Aktuell

Kümmern statt kummern

Vortragsabend in Meran zum Thema Prävention und Komplementärmedizin

Was passiert, wenn ein Schulmediziner und ein Komplementärmediziner aufeinandertreffen? Es kommt
zu einem interessanten Austausch! So jedenfalls haben es
die Teilnehmer des Vortragsabends in Meran empfunden.
Primar und Direktor des Brustgesundheitszentrums Meran Herbert Heidegger und Gynäkologe und Komplementärmediziner Rudolf Gruber zum Thema Vorsorge und ganzheitliche Komplementärmethoden in der Krebsbehandlung.
Ein Heimspiel für den Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran, der den Teilnehmern oder besser Teilnehmerinnen, nur vier Männer saßen im Publikum, bestens bekannt war. Souverän überließ Heidegger das Feld, d. h. den größten Teil des Abends dem Gast aus Bruneck, Dr. Rudolf Gruber.

Es gibt immer mehr Krebserkrankungen und in den kommenden Jahrzehnten wird sich die Zahl der Krebskranken verdoppeln. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass wir immer länger leben. In Südtirol leben Frauen im Schnitt 85 Jahre, Männer 80. Das eine ist mit dem anderen verbunden. Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr an Krebs zu erkranken. Eine Krebserkrankung ist aber längst kein Todesurteil mehr. Die meistens Krebsarten sind heilbar, dies vor allem dank der Früherkennung und dem Vorsorgeangebot.
Einige aktuelle Zahlen: In Südtirol erkranken pro Jahr 380 Frauen an Brustkrebs und 25 an Gebärmutterhalskrebs. Etwa 70 % der Frauen machen regelmäßig einen Paptest. Wer sich regelmäßig bewegt hat ein um 20 – 30 % geringeres Krebsrisiko als Menschen, die sich nicht oder kaum bewegen und auch das Risiko für Metastasen-Bildung sinkt bei regelmäßiger Bewegung um 50 %. 15 % aller Krebsfälle werden durch Inaktivität hervorgerufen. Wer mehr als zwei Stunden in der Woche spazieren geht, reduziert das Risiko an Krebs zu sterben um 30 %.

„In meiner Abteilung“, so Dr. Herbert Heidegger, „haben wir bereits laut Statistik eine Quote von 87 % der Patientinnen, die nach fünf Jahren die Krankheit überleben! Dies liegt natürlich auch an den immer besseren Therapien, aber vor allem an der Kombination von Vorsorge und Früherkennung.“ Krebsprävention, so der Direktor des Brustgesundheitszentrums Meran, hänge davon ab, wie jeder mit sich umgehe. Faktoren wie Verhaltensprävention, aber auch das soziale Umfeld und Umweltfaktoren, das Bemühen um Aufklärung spielten hier eine Rolle.

Mit Screening allein ist es nicht getan. Das sagt auch der Schulmediziner. Hei-degger: „Nur 50 % der Brusttumoren werden durch das Screening entdeckt, diese Zahl zeigt, dass das Screening alleine nicht reicht. Zumal etwa 15 % der Knoten von der Mammographie nicht erfasst werden.“ Zunehmend erkranken Frauen, die jünger sind als 50 an Brustkrebs, in diesem Alter wird das Screening noch nicht angeboten. Viele Frauen ertasten ihren Krebs selbst oder der Knoten wird durch eine Ultraschalluntersuchung erfasst. Diese wird allerdings nicht vom Sanitätsbetrieb getragen. Wird aber von den Frauenärzten empfohlen.

