Aktuell

Tumorzellen sind wie Chamäleons

Vortragsreihe im Vinschgau zum Thema: Was ist Chemotherapie?

Chemotherapie ist nicht gleich Chemotherapie. Die Internistin Dr. Susanne Pragal, seit 1995 am Krankenhaus Schlanders im Bereich onkologische Medizin tätig, hat im Oktober und November auf Einladung der Krebshilfe in verschiedenen Orten des Vinschgaus Vorträge zum Thema „Was ist Chemotherapie – Möglichkeiten und Grenzen der onkologischen Medizin“ gehalten.
Chance: Sie haben sich in Ihren Vortragsabenden auf einen spezifischen Aspekt der Onkologie beschränkt?
Dr. Susanne Pragal: Ausgehend von den drei Säulen der Onkologie, also Prävention, Diagnose und Therapie, habe ich mich auf den medizinisch-onkologischen Bereich beschränkt.
Chance: Das heißt auf die Chemotherapie?
Dr. Susanne Pragal: Nicht nur. Es gibt die klassische Chemotherapie mit Zytostatika, nennen wir es Zellgifte, die Antihormontherapie bei Brustkrebs und Prostatakrebs und dann gibt es die neuen Therapeutika, die nicht nur auf Zellniveau, sondern auf Molekularebene wirken.
Chance: Was ist grundlegend bei der Entscheidung für eine chemotherapische Behandlung?
Dr. Susanne Pragal: Ich muss als Arzt, als Ärzteteam genau wissen, welches Ziel ich habe. Ist mein Ziel die Heilung des Patienten, dann steht weniger das Befinden des Patienten während der Therapie im Vordergrund, also ob er starke oder weniger starke Nebenwirkungen hat, sondern es geht mir um das Endziel, um die Heilung. Bei nichtheilbaren Patienten ist das anders. Hier steht die Lebensqualität im Vordergrund. Wenn ich weiß, dass am Ende der Behandlung keine Heilung zu erwarten ist, weil der Tumor bereits zu weit fortgeschritten ist, dann muss ich mit der Chemotherapie darauf abzielen, den Tumor zu verkleinern, ich muss aber vor allem dem Patienten in der verbleibenden Zeit, das können sechs Monate, das können aber auch Jahre sein, eine höchstmögliche Lebensqualität garantieren! Es ist auch unsere Aufgabe dies mit den Patienten und ihren Angehörigen ganz offen abzusprechen.
Chance: Nicht alle Patienten leiden unter Nebenwirkungen, bzw. nicht unter den gleichen Nebenwirkungen. Woran liegt das?
Dr. Susanne Pragal: Das wissen wir nicht: Es ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt Patienten, die sehr leiden, denen es sehr schlecht geht. Es gibt andere, die mit Müdigkeit zu kämpfen haben und sonst nichts verspüren. Einige können gar nichts tun vor Schwäche, andere gehen sogar ihrer Arbeit nach. Jeder Organismus reagiert auf seine Weise.
Chance: Wie genau wirkt die Chemotherapie ?
Dr. Susanne Pragal: Zunächst ist mir wichtig zu betonen, dass Chemotherapie nicht nur aus giftigen und schädlichen Chemikalien besteht, die meisten Zytostatika bestehen vielmehr aus Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Diese Wirkstoffe wirken auf die Teilungsrate von schnellteilenden Zellen, wie es eben Krebszellen sind. Nur dass eben auch andere Zellen, die sich schnell teilen betroffen werden, wie z. B. die Haare, der Gastrointestinaltrakt oder das Knochenmark. Daher die Nebenwirkungen. Gegen die es aber heute sehr gut wirkende Medikamente gibt, auch gegen die Übelkeit. Diese werden dem Patienten vor der Chemotherapie verabreicht. Wichtig ist auch, sich vor Augen zu halten, dass die Chemotherapie zyklisch verabreicht wird, nicht täglich, sondern alle zwei oder drei Wochen.
Chance: Das heißt, es gibt Ruhepausen für den Körper zwischen dem einen und dem anderen Schub.
Dr. Susanne Pragal: Genau, der Körper kann sich zwischen dem einen und dem anderen Zyklus ausruhen. Nach drei Chemotherapie-Zyklen wird eine Bestandsaufnahme gemacht, um zu sehen, wie die verschriebene Therapie gewirkt hat, ob man damit weiterfahren kann oder ob man andere Kombinationen einsetzt.
Chance: Es gibt neben den Zytostatika noch weitere Medikamente…
Dr. Susanne Pragal: Bei hormonbedingten Krebsformen wie Brustkrebs oder Prostatakrebs erhalten die Patienten eine Antihormontherapie, die auch entsprechende Nebenwirkungen zeigen kann. Bei den Frauen eine vorgezogene Menopause, bei Männern unter Umständen Impotenz und Blasenschwäche, bei beiden Osteoporose.
Chance: Die neuesten Therapien wirken nicht mehr nur auf Zell- sondern auf Molekularbasis?
Dr. Susanne Pragal: Die Antikörpertherapie, genau. Sie wirkt nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Diese Stoffen wirken auf ganz bestimmte Rezeptoren in den Tumorzellen. Das heißt der Pathologe muss im Vorfeld die Zellen genauestens auf diese Rezeptoren bzw. Marker hin auf Molekularebene untersuchen. Sie finden sich nicht in jedem Tumor, bestimmte Zellen haben diese Marker nicht.
Chance: Aber wenn, dann wirken sie ganz spezifisch auf diese Zellen und hemmen deren Wachstum, ohne auf andere Zellen zu wirken, das heißt ohne Nebenwirkungen?
Dr. Susanne Pragal: Nein, ganz so stimmt das nicht. Sie wirken gezielt auf diese bestimmte Zellen, das ist richtig, der Patient verliert z. B. nicht die Haare, aber Nebenwirkungen haben auch diese Mittel. Andere, aber auch zum Teil sehr unangenehme. Sie können z. B. starke Akne sowohl im Gesicht als auch auf dem Dekolleté verursachen oder aber Bluthochdruck.
Chance: Diese Antikörpertherapie kann nicht unbegrenzt angewendet werden, nach ein paar Jahren werden die Zellen resistent. Stimmt das?
Dr. Susanne Pragal: Das ist aber nicht nur ein Problem der Antikörpertherapie, das passiert genauso bei den Zytostatika. Die Tumorzellen sind wie Chamäleons, sie passen sich an und irgendwann reagieren sie nicht mehr. Chemo- und molekularwirkende Therapeutika werden deshalb meist in Kombination verwendet, um dem entgegenzuwirken. Das ist eine weitere Schublade, die wir öffnen können im Kampf gegen den Krebs.

