Aktuell

Achtung Lymphödem

Die manuelle Lymphdrainage und elastischer Kompressionsverband

Viele Krebspatienten können nach einer Tumoroperation oder nach der Strahlentherapie ein Lymphödem entwickeln. Es handelt sich dabei um eine übermäßige Ansammlung eiweißhaltiger Flüssigkeit im Gewebe, die zu einer Schwellung führt. Ein solches Ödem entsteht, wenn Lymphgefäße unterbrochen oder die zugehörigen Lymphknoten geschädigt oder entfernt worden sind.
Man unterscheidet zwei Formen des Lymphödems. Erstens das primäre, angeborene Lymphödem bei dem die Lymphabflusswege oder Lymphknoten entweder nicht ausgebildet oder unzureichend vorhanden sind. Zweitens das sekundäre oder erworbene Lymphödem, das nach Traumata oder Operationen auftritt. Die Abflusswege und/oder Knoten wurden dabei durchtrennt oder durch Radiotherapie (Bestrahlung) beschädigt.

Auch wenn durch die neuen schonenden Tumoroperationen die Entstehung eines Lymphödems verringert wird, kann durch eine Strahlentherapie ein solches entstehen. „Das kann auch nach 15 oder 20 Jahren noch passieren“ so die Aussage des Sprechers der Arbeitsgruppe onkologischer Rehabilitation der Deutschen Krebsgesellschaft.

Für die SKH ist das Lymphödem seit jeher ein wichtiges Thema, im Bild eine Infoveranstaltung von 2014Für die SKH ist das Lymphödem seit jeher ein wichtiges Thema, im Bild eine Infoveranstaltung von 2014

Deshalb ist es wichtig, die ersten Anzeichen einer Entstehung eines Lymphödems zu erkennen. Das sind Schwere- und/oder Spannungsgefühl, Schmerzen und eine beginnende Schwellung in dem betroffenen bzw. umliegenden Areal (z.B. bei Brustoperationen in der Brust, Arm, Thorax; bei Prostataoperationen in den Hoden, Bein, Bauch; bei Kehlkopfoperationen im Hals- und Gesichtsbereich).

Die Lymphflüssigkeit besteht nicht nur aus Wasser, sondern enthält viele gelöste Stoffe, darunter auch Eiweiße. Verbleiben diese über längere Zeit in höherer Konzentration im Gewebe, kommt es dort zu einer chronischen Entzündungsreaktion. Langfristig leidet das Gewebe darunter und die Schwellung führt zu einer mangelnden Durchblutung. Die Sauerstoffzufuhr und die Nährstoffversorgung werden vermindert. Die Haut verliert an Elastizität, sie wird anfälliger für Krankheitserreger. Das betroffene Gewebe wird hart und es schmerzt.

Die manuelle Lymphdrainage in Kombination mit einer Bestrumpfung und gezielten heilgymnastischen Übungen können dem Lymphödem entgegenwirken und so weitgehende Schäden vermieden werden. Ist ein Lymphödem aufgetreten, muss der Betroffene ein Leben lang einen Strumpf tragen. Diese werden individuell angepasst und garantieren den perfekten Druck, um das Lymphödem unter Kontrolle zu halten. Die Strümpfe (für Arme, Beine oder Rumpf) sind heute aus hautverträglichem weichen Material gemacht und können auch beim Sport getragen werden.

Die manuelle Lymphdrainage (MLD) ist eine Aktivierung des Lymphabflusses bzw. Entstauung (Drainage) des Gewebes durch gezielte physiotherapeutische Griffe und beginnt immer in der Halsregion. Der Physiotherapeut arbeitet mit sanften und leichten Druckbewegungen der Fingerkuppen. Ödematöse Körperregionen wie Arme, Beine, Halsregion, Körperstamm werden dadurch entstaut. Neben der entstauenden Wirkung hat die MLD noch weitere positive Eigenschaften. Der/die Patient/in wird durch diese Massage ruhiger, der Magen-Darm-Trakt (Verdauung) wird angeregt und eine Schmerzlinderung findet statt. Sie wirkt tonussenkend auf die Muskulatur; eine Entspannung tritt ein. Eine Lymphgefäßneubildung (Anastomosen) findet statt, um die angestaute Lymphflüssigkeit über andere Wege besser ableiten zu können. Diese Therapieform hat Emil Vodder in den 1930 Jahren entwickelt, seit den 1960 Jahren hat sich die MLD etabliert und wird an Massage- und Physiotherapieschulen gelehrt. Oft wird eine Lymphdrainage auch nach operativen Eingriffen empfohlen, damit die Wunde schneller abschwillt und richtig durchblutet ist.

Es gibt vier Grundtechniken, die durch bestimmten Druck und Geschwindigkeit die Pumpleistung der Lymphgefäße (Lymphangione) verbessern soll (Aktivierung). Der Therapeut erzeugt durch die Griffe mit wechselndem Druck einen Reiz für das Gewebe. Die glatten (unwillkürlichen) Muskelzellen der Lymphangione beantworten diesen Reiz mit erhöhter Pumpfrequenz und diese hat dann zur Folge, dass die angestaute Lymphflüssigkeit aus dem betroffenen Areal schneller und effizienter abfließen kann. Die Lymphe wird zu den zentralen größeren Lymphstämmen weitergeleitet, um von dort über den Blutkreislauf gereinigt, weiterverteilt oder ausgeschieden zu werden (etwa 4 – 6 Liter täglich).