„Ich muss mir meine Gesundheit auch etwas kosten lassen“, sagt dazu der Primar der Gynäkologie Meran und spricht von der personalisierten Früherkennung, also davon, die eigene Risikokonstellation zu erkennen und entsprechend zu handeln. Also genetische Faktoren zu berücksichtigen (Krebsfälle in der Familie), den Lebensstil verantwortlich zu gestalten (gemäß dem Zehn-Punkte-Programm des WHO), das Vorsorgeprogramm wahrzunehmen, Screening, Paptest, Papilloma-Virus-Impfung (die jetzt auch - auf eigene Kosten - für Jungen ab 12 angeboten wird). Kurz sich aktiv um seine Gesundheit zu kümmern, ohne deshalb in Panik zu verfallen. Kümmern statt kummern, so seine Devise.

Eine ideale Gesundheit gibt es nicht, so Dr. Rudolf Gruber. Als Bauernsohn aus dem Ahrntal von Kind auf naturverbunden. Nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule in Auer hat er Medizin studiert, Spezialisierung in Gynäkologie und Studium von Naturheilkunde, Heilkräutern, Biotherapie und Kneippverfahren. „Die Gesundheit jedes Menschen ist einzigartig!“ Von dieser Grundvoraussetzung geht Dr. Gruber aus.

Der Weg zur Gesundheit oder besser die Erhaltung der Gesundheit sei deshalb sehr vielseitig, erklärte Gruber dem Publikum. Entgiftung, Erkennung und Ergänzung von Mangelzuständen, das Finden eines der eigenen Person entsprechenden Rhythmus, die eigene Erdung (und auch Himmelung) finden, den Schlaf als wichtigsten Taktgeber des Organismus wahrnehmen, regelmäßige Bewegung, die (Heil)Kraft der Kräuter und jene des Wassers, das schwache und träge aber gesunde Zellen aktiviert.

Das Grundprinzip der Komplementärmedizin ist das Erhalten der Gesundheit, der bewusste Umgang mit seinem Körper und nicht das reine Bekämpfen von Symptomen. Komplementärmedizin setzt im Idealfall ein, bevor der Mensch erkrankt, beugt der Erkrankung vor. Komplementärmedizin sieht den Menschen als Ganzes.

„Einmal am Tag Hunger empfinden, einmal am Tag müde sein und einmal am Tag schwitzen – das sind gute Voraussetzungen, um die Gesundheit zu erhalten“, erklärte Gruber. Zahlreiche Kräuter helfen die Funktionen und auch die Abwehrkräfte des Organismus zu stärken. Bei der Kräuterlehre, betonte der Komplementärmediziner, beziehe er sich auf die Lehren von Kneipp und von Kräuterpfarrer Hermann Josef Weidinger.

„Ich habe mich auch sehr eingehend mit der chinesischen Medizin befasst“, erklärte er, „bin aber für mich persönlich zur Erkenntnis gekommen, dass unsere Wurzeln doch in der europäischen Medizin liegen!“

Dr. Gruber ging es nicht darum, dem Publikum Allheilmittel oder Alternativen zur Schulmedizin vorzusetzen, sondern vielmehr unterschiedliche Ansätze aufzuzeigen, wie man verantwortlich mit seiner Gesundheit und seinem Körper umgehen kann, wie man seine Gesundheit bewahren und was man tun kann, um im Fall einer Erkrankung das Gleichgewicht des Organismus wiederherzustellen. Ideal ist es, wenn Schulmedizin und Komplementärmedizin Hand in Hand arbeiten und sich ergänzen, so wie die beiden Vorträge sich ergänzt haben. So kann z. B. der Komplementärmediziner Chemotherapie-Patienten Echinacea (Sonnenhut) verabreichen, um schmerzhaften Aphten im Mund vorzubeugen. Viele Heilkräuter helfen, dem geschwächten Körper Energie zuzuführen und dessen Selbstheilungskräfte zu aktivieren, ebenso wie Akupunktur und Heilmassagen.

Unter dem Titel „Gesund durchs Jahr“ ging Rudolf Gruber auf die Wirkungen bestimmter Heilkräuter ein und auch darauf, wie die Jahreszeiten, bzw. die Monate unser Befinden und unsere Körperfunktionen beeinflussen.

