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Wenn das Netz zu große Maschen hat…

Kein Fall gleicht dem anderen. Die Geschichte von Paola Ghirello

Paola Ghirello mit ihrer Familie vor der OperationPaola Ghirello mit ihrer Familie vor der Operation

Den Tumor hat Paola Ghirello besiegt. Einen seltenen Krebs der Nasenschleimhaut, ein Spinaliom, der ihr im Mai 2014 diagnostiziert wurde. Aber der Krebs hat Spuren hinterlassen. Sichtbare und unsichtbare. Äußerlich und in der Seele. Zudem fühlt sie sich ungerecht behandelt.
Sie hat gelernt, zu grüßen. Alle. Menschen, die sie nicht kennt, die sie noch nie gesehen hat, die sie aber unverwandt anstarren. Neugierige Blicke, indiskrete Blicke. Auch mitleidsvolle Blicke. Das Letzte, was Paola Ghirello sich wünscht. Mitleid. Der Krebs ist besiegt, aber er hat Spuren hinterlassen und ein Verstecken gibt es nicht. Sie muss lernen, damit zu leben.

Eine noch junge Frau. 46 Jahre alt ist Paola, sie hat drei Kinder im Alter von 12, 16 und 20. Einen Mann, der zu ihr steht. Alleinverdiener. Eine Familie ohne große Ansprüche. Bis zum Ausbruch der Krankheit zufrieden. Die Krankheit hat vieles geändert.

Sechs Operationen hat sie bis jetzt überstehen müssen. Jede mit Vollnarkose. Die ersten zwei , um mehr als die Hälfte der Nase samt Nasenscheidewand zu entfernen, weitere vier, um mit Hilfe von Knorpelmasse, die an den Ohren entnommen wurde, die Nase wieder aufzubauen. Der letzte Eingriff war am 4. August. Für die Oberfläche der Nase wurde ein Kopfhautlappen oberhalb von der Stirn transplantiert. Kopfhaut deshalb, weil so die arterielle Versorgung des Transplantats gewährleistet ist. Eine Narbe auf der Stirn bis zum Haaransatz zeigt den Verlauf.

Die Nase hat ein komplexes InnenlebenDie Nase hat ein komplexes Innenleben

Der Tumor ist am Krankenhaus Bozen diagnostiziert worden. Die behandelnde Ärztin der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung, Dr. Cristina Diana, sowie Primar Rolando Füstös haben ihrer Patientin empfohlen, den komplizierten Eingriff an der Nase an einem auf diesen Eingriff spezialisierten Zentrum vornehmen zu lassen, dem „Istituto Dermopatico dell’Immacolata", IDI in Rom. Die Kosten für Operation und Krankenhausaufenthalt wurden vom Sanitätsbetrieb der Autonomen Provinz Bozen übernommen.

Die plastische Rekonstruktion der Nase hat unübersehbare Zeichen hinterlassen. Ausgeprägte Narben, die Nasenspitze ist dunkler gefärbt als die restliche Haut des Gesichts. Auch die Form der Nase ist verändert. Was Paola Ghirello aber am meisten belastet, ist etwas anderes und hängt von der besonderen Beschaffenheit des Hauttransplantats ab. Auf der Kopfhaut wachsen Haare und zwar ohne Unterlass. Deshalb wachsen nun auch auf dem Transplantat in und auf der Nase Haare. Wie eben auf dem Kopf. Und nun kommen wir zu dem, was Paola als ungerecht empfindet.

Zumindest auf der äußeren Seite der Nase könnte der unerwünschte Haarwuchs durch eine entsprechende Lasertherapie blockiert werden. Allerdings kann nur ein ganz besonderer Typ von Laser auf dieser empfindlichen Haut zum Einsatz kommen. Einen solchen gibt es in keiner öffentlichen Einrichtung der Region. Paola müsste sich demnach in einer privaten Struktur behandeln lassen. Die zuständige Kommission hat aber entschieden, dass dieser Eingriff nicht unter die „LEAs, die wesentlichen Betreuungsstandards“ fällt, und hat diese Lasertherapie als einen rein kosmetischen Eingriff abgetan, für den die öffentliche Hand keinerlei Mittel zur Verfügung stellt.

