Kommentar

Inflation: Warum steigen die Preise?

Text: Alex Weissensteiner
Waren und Dienstleistungen werden immer teurer
Alex Weissensteiner, Prorektor und Profesfür quantitative ­Finanzwirtschaft
Die hoch bleibende Inflation birgt Gefahr sozialer Konflikte. Alex Weissensteiner, Prorektor und Professor für quantitative Finanzwirtschaft an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Bozen, erklärt was Inflation bedeutet und was zu hohe und zu niedrige Inflation für Folgen haben.
Inflation misst die relative Preisänderung eines Waren- und Dienstleitungskorbes der letzten 12 Monate. Die Inflation von Juni 2022 gibt zum Beispiel an, wie sich die Preise durchschnittlich seit dem selben Monat des Vorjahres (Juni 2021) verändert haben. Da jede Person andere Konsumgewohnheiten hat, treffen Preisanstiege einzelner Güter nicht alle Konsumenten gleich stark. Der Waren- und Dienstleistungskorb der Inflationsmessung zielt auf die durchschnittlichen Konsumgewohnheiten aller Konsumenten ab und wird regelmäßig angepasst. So werden derzeit z.B. 30% für Wohnen, Wasser, Gas, Strom, 13% für Mobilität, 12% für Freizeit, 10% für Nahrungsmittel etc. ausgegeben. Durch diese unterschiedliche Gewichtung wirken sich auch Preisveränderungen einzelner Güter und Dienstleistungen unterschiedlich auf die Inflation aus. Die derzeit hohe Inflation ergibt sich vor allem durch Preisanstiege für Energie und Nahrungsmittel, welche einen wesentlichen Teil dieses Warenkorbes ausmachen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt ein Inflationsziel von 2% an. Warum ist eine zu niedrige Inflation (oder gar ein durchschnittlicher Preisrückgang - „Deflation“ genannt) als auch eine zu hohe Inflation schädlich?
Bei einer zu geringen Inflation (wie in den Jahren 2014-2016) besteht die Gefahr, dass Unternehmer Investitionsentscheidungen und Privatpersonen Konsumentscheidungen in der Hoffnung aufschieben, dass Preise weiterhin fallen. Ein Rückgang dieser Nachfrage kann eine Negativ-Spirale auslösen: die Wirtschaftsleistung fällt aufgrund der geringen Nachfrage, Arbeitsplätze gehen verloren, und Preise sinken schlussendlich. Um ein solches Szenario abzuwenden, haben Zentralbanken weltweit die Leitzinsen im letzten Jahrzehnt gesenkt. Bei einem niedrigen Leitzins können sich die Banken günstig mit Geld versorgen, und diese günstigen Konditionen dann an Unternehmen und Privatpersonen weitergeben.
Bei einer hohen Inflation nimmt die Kaufkraft für Konsum und Investitionen ab, d.h. es können weniger Güter- und Dienstleistungen erworben werden. Eine Unsicherheit bzgl. der zukünftigen Preisentwicklung wirkt sich negativ auf Vertragsgestaltungen aus. Verbindliche zukünftige Preiszusagen sind dann evtl. nicht mehr möglich, und Preise steigen unmittelbar an. Eine hohe Inflation erhöht die soziale Ungleichheit, weil ärmere Personen einen höheren Anteil ihres Einkommens für Konsumausgaben benötigen.
Weil bekannt ist, dass Energie- und Nahrungsmittelpreise stark schwanken, wird neben der Kennzahl „Inflation“ (im Juni 2022 für Italien 8%) auch die sogenannte „Kerninflation“ (im Juni 2022 für Italien 3.8%) berechnet. Diese klammert die Preise von Energie und Nahrungsmittel bewusst aus. Da diese Kerninflation im Gegensatz zur Inflation über Monate gering war (z.B. im April 2022 in Italien 2.4%), wurde der Preisdruck von vielen Marktbeobachtern, u.a. auch der EZB, als temporär eingestuft. Tatsächlich sind die Preise für diverse Rohstoffe in den letzten Wochen auch gefallen (z.B. Rohöl und Getreide - speziell durch das Abkommen einer Ausfuhr aus der Ukraine). Für Erdgas bleiben die Preise allerdings aufgrund des Krieges weiterhin hoch.
Die Aufgabe der EZB in diesem Kontext ist keine einfache, weil die Preisanstiege eben nicht durch zu hohe Konsum- und Investitionsausgaben (d.h. nachfrageseitig) getrieben werden. Ein zu rasches Anheben der Leitzinsen könnte auf der einen Seite die schwache Wirtschaftsleistung weiter bremsen (bis hin zu einer Rezession mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen) und auf der anderen Seite einzelne Staaten des Euroraumes wieder unter Druck bringen. Es besteht kein Zweifel - die EZB muss handeln, allerdings mit Bedacht und unter Berücksichtigung dieser weiteren Aspekte. Unabhängig davon sind gezielte Maßnahmen der Staaten für bedürftige Personen notwendig und angebracht.

