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Starke Knochen

Vortragsabend Krebs und Osteoporose – Behandlung mit Bisphosphonaten

Osteoporose, auf Deutsch Knochenschwund, ist nicht nur ein Problem von Frauen nach der Menopause, sondern betrifft auch Männer und ist eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung bei der Krebstherapie mit Antihormon-Präparaten.
Der Primar der Gynäkologie in Meran Dr. Herbert Heidegger und Dr. Cristina Tomasi, Internistin und Präsidentin des Onlus Osteoporose Vereins gestalteten im Oktober in Meran gemeinsam einen Vortragsabend zum Thema Krebs und Knochengesundheit. Mehr als hundert Teilnehmer sind der Einladung gefolgt.
An die Knochen denkt eigentlich niemand. Schon gar nicht in jungen Jahren. Wie wichtig diese innere Stütze ist, merken wir erst, wenn ein Knochen bricht. Osteoporose ist ein weit verbreitetes Phänomen, das gerne unterschätzt wird. Es betrifft häufig(er) Frauen, aber nicht nur. Der Knochen ist ab der Pubertät bei beiden Geschlechtern ein sexualhormonabhängiges Organ. Auch Männer haben ab einem Alter von 65 Jahren ein erhöhtes Risiko an Knochenschwund zu erkranken. Hüfte, Oberschenkelhals und Halswirbel sind bei Osteoporosepatienten besonders gefährdet. Bei älteren Frauen kann eine solche Fraktur in 20 – 25 % der Fälle zum Tod führen, bei Männern sind es 37 %.
Die Weichen werden bereits früh gestellt, erklärte die Internistin Cristina Tomasi. „Zwischen 11 und 14 Jahren ist eigentlich alles schon entschieden.“ Einseitige, zu fetthaltige und vitaminarme Ernährung, zu wenig Bewegung, zu viel Zucker, Fertiggerichte aus der Mikrowelle, zu viele Antibiotika und Kortison stehen der Knochenbildung bzw. Knochenverdichtung entgegen und sind leider eine Konstante bei vielen Kindern und Jugendlichen.
Knochendichtemessung

Grundsätzlich sei es jedem, egal ob Mann oder Frau, so Dr. Cristina Tomasi, zu empfehlen, sich zwischen 50 und 60 Jahren einer Knochendichtemessung, bzw. Osteodensitometrie zu unterziehen. Entweder mittels  Dual-Röntgen-Absorptiometrie-Verfahren (engl. dual-energy X-ray absorptiometry, DXA oder DEXA). Mit dieser Untersuchung, die nur mit geringer Strahlenbelastung verbunden ist, kann die genaue Knochenmasse ermittelt werden. Auch eine Ultraschalluntersuchung der Nackenwirbel, des Oberschenkelhalses oder der Ferse kann Aufschluss über das individuelle Osteoporose-Risiko geben.
„Knochennahrung“ sind Calzium, wie es z. B. in Milchprodukten enthalten ist, frischer Fisch, Vitamin D, Vitamin K2 oder Magnesium. Vitamin D wird zu 85 % über die Sonnenbestrahlung gebildet, ungefährlich ist diese am Morgen und am späten Nachmittag. In den Wintermonaten sei es jedem zu empfehlen, Kindern wie Erwachsenen, einmal wöchentlich eine Dosis Vitamin K2 zu sich zu nehmen. Zur Osteoporoseprophylaxe gehören neben einer ausgewogenen Ernährung, dem Verzicht auf Zigaretten auch regelmäßige Bewegung und Belastung der Knochen. Ein gesunder Lebensstil also, der auch gegen Krebs schützen kann.

