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Mannsbild

Leben mit der Krankheit – Leben nach der Krankheit – Ein Schicksal

Foto: Othmar SeehauserFoto: Othmar Seehauser

Ein Mann wie ein Baum. Groß, stark. Mit beiden Beinen mitten im Leben. Ein interessanter, prestigeträchtiger, physisch und psychisch anspruchsvoller Beruf. Eine erfolgreiche Karriere, eine Position mit Verantwortung. Familie, Freunde, das ganz normale Leben. Und dann… dann war plötzlich alles ganz anders. Diagnose Krebs.
Aber mehr noch. Ein Krebs, der in das tägliche Leben, in das Berufsleben, in die Intimsphäre einschneidet wie kein anderer. Prostatakrebs. Im ersten Augenblick, erinnert sich Siegfried, wenn die Diagnose kommt, wenn das bange Warten auf Antwort kein glückliches Ende nimmt, wenn die Ängste sich tatsächlich bewahrheiten, „dann fällst Du erstmal ins Bodenlose.“ Dann geht es zunächst um´s Überleben. Behandlungen, Operation, Entscheidung über Therapie. Bestrahlungen – 39 hat Siegfried über sich ergehen lassen. Hormontherapie. Ein Strudel, der zunächst so in Anspruch nimmt, dass wenig Zeit bleibt, um sich bewusst zu werden.
Wenn der erste Schock überwunden ist, die Operation, das Aufeinanderfolgen der Arztvisiten und Gespräche, dann geht es los. „Als Mann hast Du ein bestimmtes Bild von Dir“, sagt Siegfried, „am Anfang erscheint das als das kleinste Problem.“ Aber dann kommt es ganz dick! Blaseninkontinenz, ein Wort, das viele Probleme mit sich bringt, die man(n) sich vorher gar nicht vorstellen kann. Eine geringe Autonomie, was das Wasserlassen betrifft. Keine schweren Gewichte mehr heben, Probleme beim Sport. Dinge, die für Frauen bedingt durch den Zyklus, durch Schwangerschaften bekannt und daher leichter zu akzeptieren sind, können einen Mann an den Rand einer Existenzkrise bringen. Siegfried musste sich beruflich umorientieren. Kein leichtes Unterfangen für einen Mann Mitte fünfzig. Und auch, wenn es in seinem Fall ohne große Probleme zu organisieren war, ist es doch ein Einschnitt. Das Selbstwertgefühl leidet. Mann, wie das leidet!!
Auswirkungen auf das Sexualleben. Eine Sphäre, die das Mannsein bestimmt, über die man(n) meist nicht redet, es sei denn in Form von oberflächlichen, grenzwertigen Scherzen in einer lustigen Männerrunde. Schon gar nicht, wenn es Probleme damit gibt. An wen wendet man(n) sich? An Kollegen? Aber wenn die sich darüber lustig macht? Wenn sie es weitererzählen? An einen Arzt? An einen Psychologen? An die eigene Frau? Vielen Männern fällt gerade das schwer. Sie ziehen sich zurück. Krise.

Siegfried nicht. Er kennt keine falsche Scham. Er hat sich nicht gescheut, auch mit Freunden über seine Situation zu reden, moralischen Beistand zu suchen. Und er hat eine verständnisvolle Partnerin, mit der er alles teilen kann und die ihm die wichtigste Stütze ist. „Wenn ich sie nicht gehabt hätte, nicht hätte …“ Er stockt, mag gar nicht weiterdenken.
Aber auch das hat nicht immer gereicht. „Du spielst den harten Mann, oder glaubst einer zu sein und dann merkst Du, dass Du aus dem schwarzen Loch nicht herauskommst.“ Siegfried hat erkannt und akzeptiert, dass er auch professionelle Hilfe brauchte, psychologische Hilfe. Vielleicht auch, weil er durch seine berufliche Tätigkeit mit Coaching zu tun hatte. Vielleicht, weil er erkannt hat, dass man sein „Mannsbild“ ändern muss, wenn man der Krankheit trotzen will. Siegfried hat sich auch sofort bei der Selbsthilfe-Gruppe „der baum“ angemeldet. Den Erfahrungsaustausch mit Männern, die das gleiche Schicksal teilen, empfindet er als wohltuend und befreiend.
Heute ist noch nicht alles ausgestanden. Die Hormontherapie wird er noch ein knappes Jahr weiterführen müssen. Er hat mit der damit zusammenhängenden Gewichtszunahme zu kämpfen. Bei der Operation wurden ihm die Lymphknoten entfernt, die Konsequenz ist ein Lymphödem am Bein. Ähnliche Probleme, die Brustkrebspatientinnen haben. Männer kehren das gerne unter den Teppich. Stützstrumpf oder Lymphdrainage das klingt irgendwie nicht nach starkem Mann.
Siegfried hat diese Mentalität hinter sich gelassen. Er hat gelernt, zu seiner Situation zu stehen. Aber mehr noch. Er hat gelernt, die kleinen alltäglichen Selbstverständlichkeiten des Lebens zu schätzen und auszukosten. Er hat gelernt, die Höhen und Tiefen, die sich immer noch abwechseln, anzunehmen und zu bewältigen.
„Es hat sich etwas Grundlegendes in meinem Kopf geändert“, sagt Siegfried. „Ich ärgere mich nicht mehr dumm und dämlich über Banalitäten. Ich mache, was mir Spaß macht, gestalte meine Freizeit bewusster.“ Es sind nicht die großen Träume, die er jetzt verwirklichen möchte, sondern vielmehr die kleinen täglichen Glücksmomente, die er leben und genießen möchte. Zusammen mit seiner Partnerin. Der Stempel ist im Kopf, das Wort Krebs lässt sich nicht auslöschen. Aber jetzt ist Leben angesagt.