Dr. Susanne Pragal hat in Hamburg studiert und gearbeitet, bevor sie 1995 am Krankenhaus Schlanders tätig wurde, arbeitete sie in der Schweiz. Die Internistin ist spezialisiert auf onkologische Medizin und Palliativ-Behandlung.

In Schlanders hat Dr. Pragal das onkologische Day-Hospital und die Palliativ-Versorgung aufgebaut.

Aktuell

Teufelskraut, Bauchwehblüml, Wurmtod

Das Kräuterwissen Südtirols – Vortrag von Arnold Achmüller

Im Mittelalter sind viele Frauen deswegen auf dem Scheiterhaufen gelandet und als Hexen verbrannt worden. Nicht nur seit der Antike, schon weit vorher wussten die Menschen die Wirksamkeit von Heilkräutern zu nutzen.
Auch der Mann aus dem Eis, Ötzi, hatte eine „Reiseapotheke“ bestehend aus Heilkräutern und Pilzen bei sich. Die Anwendung der Heilkräuter wurde von Mund zu Mund über Generationen weitergetragen – bis in unsere Zeit. Heilkräuter finden sich auch in vielen Arzneimitteln. Am besten wachsen Heilkräuter auf Almwiesen und südlich des Alpenhauptkamms. Südtirol ist demnach ein ideales Gelände.
Arnold Achmüller, in Bruneck geboren und in Taisten aufgewachsen, war von jeher vom Thema Heilpflanzen fasziniert und hat dieses Thema für seine Diplomarbeit zum Abschluss seines Pharmazie-Studiums in Innsbruck und Wien gewählt. Seit 2007 arbeitet er als Apotheker in Wien und ist Referent zum Thema Wildkräuter/ Wildgemüse der Fachschule für Land- und Hauswirtschaft in Dietenheim.
Seine Diplomarbeit hat er vor zwei Jahren zu einem Buch ausgearbeitet. "Teufelskraut, Bauchwehblüml, Wurmtod - Das Kräuterwissen Südtirols“. Das Buch gibt einen ausführlichen Überblick über die Volksmedizin und präsentiert 90 Heilpflanzenportraits, angereichert mit Ratschlägen, mit volkskundlichen Weisheiten und mit interessanten Hinweisen auf die Mythologie. Antike Kräutermedizin gepaart mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Rezepten, um die Hausmittel selbst herzustellen. Auf Einladung der Sektion Oberpustertal hielt Arnold Achmüller Anfang Oktober einen Vortrag über Südtiroler Kräuterwissen in Toblach.
Der Großteil der Südtiroler Bevölkerung lebt auf dem Land und gerade dort ist die Tradition der Kräuterheilkunst noch immer wach. Unsere Vorfahren kannten sich nicht nur aus mit Heilpflanzen, sie wussten auch, wo sie sie am besten pflücken konnten. Großmutters Hustentee ist für viele noch eine wache Erinnerung. Heilpflanzen sind ideal bei jahreszeitlich bedingten Beschwerden wie Halsschmerzen oder Schnupfen. Die Liste der Kräuter, die hier helfen ist lange, bekannte und weniger bekannte Namen wie z. B. Salbei, Johannisbeere, kleine Pibernelle, Anis, Spitzwegerich, Gundermann, Holunder, Gilbweiderich, Kamille und sogar Gänseblümchen. Heilpflanzen sind aber auch gute Helfer gegen Nebenwirkungen bei der Krebstherapie. Blutwurz, Salbei und Scharfgarbe sind zum Beispiel ein erprobtes Hausmittel gegen schmerzhafte Aften. Enzian und Bitterklee helfen bei Appetitlosigkeit, Melisse, Sanddorn und Kamille haben eine anregende Wirkung, Baldrian und Benediktenkraut können Erleichterung bei Niedergeschlagenheit schaffen. Edelweiß hilft gegen Bauchschmerzen, Arnika und Johanneskraut bei rheumatischen Schmerzen. Getrocknete Rosenwurz schließlich hatten schon die Wikinger auf ihren Fahrten dabei, heute wird sie gegen Burn-Out-Syndrome eingesetzt.
Das Buch ist im Raetia Verlag erschienen, Arnold Achmüller, „Teufelskraut, Bauchwehblüml, Wurmtod – Das Kräuterwissen Südtirols“, 2013.