wiegen lässt.
Text: Raffaela Vanzetta
Wann beginnt ein Essverhalten gestört zu sein?
Diese Frage zu beantworten, ist heutzutage nicht mehr leicht.„Heute darf ich die Nachspeise essen, denn ich war schon eine Stunde joggen“. Das ist ein Satz, der eigentlich Alarmglöckchen läuten lassen sollte, der aber in unserer Gesellschaft als völlig normal angenommen wird.
„WOW,du hast ja abgenommen! Du schaust blendend aus“, ist eine Aussage, die nahezu jede Frau als Kompliment empfindet und von vielen auch als Kompliment benutzt wird. Wollen wir einer Frau eine Freude machen, schenken wir ihr den Eindruck, sie sehe dünner aus. Funktioniert immer.
Dazu kommt, dass wir in einer Zeit der Machbarkeitsillusion leben. Alles ist machbar, es liegt nur an uns, es auch zu tun. Wir können gesund bleiben, wenn wir uns richtig ernähren und bewegen und auf gefährliche Laster verzichten.
Wir können erfolgreich sein, wenn wir das Richtige lernen.
Wir können unseren Körper formen, wenn wir nur genügend Willenskraft dafür einsetzen.
Junge Mädchen und Burschen, die das Leben noch vor sich haben, stehen stark unter dem Druck der Machbarkeit und der eigene Körper drückt diesbezüglich auch einiges aus.
Eine schlanke Frau ist eine Frau, die sich unter Kontrolle hat, die diszipliniert ihr Leben meistert, auf Essen (und auf Genuss) verzichten kann, sich eine sportliche Betätigung im Alltag einteilen kann.
Eine dicke Frau verkörpert das Gegenteil: keine Willenskraft, kein Durchhaltevermögen, Faulheit, Trägheit, den Versuchungen nicht widerstehen können. Und wer will das schon verkörpern? Eigentlich wären die Fähigkeit zu genießen und die Fähigkeit, faulenzen zu können, gar nicht so abwegig, aber in unserer Gesellschaft sind es Fähigkeiten, die keinen Wert haben.
Unser Wert lässt sich nicht wiegen
„Wertvoll ist leisten, um jeden Preis.” Unter dieser Prämisse lassen sich auch Essstörungen besser verstehen. Dünn sein, ist die Verkörperung einer unheimlichen Leistung. Viele möchten es, wenige schaffen es. Wenn ich es schaffe, bin ich etwas Besonderes. Und irgendwann rutscht einem dasDünn-Sein-Wollen aus der Hand, es ist nie genug. Die Kontrolle und der Kontrollverlust bestimmen den Alltag, die Waage bestimmt das Wohlbefinden, der Körper wehrt sich gegen die Rigidität des Geistes, der Geist wehrt sich gegen die Bedürfnisse des Körpers und der innere Kampf frisst betroffeneMenschen auf, verbraucht ihre Energie, raubt ihnen die Lebensfreude.Essstörungen sind heilbar. In Südtirol gibt es kompetente Teams in jedem Bezirk, die viel Erfahrung in der Behandlung von Essstörungen gesammelt haben. Wenn wir aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ändern, bleibt es eine Sisyphusarbeit ohne Ende. An dieser Veränderung können wir uns alle beteiligen. Wie?
Zum Beispiel, in dem wir Frauenkörper nicht werten, Mädchen wegen ihren Kompetenzen und nicht wegen ihrem Aussehen loben und selber glauben, dass unser Wert sich nicht wiegen lässt.
Zur Person
Raffaela Vanzetta ist Pädagogin und Psychotherapeutin. Seit 5 Jahren leitet sie die Fachstelle für Essstörungen INFES mit besonderen Augenmerk auf die gesellschaftlichen Phänomene die diese Störungen beeinflussen.Text: Raffaela Vanzetta