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Gemeinsam im Netz

Erste Bestandsaufnahme seit Inkrafttreten der Reform der Tumorchirurgie

Seit vergangenen Januar sind die Bestimmungen im Rahmen der Reform der Tumorchirurgie in Kraft. Nicht alle Kritiker der Reform, vor allem unter den Chirurgen, haben sich damit abgefunden, aber die tägliche Praxis zeigt, dass es funktioniert. Das Herz der Reform ist die Schaffung des Tumorboards, das alle sieben Krankenhäuser und alle Fachkräfte und Experten zusammenschaltet.
D r. Luca Armanaschi, Direktor des Amts für klinische und strategische Entwicklung, ist zuständig für die Vereinheitlichung des Sanitätsbetriebes sowie für die Förderung der Umsetzung und Weiterführung der klinischen Reform im Krankenhausbereich und auf dem Territorium durch Unterstützung von entsprechenden organisatorischen Veränderungen. Wir haben ihn um eine erste Bestandsaufnahme gebeten.
Chance: Was ist für sie der Schwerpunkt der Reform?
Dr. Luca Armanaschi: In den vier Südtiroler Schwerpunktkrankenhäusern, Bozen, Meran, Brixen und Bruneck können wir den Patienten das Maximum an Kompetenz und Erfahrung bieten. Jeder onkologische Patient in Südtirol hat die Gewissheit, dass er von einem in seiner Pathologie erfahrenen Chirurgen operiert wird.
Chance: Können sich die Patienten aussuchen, von welchem Chirurgen sie operiert werden möchten?
Dr. Luca Armanaschi: Nein, das nicht, aber es existiert eine Liste mit allen zugelassenen Namen, so dass der Patient sich genau informieren kann, wer derjenige ist, der den Eingriff durchführt. Es hängt schlussendlich davon ab, wo die Erstdiagnose erstellt wurde, wo der Patient wohnt. Die im Rahmen der Reform geforderten Zertifikationen gelten in allen Bereichen, Gynäkologie, Gastro, Hals-Nasen-Ohren, allgemeine Chirurgie, Urologie… All diese Chirurgen müssen eine bestimmt Anzahl von Operationen im Jahr nachweisen. Zahlen, die wir nicht erfunden haben, sondern die internationalen Protokollen entnommen sind.
Chance: Mit der Reform ist die Einführung eines wichtigen Instruments verbunden, des Tumorboards.
Dr. Luca Armanaschi: Genau und über dieses Tumorboard können wir alle Personen, die sich mit dem jeweiligen Fall befassen sozusagen an einem runden Tisch zusammenführen. Das Tumorboard vernetzt alle. Das Diagnose-Team, Chirurgen, diejenigen, die den Patienten während des Follow-Up betreuen. Der Patient kann sich sicher sein, dass sein Fall von allen Seiten beleuchtet worden ist, Wissen und Erfahrung von den verschiedenen Figuren, Ärzte, Chirurgen, Radiologen, Techniker, Pflegepersonal, Psychologen usw. fließt zusammen. Das Tumorboard bedient sich der Kompetenzen und Erfahrungen aller. Jeder Fall wird vorgestellt von dem Arzt, der die Diagnose gestellt hat, die Therapie, das gesamte Behandlungsprotokoll liegt dann aber nicht im Ermessen eines einzelnen, sondern wird gemeinsam interdisziplinär diskutiert und entschieden. Pro und kontra werden abgewogen, jeder Spezialist bringt seine Erfahrungen, seine ganz besondere Kompetenz mit ein. Der Patient kann versichert sein, dass sein ganz besonderer Fall unter jedem Blickwinkel beleuchtet und nach bestem Wissen und Gewissen gemäß der neuesten Erkenntnisse behandelt wird.
Chance: Wie läuft dieses Tumorboard konkret ab?
Dr. Luca Armanaschi: Alle Krankenhäuser nehmen an den wöchentlichen Sitzungen teil. Ich sage alle, im Augenblick fehlt noch Schlanders, aber nicht mehr lange. Zurück zur Frage. Jeden Dienstag ab 14 Uhr werden Fälle von Dickdarmkrebs präsentiert, mittwochs um die gleiche Zeit geht es um Hals Nasen Ohren-Patienten, donnerstags um Brustkrebspatientinnen. Beteiligt sind die jeweiligen Fachärzte, Radiologen, Techniker, Onkologen, Therapeuten, Techniker, Krankenpflegepersonal, Psychologen das heißt, alle, die in irgendeiner Weise in die Behandlung der jeweiligen Patienten eingebunden sind.
Chance: Man ist also vom direkten Gespräch, vom Telefonat zum virtuellen Kontakt übergegangen.
Dr. Luca Armanaschi: Nein, da täuschen Sie sich. Vorher wurde eben nicht miteinander geredet, der Austausch, zumal interdisziplinärer Natur war eine absolute Ausnahme. Es gab keine Kommunikation. Schon gar nicht von einem Krankenhaus zum anderen. In diesem Sinne hat das Tumorboard auch eine, nennen wir es weiterbildende Funktion. Jeder Teilnehmer kann von den Erfahrungen, von den Exzellenzen des anderen profitieren. Man kann sich austauschen über Nebenwirkungen, über alternative Pharmaka, über mögliche Allergien usw. Sollte während einer Sitzung kein gemeinsamer Nenner gefunden werden, sollten unterschiedliche Ansätze für das Behandlungsprotokoll vorliegen, so ist dies Anlass, weitere Experten zu Rate zu ziehen, bzw. nach weiteren Alternativen zu forschen, bis wirklich jeder der Teilnehmer zufrieden ist und die gewählte Lösung voll und ganz mittragen kann.
Chance: Sie haben vier Gebiete genannt, zu denen sich das Tumorboard trifft. Das ist ja nicht alles…
Dr. Luca Armanaschi: Mit Jahresbeginn werden auch die Fälle im Bereich Urologie, weibliche Genitalien, und Magen zur Diskussion kommen.
Chance: Das Netz musste neu aufgebaut werden?
Dr. Luca Armanaschi: Wir haben über 20.000 € in die modernste Technologie investiert. Es ist mir in der Tat wichtig zu betonen, dass die Reform der Tumorchirurgie nicht als Sparmaßnahme anzusehen ist. Im Gegenteil. Diese Reform zielt darauf, die Patienten in Südtirol gemäß modernster internationaler Standards zu behandeln.
Chance: Was ist mit den Chirurgen, die außen vor geblieben sind, also die an den peripheren Krankenhäusern arbeiten, wo keine Tumorchirurgie oder nur in ganz beschränktem Ausmaß durchgeführt werden darf? Haben sie die Möglichkeit an anderen Krankenhäusern in Südtirol an solchen Operationen teilzunehmen?
Dr. Luca Armanaschi: Sie meinen, ob sie sich von einem zum anderen Krankenhaus bewegen, austauschen können? Von unserer Seite steht dem Nichts entgegen, das muss der jeweilige Sprengel entscheiden, der direkte Arbeitgeber, der diesen Chirurgen bezahlt.