So ist beispielsweise Dezember der Monat der Besinnung, wo es heißt, alles in Einklang zu bringen, innerlich aufzuräumen. Auch das ist eine Voraussetzung für Gesundheit! Dabei können helfen: Koriander, Nelke, Schwedenbitter, Gerstsuppe oder gedünstetes Obst. Der Januar hingegen ist der Monat der Atemwege und des Immunsystems. Man sollte viel Zeit draußen im idealen trockenen Reizklima des kältesten Monats des Jahres verbringen, Samen und Keimlinge zu sich nehmen und Räuchern mit Zirm, Latschen, Fichte, Lavendel oder Lärche.

Neu sind diese Erkenntnisse nicht, und sie wurden mehr oder weniger unbewusst von unseren Urgroßeltern schon angewendet, sind aber im Zuge der „Verstädterung“ und der „Technologisierung“ des Lebens, einer immer größeren Distanz zur Natur, verloren gegangen.

Aktuell

Das geht alle an!

Die drei Typen der Vorsorge - Vortrag von Dr. Christoph Mayr

Die Krebs-Prävention beginnt nicht erst mit den Screening-Untersuchungen sondern schon von klein auf. Ein Vortrag über die verschiedenen Arten der Vorsorge, gehalten von Chirurg Christoph Mayr.
Informativ, interessant und vor allem verständlich hat Dr. Mayr das Thema Vorsorge aufbereitet. Die sogenannte Primärprävention setzt vor Eintreten der Krankheit ein und zielt darauf ab, eine Erkrankung von vornherein zu verhindern. Sie richtet sich an Risikogruppen, Gesunde und Personen ohne Krankheitssymptome, beginnt mit dem Lebensstil und der Ernährung, mit den Impfungen gegen Papilloma-Virus und Hepatitis B.

Abgesehen von der genetischen Veranlagung, die ein jeder von Geburt an mit sich bringt und von Umweltfaktoren, hängt eine Krebserkrankung vor allem davon ab, wie verantwortlich wir mit uns und unserem Körper umgehen. Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen, zu viel Alkohol, zu viel Essen aber vor allem auch ungesundes Essen sind Risiko-Faktoren. Der Genuss von dunklem und verarbeitetem Fleisch (Wurstwaren, geräuchertes und geselchtes Fleisch), Konservierungsstoffe, tierische Fette, zu viel Zucker und zu wenig Obst und Gemüse schwächen unseren Organismus.

Garantien gibt es in diesem Bereich allerding nicht. Dr. Mayr: “Auch ich gehe davon aus, dass ich möglicherweise irgendwann an einem Krebs erkranke. Das liegt einfach daran, dass wir immer älter werden. Und wenn ich ehrlich bin: Ein Schlaganfall oder eine Demenz schrecken mich wesentlich mehr!” Einen früh erkannten Krebs kann man schließlich heilen!

Wer wenig Fleisch und viel Fisch isst, wie z. B. Japaner oder Koreaner oder sich gar vegan ernährt, ist deshalb nicht unbedingt vor Krebs gefeit. Auch in diesen Ländern nimmt die Anzahl der Dickdarm-Krebserkrankungen zu. Es gehe nicht um den völligen Verzicht, sondern um das richtige Maß. „Schon Paracelsus sagte, „sola dosis facit veneum“, zitierte Mayr den berühmten Arzt des Mittelalters. „Allein die Dosis macht das Gift“.

Die Dickdarmspiegelung ist eine Sekundärpräventionsuntersuchung, die jeder, 
der einen solchen Krebsfall in der Familie hat, alle fünf Jahre durchführen sollte.Die Dickdarmspiegelung ist eine Sekundärpräventionsuntersuchung, die jeder, 
der einen solchen Krebsfall in der Familie hat, alle fünf Jahre durchführen sollte.

