Editorial

Liebe Leserinnen, lieber Leser!

„Der Friede beginnt bei dir“ – es sind einfache Worte, doch sie tragen eine große Wahrheit in sich. In einer Welt, die oft von Spaltung, Lärm und Unruhe geprägt ist, sind Stimmen, die den Frieden hochhalten, wichtiger denn je.
Er erinnerte uns daran, dass echter Friede nicht allein in Verhandlungen zwischen Staaten entsteht, sondern in den Herzen der Menschen. Frieden bedeutet: einander zuhören, Unterschiede aushalten, für Gerechtigkeit eintreten – besonders für die, die keine starke Lobby haben.
Auch der neue Papst Leo XIV., der erste aus den USA, hat für seinen ersten Auftritt die Worte „Der Friede sei mit euch allen“ gewählt und damit die große Menge von jubelnden Menschen am Petersplatz begrüßt.
In dieser Ausgabe wollen wir den Blick weiten: auf große Friedensworte, aber auch auf kleine Friedensgesten. Denn Frieden beginnt nicht in Rom oder in Brüssel – sondern in unseren Familien, Nachbarschaften, Vereinen. Er beginnt mit Respekt, mit Zuhören, mit dem Mut, Brücken zu bauen. Eine Brückenbauerin ist auch unsere Rosa Stecher Weissenegger, der wir in dieser Ausgabe ein Porträt widmen.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns über Ihr Interesse, Ihre Rückmeldungen und Ihre Ideen. Denn unsere Gesellschaft wird menschlicher, wenn wir sie gemeinsam gestalten.
Mit herzlichen Grüßen
Werner Steiner, Vorsitzender und Werner Atz, Geschäftsführer