Soziales

Öffentlich oder privat? Besser zusammen!

Text: Alexandra Reichegger
Co-Programmierung und Co-Projektierung im Focus
Die Reform des Dritten Sektors wird auch in Südtirol diskutiert und die neuen Regelungen stellen Vereine und Non Profit Organisationen vor große Herausforderungen. Zum Thema Co-Programmierung und Co-Projektierung haben wir mit Alexandra Reichegger, Direktorin der Sozialgenossenschaft EOS, diskutiert.
Co-Programmierung und Co-Projektierung sind derzeit in aller Munde. Sie sind Direktorin einer der größten Sozialgenossenschaften in Südtirol und haben bereits Erfahrungen hinsichtlich öffentlichen Ausschreibungen. Was halten Sie davon?
Reichegger: Ich finde es sehr positiv, dass nun auch in Südtirol die Thematik der Co-Projektierung erstmals bei verschiedenen Anlässen diskutiert wird.
Eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten Anbietern im sozialen Bereich ist absolut zielführend und notwendig, um die vermehrten Problemsituationen aufzufangen (inhaltlicher und personeller Natur). Durch dieses Verfahren könnten private Anbieter im Dritten Sektor bereits im Vorfeld einer zukünftigen „Vergabe“ miteinbezogen werden. Dadurch gibt es die Möglichkeit, präventiver und punktueller diverse Schwerpunkte aufzugreifen und gemeinsam entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Allerdings bin ich der Meinung, dass das Augenmerk neben dieser „neuen“ Vergabemöglichkeit (sie ist ja nicht neu) auch auf neue Formen der Finanzierung gelegt werden sollte.
Die läufige Praxis in vielen Bereichen des Dritten Sektors sind meist noch Ausschreibungen, welche oft nur für die Dauer eines Jahres vergeben werden. Dies stellt für die Anbieter im sozialen Bereich ein relativ großes Risiko dar, da die Genossenschaften gezwungen sind von Jahr zu Jahr zu planen- Dies ist in der alltäglichen Praxis wieder schwierig, da der Löwenanteil der beschäftigten Mitarbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt ist.
Die Planungssicherheit und Anpassung der aktuellen Tarife sind sicher zwei wichtige Punkte, welche in den nächsten Jahren an Wichtigkeit zunehmen werden und müssen.
Könnte man mit dem Kooperationsmodell der Co-Programmierung und Co-Projektierung die Thematik der Planungssicherheit und Tarifanpassung nicht lösen um sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen?
Reichegger: Ich muss vorausschicken, dass ich im Vergabeverfahren der Co-Programmierung und Co-Projektierung keine Expertin bin, dennoch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass mehrjährige Kooperationen dadurch einfacher und zielgerichteter gestaltet werden könnten.
Was hingegen eine allgemeine Tarifanpassung betrifft, denke ich, dass diese Thematik über das Vergabeverfahren hinaus thematisiert werden müsste, da es meiner Meinung nach fast jede gemeinnützige Einrichtungen in irgendeiner Form betrifft. Der aktuelle Fachkräftemangel, unter dem fast jedes Unternehmen leidet, ist neben anderen Faktoren, auch eine Konsequenz der zu niedrigen Tarife. Viele Fachkräfte wenden sich anderen Bereichen zu, da sie dort eine höhere Entlohnung erhalten. Diese fehlen dann im sozialen Bereich.
Wie sehen sie die Zusammenarbeit der Öffentlichen Hand mit den gemeinnützigen Organisationen, bzw. wie sehen Sie die Chancen einer erfolgreichen Zusammenarbeit im Bereich der Co-Programmierung bzw. Co-Projektierung?
Reichegger: In den letzten Jahren wurde die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten Akteuren noch vertieft und intensiviert. Es gibt eine ganze Reihe an „Tischen“ wie beispielsweise CRAIS, „Sozialforschung“, Arbeitstisch Finanzierung, Denkwerkstatt, etc. wo private Akteure des Dritten Sektors immer wieder die Möglichkeit erhalten ihre Belange und Anliegen vorzubringen und oft auch Gehör finden. Ich würde sagen, dass die Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfindet. Die öffentliche Hand erhält regelmäßig Informationen über aktuelle Bedürfnisse und Notstände und ist auch bemüht Lösungen zu suchen. Nichtsdestotrotz finde ich es sehr wichtig an diesen Themen „dran“ zu bleiben.
Alexandra Reichegger, Direktorin der Sozialgenossenschaft EOS