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Prostata: Darüber reden hilft!

SKH-Pressekonferenz anlässlich des Europäischen Prostata-Krebtags

Das Prostatakarzinom ist auch in Südtirol die häufigste Krebserkrankung beim Mann ab dem 50. Lebensjahr. Anlässlich des Europäischen Prostata-Tages lud die Südtiroler Krebshilfe vier Experten ein, um über die Häufigkeit, Früherkennung und psychoonkologische Betreuung in Südtirol zu informieren.
Jedes Jahr organisiert die SKH Pressekonferenzen zu unterschiedlichen Thematiken. Die Presse greift diese Themen gerne auf, ein wichtiger Weg, um noch besser und noch kapillarer über so wichtige Argumente wie Vorsorge und einen verantwortlichen Lebensstil zu informieren. So aufgeklärt sich unsere Gesellschaft auch geben mag: Über Prostatakrebs wird ungern geredet. „Wir möchten damit die Scheu vor diesem Thema nehmen und über die diversen Aspekte der Erkrankung umfassend informieren“, so Ida Schacher, Präsidentin der Südtiroler Krebshilfe in ihrer Einleitung zur Pressekonferenz, bei der vier Experten die Prostataerkrankung aus verschiedenen Blickwinkeln mit interessanten Informationen aus den unterschiedlichen Fachgebieten präsentierten.
Dr. Esther Hanspeter, von der Abteilung Pathologische Anatomie und Histologie am Krankenhaus Bozen, präsentierte statistische Daten aus Südtirol zur Häufigkeit des Prostatakarzinoms, zu den Neuerkrankungen und der Sterblichkeitsrate. Demnach steht der Prostatakrebs mit 18% an der Spitze der Krebserkrankungen bei Männern in Südtirol. (…) Im Jahr 2006 erkrankten 337 Männer in Südtirol an Prostatakrebs, im Jahr 2015 wurden 401 Neuerkrankungen diagnostiziert. Das Risiko einer Erkrankung steigt mit zunehmendem Lebensalter.
Wesentlich für die Heilungsperspektiven sind die Krebsvorsorge und die Früherkennungsuntersuchungen, die zu den wichtigsten Bausteinen in der Krebserkennung und Therapie zählen, unterstrich Dr. Lukas Lusuardi, Primar an der Abteilung Urologe am Krankenhaus Brixen in seinem Beitrag.
Eine Krebserkrankung betrifft nicht nur den Körper, sondern das ganze Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Der Psychoonkologe Dr. Anton Huber vom Dienst für Krankenhauspsychologie am Krankenhaus Bruneck stellte das Unterstützungsangebot für Betroffene und ihre Angehörigen vor. Ein besonderes Projekt ist hierbei die Selbsthilfegruppe „der baum – aktiv nach Prostataerkrankung“ für Männer, die an Prostatakrebs erkrankt sind. Dr. Hartmann Aichner, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und selbst Betroffener, leitet dieses Gemeinschaftsprojekt der Südtiroler Krebshilfe und des psychologischen Dienstes am Krankenhaus Bruneck, gemeinsam mit Dr. Anton Huber und mit fachlicher Unterstützung des Primars der Urologie Brixen Dr. Lukas Lusuardi.
Die Chance hat diese Pressekonferenz zum Anlass genommen, um sich ausführlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die unterschiedlichen Akteure zu Wort kommen zu lassen.

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Bei Früherkennung ist Prostatakrebs heilbar!