Die Chance hat sich mit diesem Fall an Landesrätin Martha Stocker gewandt, die ihrerseits Erkundigungen beim Amtsdirektor des Sanitätsbetriebs, Michele Dagostin einholte und sich auch vom Primar der Dermatologie in Bozen, Dr. Klaus Eisendle, über den sehr seltenen Eingriff der Stirnlappenplastik aufklären lassen. „…es tut mir leid, dass ich Frau Ghirello nicht weiter entgegenkommen kann, gerade weil ich ihr Anliegen sehr gut nachvollziehen kann“, schreibt die Landesrätin für Gesundheit, Arbeit, Sport und Soziales in ihrer Antwort. „…diese Art von Leistung fällt auch in Südtirol nicht unter die LEAs.“

„Ich kann nicht verstehen, wo der Unterschied zwischen mir und einer an Brustkrebs operierten Frau ist“, sagt Paola Ghirello. „Bei einer Brusttumorpatientin passt der plastische Chirurg die gesunde Brust an die rekonstruierte Brust an; die Kosten dafür trägt richtigerweise der Gesundheitsbetrieb.” Auch dieser Eingriff ist objektiv betrachtet nicht „lebensnotwendig“, ist aber wichtig, damit die betroffene Frau ihr seelisches Gleichgewicht wieder findet und sich nicht ihrer Weiblichkeit beraubt fühlt. „Und was ist mit dem seelischen Gleichgewicht einer Patientin mit einer auffälligen Missbildung mitten im Gesicht?“ fragt Paola.

Den Krebs hat sie überwunden, aber die Folgen werden ein Leben lang sichtbar bleiben. Paola ist geheilt, aber sie muss lernen mit ihrer Missbildung zu leben. Kein leichtes Unterfangen. Seit vergangenem Februar, als die akute Krankheitsphase überwunden war, leidet sie an einer schweren Depression.

„Die Patientin leidet infolge der Missbildungen an Nase und im Gesicht an einer schweren Angst-Depression, die sich auch in Verhaltensänderungen manifestiert, wie emotive Instabilität, Schlaflosigkeit, Rückzug vom sozialen Leben“, heißt es im Bericht des behandelnden Psychologen.

Paola Ghirello hat sich wegen der Lasertherapie an verschiedene Institutionen gewandt. Aber bisher sie ist nur auf geschlossene Türen gestoßen. “Es geht mir dabei nicht um das Geld,” betont sie. “Irgendwie werden wir das schon zusammen bekommen. Und Mitleid möchte ich schon gar nicht! Nur fühle ich mich einfach schrecklich ungerecht behandelt!” Und das brennt. Brennt mehr, als die Narben und die Missbildung, mit denen zu leben sie lernen wird.
Dr. Cristina Diana
„Die Patientin ist an einem auch für ihr noch relativ junges Alter seltenen Tumor erkrankt und das an einer sehr untypischen Stelle. Sie musste sich einem Eingriff unterziehen, der vor allem unter dem ästhetischen Gesichtspunkt sehr belastend ist.

Da es sich um eine äußerst seltene Form dieses Hauttumors handelte, habe ich vorgezogen, die Patientin an ein auf diese Eingriffe spezialisiertes Institut, das IDI, Istituto Dermopatico dell´Immacolata in Rom und an einen mir persönlich bekannten plastischen Chirurgen zu überweisen, der über große Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt. Es waren mehrere Eingriffe notwendig, dennoch ist das Ergebnis für die Patientin sehr belastend. Um der onkologischen Sicherheit willen musste der größte Teil der Nase entfernt und nachträglich mit Knorpel und einem Hautransplantat wieder rekonstruiert werden. Es wurde ein Hautlappen der Stirn und eines Teils der Kopfhaut heruntergeklappt, um die wiederaufgebaute Nasenoberfläche abzudecken. Aufgrund der besonderen Beschaffenheit der Kopfhaut wachsen nun auf der Nase kontinuierlich Haare; eine weitere Belastung der Patientin. Wir haben ihr deshalb zu einer Lasertherapie geraten, um diesen Haarwuchs zu blockieren. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, dass der Patientin die Übernahme der Kosten von Seiten des Sanitätsbetriebs verweigert wurde. Es mag schon sein, dass Kosten eingespart werden müssen, aber ich bin der Ansicht, dass man auch diese seltenen Erkrankungen berücksichtigen muss, und dass man berücksichtigen muss, welche Auswirkungen ein solches Handicap auf die betreffende Person hat.“

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Was wünschen Männer?