Aktuell

Modernste Therapien in Bozen

Neuer Linearbeschleuniger für Strahlentherapie in der Bonvicini-Klinik

Der Dienst für onkologische Strahlentherapie des Gesundheitsbezirkes Bozen, mit Sitz in der Bonvicini Klinik, verfügt seit Oktober über einen neuen hochmodernen Linearbeschleuniger, der einzige dieser Art im Triveneto und einer der sichersten weltweit.
Das neue Gerät der Marke Elekta Versa HD ermöglicht die hochpräzise Bestrahlung von fast allen Tumoren unter größtmöglicher Schonung des gesunden Gewebes. Geplant ist auch eine Aufstockung der Abteilung auf sieben Fachärzte, zwei Assistenzärzte, drei Physiker, zehn Röntgenassistenten, vier Krankenschwestern, drei Sekretärinnen, um zu gewährleisten, dass alle Südtiroler Tumorpatienten in Bozen behandelt werden können, bis auf jene besonderen und seltenen Fälle, die an andere Zentren überwiesen werden müssen.
Die Strahlentherapie ist eine der drei Säulen der Krebsbehandlung, neben Chirurgie und Chemotherapie. In den vergangenen Jahren ist sie immer wichtiger geworden, dank des rasanten technischen Fortschritts und kann heute, dank der Radiochirurgie und der Möglichkeit gezielt immer höhere Strahlendosen einzusetzen, auch schon teilweise chirurgische Eingriffe ersetzen.
Der neue Linearbeschleuniger des Typs Versa HD verfügt außerdem über ein Zusatzgerät für die atemgesteuerte Bestrahlung, das über einen Oberflächenscanner die Atmung der Patienten in Echtzeit aufnehmen kann. Dies führt bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen zu einer noch besseren Schonung des Herzens, besonders wichtig bei Patientinnen, die gleichzeitig eine Chemotherapie oder Antikörpertherapie bekommen.
Wie der Vizeprimar der Radiotherapie Bozen, Dr. Martin Maffei, erklärt, werden in naher Zukunft auch präzise radiochirurgische Eingriffe an den verschiedensten Tumorarten möglich sein. Insgesamt wird die Behandlungszeit mit dem neuen Linearbeschleuniger in Zukunft noch wesentlich verkürzt werden können.“ So Dr. Maffei.
Der Bestrahlungsvorgang wird dank einer neuen Technik synchron überwacht, bei eventuellen Abweichungen wird die Strahlung sofort unterbrochen, so dass der Patient keine Strahlenschäden riskiert.

Die onkologische Strahlentherapie des Sanitätsbetriebes verfügt nun über zwei fast identische Geräte, das Vorgängermodell wurde vor zwei Jahren angeschafft und jetzt entsprechend aufgerüstet. Dies garantiert geringe Ausfallzeiten und ermöglicht, mehr Patienten zu behandeln. Derzeit beträgt die Wartezeit zehn bis 14 Tage.
Wie Vizeprimar Maffei erklärt, ist die Abteilung stolz auf eine in Italien bisher einmalige Zusammenarbeit mit der Abteilung für Neurochirurgie, die im Krankenhaus Moritzing untergebracht ist, das heißt, sich einige Kilometer entfernt von der Bonvicini-Klinik in Bozen Gries befindet. „Der Neurochirurg markiert mir ganz exakt die Läsion mithilfe eines spezifischen Programms und schickt mir diesen Befund direkt in die Strahlentherapie, wo ich den Patienten nach genau diesen Vorgaben bestrahle. Dies ist bisher einmalig in Italien!“
Fazit: Die Südtiroler Patienten können sicher sein, im eigenen Land nach neuesten Methoden und gemäß modernsten Standards behandelt zu werden. Dr. Maffei: „Wir prüfen jeden Fall ganz genau und natürlich, wenn wir etwas nicht selbst machen können, zögern wir nicht, diese Einzelfälle weiterzuschicken, in das Protonentherapie-Zentrum in Trient, nach Mailand oder unter gewissen Umständen auch nach Heidelberg.“

Dr. Martin MaffeiDr. Martin Maffei