Thema

Tango Argentino

Papst Franziskus – ein Argentinier, der aus dem Rahmen tanzte
FOTO: unsplash/ Agatha Depine
… und das machen auch wir mit dieser Nummer des Kompass. Wir widmen dem verstorbenen Papst viel Platz und das ist für diese Zeitschrift durchaus ungewöhnlich. Der Grund ist schnell benannt: Papst Franziskus hat die soziale Seite des kirchlichen Handelns mit Nachdruck in den Fokus gerückt, sich politisch eingemischt, pointiert an die Seite der Benachteiligten gestellt und selbst durch seinen Lebensstil und den Einsatz für Migrant:innen und Obdachlose glaubhaft Akzente gesetzt. Durch sein Beispiel hat er den KVW in seinem Engagement inspiriert. Dies gilt es zu würdigen und vor allem, diesem Beispiel zu folgen.
Mit Papst Franziskus ist ein ungewöhnlicher Pontifex gestorben. Hier einige Blitzlichter auf ein außerordentliches Pontifikat:
Er war ein Papst, bei dem die Menschen Anteil an seiner Krankheit genommen haben, indem sie im Abendlicht den Tango Argentino vor dem Krankenhaus getanzt haben.
Franziskus war ein Mann der klaren Worte, wenn es darum ging, Missstände anzusprechen: „Diese Wirtschaft tötet!“; „Wir haben die ‚Wegwerfkultur’ eingeführt, die sogar gefördert wird. (…) Die Ausgeschlossenen sind nicht ‚Ausgebeutete‘, sondern Müll, ‚Abfall‘.“; „Die Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen zeigt sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen.“; „Aber mitunter denke ich auch an den Zorn Gottes, der sich gegen die Führer der Länder richtet, die über Frieden reden und Waffen verkaufen, um diese Kriege zu führen. Diese Heuchelei ist eine Sünde.“
Sein ökologischer Einsatz ist kaum zu überschätzen. Er prangerte die Wegwerfkultur an, benannte klar den unauflöslichen Zusammenhang von Umweltschutz und der Bekämpfung von Armut und forderte den politischen Einsatz für eine menschenwürdige Wirtschaft.
Er war ein unermüdlicher und manchmal einsamer Rufer und Mahner für den Frieden.
Er hat die klaren Regeln des päpstlichen Zeremoniells geweitet und nicht nur durch seine Wohnung und die vieldiskutierten Schuhe der Einfachheit Ausdruck verliehen. Sein Umgang mit der Kurie – also seinen Mitarbeiter:innen – war von weniger Feingefühl gekennzeichnet, was wohl auch ein Grund dafür gewesen sein dürfte, dass seine innerkirchlichen Reformbemühungen nicht den gewünschten Erfolg gezeigt haben.
Er weckte viele Hoffnungen und enttäuschte gar einige, weil die Erwartungen an die als nötig empfundenen innerkirchlichen Änderungen z.B. in Bezug auf die Rolle der Frauen nicht erfüllt wurden. Gleichzeitig setzte er mit der Ernennung von Frauen in zentrale Führungsrollen deutliche Zeichen und schuf mit der Methode der Synodalität wichtige Instrumentarien, die eine Weiterentwicklung ermöglichen.
Seine Beerdigung war schlicht und die letzten Meter wurde sein Sarg von Obdachlosen, Gefangenen und Transgenderpersonen begleitet.
Diese Blitzlichter ergänzen wir mit Stimmen von Südtiroler:innen, die teilweise einen sehr engen und teilweise einen distanzierten Bezug zur Katholischen Kirche haben, um – von Papst Franziskus inspiriert – auch hier etwas „aus dem Rahmen“ zu tanzen.
Daniela Höller
Kinder- und Jugendanwältin Südtirols
„Ich schätzte an Papst Franziskus seine Nähe zu bedürftigen und vulnerablen Menschen und dass er es durch seine barmherzige und glaubwürdige Art geschafft hat, auch wieder Kinder und Jugendliche für die Kirche zu begeistern. Er hat einiges angestoßen, auch wenn mit Blick auf die Rolle der Frau, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und das Zölibat noch Reformbedarf besteht.“
Andrej Werth
Redakteur der Wochenzeitschrift ff
Der geopolitische Einfluss von Papst Franziskus reicht über seinen Tod hinaus: er musste sterben, damit sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der US-amerikanische Präsidenten Donald Trump in Rom trafen – und miteinander sprachen. Darauf hatte niemand mehr gehofft. Aber Hoffnung ist das Kerngeschäft der Kirche.
Jinat Zabir
gebürtig aus Bangladesch, wohnhaft in Vintl
Papst Franziskus war eine sehr gute Person. Er hat sich für den Frieden in der ganzen Welt eingesetzt.
Irene Vieider
Diözesanvorsitzende des Katholischen Frauenbewegung.
Papst Franziskus hat durch seine bildhafte, gut verständliche, hunvorvolle Sprache und seinen einfachen Lebensstil unsere Herzen erreicht. Mit seinen Anliegen - Gerechtigkeit, Friede, Würde für alle Menschen und Bewahrung der Schöpfung - leistete er einen zukunftsweisenden Beitrag zum weltweiten Miteinander und stärkte auch die kfb in ihrem Engagement und ihrem Einsatz für eine synodale Kirche.
Brigitte Foppa
Landtagabgeordnete und Fraktionssprecherin der Grünen Fraktion
Das „Buona sera“ von Francesco hat auch mich als Nicht-Gläubige von Anfang an und bis zuletzt in seinen Bann gezogen – die Revolution des Einfachen ist für mich seine wichtigste Botschaft. Es geht immer um die Haltung.
Franz Tutzer
Vorsitzender des Katholischen Forums
Papst Franziskus, aus unserer Perspektive vom Rand der Welt kommend, verkörperte eine Kirche ohne Macht eine Kirche als „Feldlazarett“. Seine Stimme lieh er den Armen, Ausgegrenzten und Verwundeten dieser Welt und nicht minder der geschundenen Natur. Die Kraft seines Wortes und seiner Gesten hatten ihr Fundament im Evangelium, ebenso die Freiheit, nicht im Chor der Mächtigen mitzusingen. Seine Aufrufe zu Geschwisterlichkeit, Gastfreundschaft, Barmherzigkeit bleiben entscheidende Markierungen auf dem von ihm angestoßenen Weg einer synodalen Kirche.
Markus Moling
Professor für Philosophie an der Philosophisch Theologischen Hochschule in Brixen
Papst Franziskus hat für mich die Barmherzigkeit Gottes, die Sorge um die Schöpfung und die Liebe zu den Menschen in einfacher und deutlicher Sprache, in prägnanten Zeichen und eindrucksvollen Taten zum Ausdruck gebracht.
TEXT: Karl Brunner, Geistlicher Assistent im KVW