Wie vorher schon erwähnt, sollte die MLD bei ausgebildeten Lymphödemen immer in Kombination mit einer Bandagierung bzw. Kompressionsbestrumpfung und gymnastischen Übungen einhergehen. Außerdem ist dabei die Narbenbehandlung auch nicht außer Acht zu lassen. Narben verursachen Spannungsschmerzen und Bewegungseinschränkungen. Durch die Behandlung werden Narben weicher, sie werden verschieblicher und die Bewegung kann verbessert werden.

Die Südtiroler Krebshilfe bietet die manuelle Lymphdrainage, die individuelle Heilgymnastik und Bandagierungen kostenlos an. Diese werden von kompetenten Heilmasseuren und Physiotherapeuten in den jeweiligen Bezirken für Tumorpatienten durchgeführt. Es ist dafür eine Verschreibung des Facharztes notwendig (nicht vom Hausarzt!). Informationen und Anmeldung können in den zuständigen Bezirksbüros erhalten und gemacht werden. Öffnungszeiten und Telefonnummern stehen auf der letzten Seite der „Die Chance“.

Wir danken Edith Huber und Renate Trafoier, Therapeutinnen der Südtiroler Krebshilfe, für diesen Beitrag.

Aktuell

Wenn das Netz zu große Maschen hat…

Kein Fall gleicht dem anderen. Die Geschichte von Paola Ghirello

Paola Ghirello mit ihrer Familie vor der OperationPaola Ghirello mit ihrer Familie vor der Operation

Den Tumor hat Paola Ghirello besiegt. Einen seltenen Krebs der Nasenschleimhaut, ein Spinaliom, der ihr im Mai 2014 diagnostiziert wurde. Aber der Krebs hat Spuren hinterlassen. Sichtbare und unsichtbare. Äußerlich und in der Seele. Zudem fühlt sie sich ungerecht behandelt.
Sie hat gelernt, zu grüßen. Alle. Menschen, die sie nicht kennt, die sie noch nie gesehen hat, die sie aber unverwandt anstarren. Neugierige Blicke, indiskrete Blicke. Auch mitleidsvolle Blicke. Das Letzte, was Paola Ghirello sich wünscht. Mitleid. Der Krebs ist besiegt, aber er hat Spuren hinterlassen und ein Verstecken gibt es nicht. Sie muss lernen, damit zu leben.

Eine noch junge Frau. 46 Jahre alt ist Paola, sie hat drei Kinder im Alter von 12, 16 und 20. Einen Mann, der zu ihr steht. Alleinverdiener. Eine Familie ohne große Ansprüche. Bis zum Ausbruch der Krankheit zufrieden. Die Krankheit hat vieles geändert.

Sechs Operationen hat sie bis jetzt überstehen müssen. Jede mit Vollnarkose. Die ersten zwei , um mehr als die Hälfte der Nase samt Nasenscheidewand zu entfernen, weitere vier, um mit Hilfe von Knorpelmasse, die an den Ohren entnommen wurde, die Nase wieder aufzubauen. Der letzte Eingriff war am 4. August. Für die Oberfläche der Nase wurde ein Kopfhautlappen oberhalb von der Stirn transplantiert. Kopfhaut deshalb, weil so die arterielle Versorgung des Transplantats gewährleistet ist. Eine Narbe auf der Stirn bis zum Haaransatz zeigt den Verlauf.

Die Nase hat ein komplexes InnenlebenDie Nase hat ein komplexes Innenleben

Der Tumor ist am Krankenhaus Bozen diagnostiziert worden. Die behandelnde Ärztin der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung, Dr. Cristina Diana, sowie Primar Rolando Füstös haben ihrer Patientin empfohlen, den komplizierten Eingriff an der Nase an einem auf diesen Eingriff spezialisierten Zentrum vornehmen zu lassen, dem „Istituto Dermopatico dell’Immacolata", IDI in Rom. Die Kosten für Operation und Krankenhausaufenthalt wurden vom Sanitätsbetrieb der Autonomen Provinz Bozen übernommen.

Die plastische Rekonstruktion der Nase hat unübersehbare Zeichen hinterlassen. Ausgeprägte Narben, die Nasenspitze ist dunkler gefärbt als die restliche Haut des Gesichts. Auch die Form der Nase ist verändert. Was Paola Ghirello aber am meisten belastet, ist etwas anderes und hängt von der besonderen Beschaffenheit des Hauttransplantats ab. Auf der Kopfhaut wachsen Haare und zwar ohne Unterlass. Deshalb wachsen nun auch auf dem Transplantat in und auf der Nase Haare. Wie eben auf dem Kopf. Und nun kommen wir zu dem, was Paola als ungerecht empfindet.