Die Sekundärprävention setzt im Frühstadium einer Krankheit an, dann wenn sie sich eigentlich noch nicht bemerkbar macht. Sie dient der Früherkennung von Krankheiten und der Eindämmung ihres Fortschreitens. Unter Sekundärprävention fallen alle vom öffentlichen Gesundheitswesen angebotenen Vorsorgeuntersuchungen wie Mammographie oder Paptest für Frauen, die Untersuchung auf verstecktes Blut im Stuhl und eventuell eine Dickdarmspiegelung oder der PSA-Test für Männer. Letzterer ist allerdings nicht unumstritten, da ein erhöhter PSA-Wert nicht nur Indiz für einen Prostatakrebs, sondern auch für eine harmlose Entzündung sein kann.

Screenings, also eine allgemeine Vorsorgeuntersuchungen für einen breiten Teil der Bevölkerung haben nur bei jenen Tumorarten einen Sinn, die häufig vorkommen und langsam wachsen, bzw. einen hohen Heilungsgrad aufweisen. So kann beispielsweise ein Brustkrebs durch Tasten oder auch eine Mammographie bereits in einem sehr frühen Stadium entdeckt werden.

Das herkömmliche Brustkrebsscreening, das bisher vom öffentlichen Sanitätswesen für Frauen ab 50 angeboten wird, müsste allerdings überdacht werden, so Dr. Mayr, da zunehmend auch Frauen, die jünger sind als 40 an Brustkrebs erkranken.

Bei Dickdarmkrebs greift die Sekundärprävention sehr gut, da sich dieser Tumor sehr langsam entwickelt. In Südtirol wird die Vorsorgeuntersuchung auf verstecktes Blut im Stuhl erst seit zwei Jahren angeboten, in anderen Regionen Italiens schon seit langem. Alle Bürger zwischen 50 und 70 werden im Abstand von zwei Jahren eingeladen diesen einfachen Selbsttest vorzunehmen. Bei positivem Ergebnis wird zusätzlich eine Koloskopie vorgenommen. Dickdarmkrebs kann bei Früherkennung zu hundert Prozent geheilt werden. Darmpolypen oder Krebsvorstufen können bereits während der Darmspiegelung entfernt werden.

Laut Dr. Lucia Piazzi, geschäftsführende Primarin der Abteilung für Gastroenterologie am Landeskrankenhaus Bozen, bestätigen die jüngsten Zahlen den Erfolg dieses Screenings. Im Jahr 2013 wurde bei 46 % der Personen, die sich nach dem positiven Stuhltest einer Darmspiegelung unterzogen haben, eine Krebsvorstufe bzw. ein Darmkrebs diagnostiziert. Ohne die Vorsorgeuntersuchung hätten diese Patienten den Krebs nicht rechtzeitig entdeckt, da er erst dann beginnt, Beschwerden zu verursachen, wenn es bereits zu spät ist.

Die Tertiärprävention setzt nach der Akutbehandlung, bzw. nach der Diagnose einer Erkrankung ein. In dieser Phase geht es darum, Rückfälle, das Fortschreiten (Metastasen) bzw. Folgeschäden zu vermeiden. Es steht nun nicht mehr nur der rein medizinische Aspekt im Vordergrund.

Komplementärmediziner können den Betroffenen mit Kräutertherapie, Akupunktur oder Homöopathie kräftigen, Vereinigungen wie z. B. die Südtiroler Krebshilfe bieten den Betroffenen nicht nur medizinische Hilfe (Lymphdrainage, Nachsorgeturnen, Bewegungstherapie), sondern auch soziale oder ökonomische Unterstützung an, um bei der Wiedereingliederung in den Alltag zu helfen. - Doktor Christoph Mayr ist nach erfolgreichem Abschluss des Medizinstudiums in Innsbruck seit 1997 am Krankenhaus Bozen tätig, seit 2002 als Facharzt für allgemeine Chirurgie, er hat 2001 in Siena einen Master in Senologie abgeschlossen und ist Mitglied des Brustgesundheitszentrums.