Umfrage zur Zufriedenheit der männlichen Mitglieder der Krebshilfe

Die Krebshilfe ist seit jeher ein frauenorientierter Verein. Obwohl durchschnittlich mehr Männer als Frauen an Krebs erkranken, sind nur acht Prozent der Mitglieder der Südtiroler Krebshilfe männlichen Geschlechts! Eine Studie soll nun Aufschluss geben über die Bedürfnisse der männlichen Mitglieder.
Männer neigen dazu, sich während der Krankheit zu isolieren, sie lehnen Hilfestellung von außen oft ab, empfinden diese als Einmischung oder als nicht dem Bild eines starken Mannes entsprechend.

Psychologin und Psychotherapeutin i.A.
Carmen RaffaPsychologin und Psychotherapeutin i.A.
Carmen Raffa

Die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien und des Vorstands der Südtiroler Krebshilfe spiegelt das Verhältnis der eingeschriebenen Mitglieder natürlich wider. Viele Frauen sind engagiert, nur wenige Männer sind in den Vorständen. Auch die Agenda, wo alle Angebote der Krebshilfe auf einen Blick zusammengefasst sind, gibt diese Situation wider. Basteln, Filzen, Keksebacken, Tanzen, Handarbeiten, Töpfern, Wie schminke ich mich während der Chemotherapie… so und anders lauten die Namen einiger Aktivitäten, die die Krebshilfe ihren Mitgliedern anbietet. In Zukunft könnte die Agenda den Mitgliedern auch Aktivitäten wie Modellbau, den gemeinsamen Besuch von Sportveranstaltungen, Tischlern, Fischen oder Birdwatching anbieten, Kurse, die ein männliches Publikum ansprechen, aber nicht nur.

Ein Fragebogen zur Messung der Mitgliederzufriedenheit wurde von der Psychologin und Psychotherapeutin i.A. Carmen Raffa in Zusammenarbeit mit der Südtiroler Krebshilfe erarbeitet. Er wurde an alle männlichen Mitglieder verschickt, bis 15. Oktober sollten die Antworten anonym wieder zurückgeschickt oder in den Bezirksbüros abgegeben werden. Rücksendungen, die bis Dezember eintreffen können unter Umständen noch berücksichtigt werden. Voraussetzung für ein Gelingen der Untersuchung ist natürlich die Beteiligung der Männer an der Umfrage. Psychologin Carmen Raffa hofft, dass mindestens 20 – 30 % der Angeschriebenen sich die Mühe nehmen, den Fragebogen auszufüllen. Mehr als zehn Minuten braucht man dazu nicht.

Die Ergebnisse werden nach unterschiedlichen Altersgruppen geordnet: unter 30, zwischen 31 und 50, 51 – 65 sowie über 65. Die Fragen sprachen mehrere Bereiche an, in denen die SKH aktiv ist: finanzielle Unterstützung, psycho-physische Aktivitäten, Freizeit, Information und Förderung der Kreativität. Insgesamt wurden 29 Aktivitäten zur Wahl gestellt, zwei Wunschaktivitäten konnte jeder Teilnehmer zusätzlich angeben. Die Teilnehmer konnten hinter jeder Aktivität ankreuzen ob sie sie für sehr interessant/ nützlich, interessant/ nützlich, weniger interessant/ nützlich bzw. für nicht interessant/ nützlich erachteten.

Ziel dieser Umfrage ist, Männer gezielter ansprechen und für eine Mitgliedschaft in der Krebshilfe gewinnen zu können. Aus der Einleitung zum Fragebogen: „ Wir werden unter Berücksichtigung des Leitbildes und der finanziellen Ressourcen der Vereinigung Ihre Vorschläge auf Umsetzung und Machbarkeit prüfen, unser primäres Ziel bleibt das Wohlbefinden unserer Mitglieder.“ Im Frühjahr werden die Ergebnisse der Studie in der Chance vorgestellt.