Zumindest auf der äußeren Seite der Nase könnte der unerwünschte Haarwuchs durch eine entsprechende Lasertherapie blockiert werden. Allerdings kann nur ein ganz besonderer Typ von Laser auf dieser empfindlichen Haut zum Einsatz kommen. Einen solchen gibt es in keiner öffentlichen Einrichtung der Region. Paola müsste sich demnach in einer privaten Struktur behandeln lassen. Die zuständige Kommission hat aber entschieden, dass dieser Eingriff nicht unter die „LEAs, die wesentlichen Betreuungsstandards“ fällt, und hat diese Lasertherapie als einen rein kosmetischen Eingriff abgetan, für den die öffentliche Hand keinerlei Mittel zur Verfügung stellt.

Die Chance hat sich mit diesem Fall an Landesrätin Martha Stocker gewandt, die ihrerseits Erkundigungen beim Amtsdirektor des Sanitätsbetriebs, Michele Dagostin einholte und sich auch vom Primar der Dermatologie in Bozen, Dr. Klaus Eisendle, über den sehr seltenen Eingriff der Stirnlappenplastik aufklären lassen. „…es tut mir leid, dass ich Frau Ghirello nicht weiter entgegenkommen kann, gerade weil ich ihr Anliegen sehr gut nachvollziehen kann“, schreibt die Landesrätin für Gesundheit, Arbeit, Sport und Soziales in ihrer Antwort. „…diese Art von Leistung fällt auch in Südtirol nicht unter die LEAs.“

„Ich kann nicht verstehen, wo der Unterschied zwischen mir und einer an Brustkrebs operierten Frau ist“, sagt Paola Ghirello. „Bei einer Brusttumorpatientin passt der plastische Chirurg die gesunde Brust an die rekonstruierte Brust an; die Kosten dafür trägt richtigerweise der Gesundheitsbetrieb.” Auch dieser Eingriff ist objektiv betrachtet nicht „lebensnotwendig“, ist aber wichtig, damit die betroffene Frau ihr seelisches Gleichgewicht wieder findet und sich nicht ihrer Weiblichkeit beraubt fühlt. „Und was ist mit dem seelischen Gleichgewicht einer Patientin mit einer auffälligen Missbildung mitten im Gesicht?“ fragt Paola.

Den Krebs hat sie überwunden, aber die Folgen werden ein Leben lang sichtbar bleiben. Paola ist geheilt, aber sie muss lernen mit ihrer Missbildung zu leben. Kein leichtes Unterfangen. Seit vergangenem Februar, als die akute Krankheitsphase überwunden war, leidet sie an einer schweren Depression.

„Die Patientin leidet infolge der Missbildungen an Nase und im Gesicht an einer schweren Angst-Depression, die sich auch in Verhaltensänderungen manifestiert, wie emotive Instabilität, Schlaflosigkeit, Rückzug vom sozialen Leben“, heißt es im Bericht des behandelnden Psychologen.

Paola Ghirello hat sich wegen der Lasertherapie an verschiedene Institutionen gewandt. Aber bisher sie ist nur auf geschlossene Türen gestoßen. “Es geht mir dabei nicht um das Geld,” betont sie. “Irgendwie werden wir das schon zusammen bekommen. Und Mitleid möchte ich schon gar nicht! Nur fühle ich mich einfach schrecklich ungerecht behandelt!” Und das brennt. Brennt mehr, als die Narben und die Missbildung, mit denen zu leben sie lernen wird.
Dr. Cristina Diana
„Die Patientin ist an einem auch für ihr noch relativ junges Alter seltenen Tumor erkrankt und das an einer sehr untypischen Stelle. Sie musste sich einem Eingriff unterziehen, der vor allem unter dem ästhetischen Gesichtspunkt sehr belastend ist.

Da es sich um eine äußerst seltene Form dieses Hauttumors handelte, habe ich vorgezogen, die Patientin an ein auf diese Eingriffe spezialisiertes Institut, das IDI, Istituto Dermopatico dell´Immacolata in Rom und an einen mir persönlich bekannten plastischen Chirurgen zu überweisen, der über große Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt. Es waren mehrere Eingriffe notwendig, dennoch ist das Ergebnis für die Patientin sehr belastend. Um der onkologischen Sicherheit willen musste der größte Teil der Nase entfernt und nachträglich mit Knorpel und einem Hautransplantat wieder rekonstruiert werden. Es wurde ein Hautlappen der Stirn und eines Teils der Kopfhaut heruntergeklappt, um die wiederaufgebaute Nasenoberfläche abzudecken. Aufgrund der besonderen Beschaffenheit der Kopfhaut wachsen nun auf der Nase kontinuierlich Haare; eine weitere Belastung der Patientin. Wir haben ihr deshalb zu einer Lasertherapie geraten, um diesen Haarwuchs zu blockieren. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, dass der Patientin die Übernahme der Kosten von Seiten des Sanitätsbetriebs verweigert wurde. Es mag schon sein, dass Kosten eingespart werden müssen, aber ich bin der Ansicht, dass man auch diese seltenen Erkrankungen berücksichtigen muss, und dass man berücksichtigen muss, welche Auswirkungen ein solches Handicap auf die betreffende Person hat.“