Dr. Luca ArmanaschiDr. Luca Armanaschi


Aktuell

Starke Knochen

Vortragsabend Krebs und Osteoporose – Behandlung mit Bisphosphonaten

Osteoporose, auf Deutsch Knochenschwund, ist nicht nur ein Problem von Frauen nach der Menopause, sondern betrifft auch Männer und ist eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung bei der Krebstherapie mit Antihormon-Präparaten.
Der Primar der Gynäkologie in Meran Dr. Herbert Heidegger und Dr. Cristina Tomasi, Internistin und Präsidentin des Onlus Osteoporose Vereins gestalteten im Oktober in Meran gemeinsam einen Vortragsabend zum Thema Krebs und Knochengesundheit. Mehr als hundert Teilnehmer sind der Einladung gefolgt.
An die Knochen denkt eigentlich niemand. Schon gar nicht in jungen Jahren. Wie wichtig diese innere Stütze ist, merken wir erst, wenn ein Knochen bricht. Osteoporose ist ein weit verbreitetes Phänomen, das gerne unterschätzt wird. Es betrifft häufig(er) Frauen, aber nicht nur. Der Knochen ist ab der Pubertät bei beiden Geschlechtern ein sexualhormonabhängiges Organ. Auch Männer haben ab einem Alter von 65 Jahren ein erhöhtes Risiko an Knochenschwund zu erkranken. Hüfte, Oberschenkelhals und Halswirbel sind bei Osteoporosepatienten besonders gefährdet. Bei älteren Frauen kann eine solche Fraktur in 20 – 25 % der Fälle zum Tod führen, bei Männern sind es 37 %.
Die Weichen werden bereits früh gestellt, erklärte die Internistin Cristina Tomasi. „Zwischen 11 und 14 Jahren ist eigentlich alles schon entschieden.“ Einseitige, zu fetthaltige und vitaminarme Ernährung, zu wenig Bewegung, zu viel Zucker, Fertiggerichte aus der Mikrowelle, zu viele Antibiotika und Kortison stehen der Knochenbildung bzw. Knochenverdichtung entgegen und sind leider eine Konstante bei vielen Kindern und Jugendlichen.
Knochendichtemessung