Interview mit Primar Dr. Lukas Lusuardi


Foto: Othmar SeehauserFoto: Othmar Seehauser

Mann braucht Glück und eine gute Genetik, um nicht an Prostatakrebs zu erkranken, oder vielleicht besser, um nicht zu früh an Prostatakrebs zu erkranken. Viele Männer über achtzig erkranken daran, aber gefährlich wird dieser Krebs vor allem in jungen Jahren. Ein Gespräch mit dem Primar für Urologie am Krankenhaus Brixen, Priv. Doz. Dr. Lukas Lusuardi.
Chance: Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann ab dem 50. Lebensjahr?
Dr. Lusuardi: Das stimmt, in Südtirol sind 18% der Männer davon betroffen, gefolgt von 16% am Kolon-Rektum, 15% in der Lunge und 11% an der Blase und die jährlichen Neuerkrankungen sind im Steigen begriffen.
Chance: Aber die Sterblichkeitsrate spiegelt dieses Verhältnis nicht wieder?
Dr. Lusuardi: Überhaupt nicht. Sie liegt bei 8% und ist im Sinken begriffen. Und auch die Überlebensrate nach fünf Jahren zeigt das: 1990 – 92 lag sie bei 62%, 2002 - 04 bei 89% und 2005 – 07 schon bei 91%. Zum Vergleich: bei Lungenkrebs ist die Sterblichkeit mehr als dreimal so hoch: 26%.
Chance: Diese Zahlen sind auf den Erfolg der Vorsorgeuntersuchungen zurückzuführen?
Dr. Lusuardi: Hierzu ist folgendes zu sagen: Mit Sicherheit ist die Zahl der Erkrankungen auch deshalb gestiegen, weil mehr Männer die Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und dadurch mehr Erkrankungen entdeckt werden. Die PSA Untersuchung sollten alle Männer ab 45, bzw. ab 40 wenn Familiarität vorliegt, jedes Jahr vornehmen lassen. Aber das Untersuchungsergebnis muss entsprechend evaluiert werden und zudem immer von einer Rektaluntersuchung und bei zu hohen Werten von anderen Untersuchungen wie Biopsie und Ultraschall begleitet sein. Ein erhöhter PSA-Wert heißt nicht immer Prostatakrebs.
Chance: Wenn Symptome auftreten, kann es schon zu spät sein?
Dr. Lusuardi: Der Prostatakrebs verursacht erst im fortgeschrittenen Stadium Symptome wie Knochenschmerzen, Probleme beim Wasserlassen oder Blut im Urin, wenn Harnröhre und/ oder Blase bereits infiltriert sind. Ist der Tumor weit fortgeschritten bzw. metastasiert, dann hat der betreffende Patient schlechtere Karten, weil man ihn nicht mehr heilen wird.
Chance: Der Prostatakrebs ein langsam wachsendes Karzinom?
Dr. Lusuardi: Ja und nein. Das stimmt nicht immer. Es gibt aggressivere und weniger aggressive Formen. Bei einer aggressiven Form muss ich rasch handeln, bei einer langsam wachsenden Form kann ich den Tumor auch nur unter Kontrolle halten und muss (noch) nicht behandeln.
Chance: Nach welchen Kriterien wird die Aggressivität gemessen?
Dr. Lusuardi: Es gibt verschiedene Methoden, die häufigste ist der sogenannte Gleason Score, der das maligne Gewebe auf Abweichungen mit dem normalen Prostatagewebe vergleicht und mit steigender Bösartigkeit in Wachstumsmuster von 1 bis 5 einstuft, den sogenannten Gleason Grad. Das vorherrschende Tumormuster sowie ein weiteres werden unabhängig voneinander erfasst und bewertet.
Chance: Daraus ergibt sich dann der sogenannte Gleason-Score?
Dr. Lusuardi: Genau. Das Minimum beträgt 6 (3+3), das Maximum 10 (5+5). Gleason 6 ist ein niedriger Wert, bei dem wir zuwarten können, bei 10 wird sofort operiert und anschließend bestrahlt, das heißt mit einer multimodalen Therapie behandelt.
Chance: Wann ist der kritischste Moment im Leben eines Mannes bezüglich Prostatakrebs?
Dr. Lusuardi: Die Hauptinzidenz liegt in Europa bei 65 – 66 Jahren. Aber es gibt auch Männer mit 40, die an Prostatakrebs erkranken, wenn sie eine entsprechende negative genetische Veranlagung haben.
Chance: Es gibt mittlerweile verschiedene chirurgische Methoden.
Dr. Lusuardi: Wir unterscheiden zwischen dem herkömmlichen operativen Eingriff und dem laparoskopischen Eingriff, der in Brixen am häufigsten angewendet wird. Dadurch haben wir eine schnellere Heilung, geringere Wundschmerzen und vor allem auch geringe Blutungen. Ich persönlich kann mich an keinen Fall erinnern, wo eine Bluttransfusion erforderlich war.
Chance: Und der herkömmliche operative Eingriff?
Dr. Lusuardi: Da gibt es zwei Methoden. In einem frühen Anfangsstadium, wenn keine Lymphknoten entfernt werden müssen, kann der Zugang über den Damm erfolgen. Ansonsten werden über einen Schnitt im Unterbauch zunächst die Lymphknoten im Becken entfernt und dann die Prostata und die Samenblasen.
Chance: Gibt es Unterschiede bezüglich der negativen Folgen bei den Operationsmethoden?