Grundsätzlich sei es jedem, egal ob Mann oder Frau, so Dr. Cristina Tomasi, zu empfehlen, sich zwischen 50 und 60 Jahren einer Knochendichtemessung, bzw. Osteodensitometrie zu unterziehen. Entweder mittels  Dual-Röntgen-Absorptiometrie-Verfahren (engl. dual-energy X-ray absorptiometry, DXA oder DEXA). Mit dieser Untersuchung, die nur mit geringer Strahlenbelastung verbunden ist, kann die genaue Knochenmasse ermittelt werden. Auch eine Ultraschalluntersuchung der Nackenwirbel, des Oberschenkelhalses oder der Ferse kann Aufschluss über das individuelle Osteoporose-Risiko geben.
„Knochennahrung“ sind Calzium, wie es z. B. in Milchprodukten enthalten ist, frischer Fisch, Vitamin D, Vitamin K2 oder Magnesium. Vitamin D wird zu 85 % über die Sonnenbestrahlung gebildet, ungefährlich ist diese am Morgen und am späten Nachmittag. In den Wintermonaten sei es jedem zu empfehlen, Kindern wie Erwachsenen, einmal wöchentlich eine Dosis Vitamin K2 zu sich zu nehmen. Zur Osteoporoseprophylaxe gehören neben einer ausgewogenen Ernährung, dem Verzicht auf Zigaretten auch regelmäßige Bewegung und Belastung der Knochen. Ein gesunder Lebensstil also, der auch gegen Krebs schützen kann.

Primar Dr. Heidegger befasste sich in seinem Vortrag mit einem der unerwünschten Nebeneffekte der an sich erfolgreichen Antihormontherapie von Patientinnen mit Brustkrebs. Immerhin zwei Drittel der Betroffenen, denen der Tumor operativ entfernt worden ist, weisen einen hormonsensitiven Tumortyp auf. Klinische Studien, so Heidegger, haben gezeigt, dass adjuvante Antihormontherapien, vor allem mit sogenannten Aromatasehemmern oder GnRH-Analoga zwar in erheblichem Maße das Risiko verringern, neuerlich Krebs zu bekommen, gleichzeitig können sie aber zu einem Verlust von Knochendichte, d. h. zu Osteoporose führen. Dies gerade auch bei jungen Patientinnen, die vorzeitig in eine künstliche Menopause versetzt werden und zu früh auf den natürlichen Östrogen-Schutz gegen Osteoporose verzichten müssen. Knochenschwund ist auch ein Problem von Männern mit Prostata-Krebs, die mit Antihormonmitteln behandelt werden. 
Frauen in Antihormonbehandlung, die schon eine verminderte Knochenstabilität aufweisen, so Dr. Heidegger, können erfolgreich mit Biphosphonaten behandelt werden. Gleichzeitig kommen Biphosphonate zum Einsatz, wenn schon Metastasen in den Knochen vorliegen. Sie können knochenkrebsbedingten Störungen wie Schmerzen, Beeinträchtigung der Herztätigkeit oder der Nierenfunktion sowie weiterer Stoffwechselbeeinträchtigungen entgegenwirken.
Dieses Medikament reduziert laut Studien das Auftreten von Knochenmetastasen bei Frauen nach der Menopause um 34 % und die brustkrebsspezifische Mortalität um 17 %.
Ob Bisphosphonate, zumindest bei Frauen nach der Menopause, auch zur generellen Vorbeugung von Knochenmetastasen bei nicht an Krebs erkrankten Frauen geeignet sind, wird unterschiedlich beurteilt. Studien des WHI scheinen darauf hinzuweisen, dass postmenopausale Frauen, die wegen Osteoporose mit Bisphosphonaten behandelt werden, ein deutlich niedrigeres Brustkrebsrisiko haben. Etwa 30 % der Frauen mit frühem Brustkrebs und ca. 65 – 75 % aller Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs entwickeln Knochenmetastasen. Tumorzellen können laut Dr. Heidegger bis zu 10 – 15 Jahren im Knochenmark „schlafen“ und dann irgendwann beginnen sich zu vermehren.
Bisphosphonate werden entweder als Infusion oder in Tablettenform verabreicht. Als Nebenwirkungen können Nebennierenfunktionsstörungen auftreten, die sich z. B. durch Übelkeit, Sodbrennen, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Bluthochdruck bemerkbar machen. Bei längerfristiger Behandlung mit Bisphosphonaten kann es zu einer Nekrose des Kieferknochens kommen.

Dr. Herbert HeideggerDr. Herbert Heidegger