Dr. Lusuardi: Nein, eigentlich nicht. Bis jetzt liegen keine Studien vor, die nachweisen, ob Kontinenz und Potenz nach dem laporoskopischen Eingriff weniger beeinträchtigt sind als bei der traditionellen Chirurgie. Das hängt von verschiedenen Komponenten ab: Von der Lage des Tumors, von der Expertise des Operateurs und natürlich vom Stadium des Tumors. Bei Früherkennung können sowohl die für den Schließmuskel und die Erektion zuständigen Nerve, erhalten werden. Die erwähnten Operationsverfahren, die allesamt in Südtirol durchgeführt werden, haben jedenfalls alle vergleichbare Langzeitergebnisse, bezüglich der Tumorfreiheit.
Chance: Nach der Operation müssen die Patienten sich einer Strahlentherapie unterziehen. Heute ist diese ja um ein Vielfaches effizienter als noch vor zehn Jahren. Könnte sie in die Chirurgie ersetzen?
Dr. Lusuardi: Bei ganz kleinen Läsionen kann man schon heute fokal mit verschiedenen Energiequellen vorgehen, aber eine richtige Alternative zum chirurgischen Eingriff ist das noch nicht. Die moderne Bestrahlungstherapie ist wesentlich effektiver und weniger belastend und wirkt auch schmerzstillend bei Knochenmetastasen. Wir unterscheiden zwischen der externen Strahlentherapie und der Brachytherapie, bei der winzige radioaktiver Körperchen in die Prostata eingesetzt werden, die gezielt radioaktive Strahlung absetzen.
Chance: Die Diagnose Prostata-Krebs ist für die Männer ein Schock. Und das nicht nur, weil das Wort Krebs mit Angst verbunden ist, sondern vor allem auch wegen den Folgen einer Prostatabehandlung.
Dr. Lusuardi: Eine Krebsdiagnose ist immer ein Schock. Was die Folgen betrifft, im ersten Moment denken viele Männer gar nicht daran. Es geht schließlich ums Überleben. Aber wir klären unsere Patienten schon auf bevor die Fragen kommen. Natürlich mit der entsprechenden Sensibilität und möglichst im Beisein der Partnerin. Man(n) muss wissen, was auf ihn zukommt!
Chance: Sie meinen die Spätfolgen wie Inkontinenz und Impotenz?
Dr. Lusuardi: Dieser Gedanke ist verständlicherweise sehr erschreckend. Aber für jede dieser Störungen gibt es heute Lösungen, zufriedenstellende Lösungen. Es gibt Medikamente und auch gut funktionierende Implantations-Prothesen, die diese Dysfunktionen komplett beheben können. Wichtig ist, dass die Männer sich damit auseinandersetzen und das annehmen. Wichtig sind auch die psychoonkologische Betreuung des Mannes und natürlich die Unterstützung von Seiten der Familie und vor allem der Partnerin.
Chance: Auch die Hormontherapie ist ja sehr belastend für einen Mann…
Dr. Lusuardi: Eben und gerade deshalb ist die regelmäßige Vorsorge so wichtig, eine Hormontherapie wird erst im fortgeschrittenen Stadium aktuell. Lassen wir es nicht so weit kommen!
Die Prostata
Die Prostata oder Vorsteherdrüse ist eine akzessorische Geschlechtsdrüse des Mannes und produziert einen Teil des Spermas. Sie liegt unterhalb der Harnblase und umkleidet den Anfangsteil der Harnröhre (Urethra) bis zum Beckenboden.
Sie gleicht in Größe und Form einer Kastanie. An die Rückseite der Prostata grenzt der Mastdarm (Rektum). Deshalb kann sie vom Enddarm aus mit den Fingern ertastet und beurteilt werden.
PSA - Prostata spezifisches Antigen
Das Prostatasekret macht 20-30 Prozent der Spermamenge aus. Das Sekret der Prostatadrüsen ist milchig-trübe, dünnflüssig und leicht sauer. Neben zahlreichen anderen Stoffen enthält es Enzyme (Fermente). Das sind Eiweiße mit wichtigen Aufgaben wie die saure Prostata-Phosphatase und das PSA (prostata-spezifisches Antigen), das das Sperma, den Samen, verflüssigt. Ein weiterer Inhaltsstoff ist Spermin; es schützt die DNA (Erbinformation) der Spermien (Samenfäden).
Häufigkeit des bösartigen Prostatatumors
Nationaler und internationaler Vergleich
Mittelwert
x 100.000
Mittelwert
Weltweit
Südtirol (2006-2010) 140,2 79,2
Tirol (2011-2013) 146,2 83,2
Trentino (2003-2006) 108,6 55,0
Venezien (2003-2006) 150,5 74,7
Quelle: Pool AIRTUM Südtiroler Tumorregister
Prostatatumor: Häufigkeit und Verteilung auf Gesundheitsbezirke in
≤ Zeitraum 2006 - 2009
Bezirk 2006 2007 2008 2009 Mittelwert
2006-09
Mittelwert
2008-09
Bozen 162 164 175 184 171 180
Meran 70 95 89 101 89 95
Brixen 51 35 36 26 37 31
Bruneck 5 40 48 58 50 53
Gesamt 338 334 348 369 347 359
% pro Bezirk
Bozen 47,9% 49,1% 50,3% 49,9% 49,3% 49,3%
Meran 20,7% 28,4% 25,6% 27,4% 25,5% 25,5%
Brixen 15,1% 10,5% 10,3% 7,0% 10,7% 10,7%
Bruneck 16,3% 12,0% 13,8% 15,7% 14,4% 14,4%
Gesamt 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% 100,0%
Quelle: Pool AIRTUM . Südtiroler Tumorregister