Primar Dr. Heidegger befasste sich in seinem Vortrag mit einem der unerwünschten Nebeneffekte der an sich erfolgreichen Antihormontherapie von Patientinnen mit Brustkrebs. Immerhin zwei Drittel der Betroffenen, denen der Tumor operativ entfernt worden ist, weisen einen hormonsensitiven Tumortyp auf. Klinische Studien, so Heidegger, haben gezeigt, dass adjuvante Antihormontherapien, vor allem mit sogenannten Aromatasehemmern oder GnRH-Analoga zwar in erheblichem Maße das Risiko verringern, neuerlich Krebs zu bekommen, gleichzeitig können sie aber zu einem Verlust von Knochendichte, d. h. zu Osteoporose führen. Dies gerade auch bei jungen Patientinnen, die vorzeitig in eine künstliche Menopause versetzt werden und zu früh auf den natürlichen Östrogen-Schutz gegen Osteoporose verzichten müssen. Knochenschwund ist auch ein Problem von Männern mit Prostata-Krebs, die mit Antihormonmitteln behandelt werden. 
Frauen in Antihormonbehandlung, die schon eine verminderte Knochenstabilität aufweisen, so Dr. Heidegger, können erfolgreich mit Biphosphonaten behandelt werden. Gleichzeitig kommen Biphosphonate zum Einsatz, wenn schon Metastasen in den Knochen vorliegen. Sie können knochenkrebsbedingten Störungen wie Schmerzen, Beeinträchtigung der Herztätigkeit oder der Nierenfunktion sowie weiterer Stoffwechselbeeinträchtigungen entgegenwirken.
Dieses Medikament reduziert laut Studien das Auftreten von Knochenmetastasen bei Frauen nach der Menopause um 34 % und die brustkrebsspezifische Mortalität um 17 %.
Ob Bisphosphonate, zumindest bei Frauen nach der Menopause, auch zur generellen Vorbeugung von Knochenmetastasen bei nicht an Krebs erkrankten Frauen geeignet sind, wird unterschiedlich beurteilt. Studien des WHI scheinen darauf hinzuweisen, dass postmenopausale Frauen, die wegen Osteoporose mit Bisphosphonaten behandelt werden, ein deutlich niedrigeres Brustkrebsrisiko haben. Etwa 30 % der Frauen mit frühem Brustkrebs und ca. 65 – 75 % aller Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs entwickeln Knochenmetastasen. Tumorzellen können laut Dr. Heidegger bis zu 10 – 15 Jahren im Knochenmark „schlafen“ und dann irgendwann beginnen sich zu vermehren.
Bisphosphonate werden entweder als Infusion oder in Tablettenform verabreicht. Als Nebenwirkungen können Nebennierenfunktionsstörungen auftreten, die sich z. B. durch Übelkeit, Sodbrennen, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Bluthochdruck bemerkbar machen. Bei längerfristiger Behandlung mit Bisphosphonaten kann es zu einer Nekrose des Kieferknochens kommen.

Dr. Herbert HeideggerDr. Herbert Heidegger


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Tumorzellen sind wie Chamäleons

Vortragsreihe im Vinschgau zum Thema: Was ist Chemotherapie?

Chemotherapie ist nicht gleich Chemotherapie. Die Internistin Dr. Susanne Pragal, seit 1995 am Krankenhaus Schlanders im Bereich onkologische Medizin tätig, hat im Oktober und November auf Einladung der Krebshilfe in verschiedenen Orten des Vinschgaus Vorträge zum Thema „Was ist Chemotherapie – Möglichkeiten und Grenzen der onkologischen Medizin“ gehalten.
Chance: Sie haben sich in Ihren Vortragsabenden auf einen spezifischen Aspekt der Onkologie beschränkt?
Dr. Susanne Pragal: Ausgehend von den drei Säulen der Onkologie, also Prävention, Diagnose und Therapie, habe ich mich auf den medizinisch-onkologischen Bereich beschränkt.
Chance: Das heißt auf die Chemotherapie?
Dr. Susanne Pragal: Nicht nur. Es gibt die klassische Chemotherapie mit Zytostatika, nennen wir es Zellgifte, die Antihormontherapie bei Brustkrebs und Prostatakrebs und dann gibt es die neuen Therapeutika, die nicht nur auf Zellniveau, sondern auf Molekularebene wirken.
Chance: Was ist grundlegend bei der Entscheidung für eine chemotherapische Behandlung?
Dr. Susanne Pragal: Ich muss als Arzt, als Ärzteteam genau wissen, welches Ziel ich habe. Ist mein Ziel die Heilung des Patienten, dann steht weniger das Befinden des Patienten während der Therapie im Vordergrund, also ob er starke oder weniger starke Nebenwirkungen hat, sondern es geht mir um das Endziel, um die Heilung. Bei nichtheilbaren Patienten ist das anders. Hier steht die Lebensqualität im Vordergrund. Wenn ich weiß, dass am Ende der Behandlung keine Heilung zu erwarten ist, weil der Tumor bereits zu weit fortgeschritten ist, dann muss ich mit der Chemotherapie darauf abzielen, den Tumor zu verkleinern, ich muss aber vor allem dem Patienten in der verbleibenden Zeit, das können sechs Monate, das können aber auch Jahre sein, eine höchstmögliche Lebensqualität garantieren! Es ist auch unsere Aufgabe dies mit den Patienten und ihren Angehörigen ganz offen abzusprechen.
Chance: Nicht alle Patienten leiden unter Nebenwirkungen, bzw. nicht unter den gleichen Nebenwirkungen. Woran liegt das?
Dr. Susanne Pragal: Das wissen wir nicht: Es ist individuell sehr unterschiedlich. Es gibt Patienten, die sehr leiden, denen es sehr schlecht geht. Es gibt andere, die mit Müdigkeit zu kämpfen haben und sonst nichts verspüren. Einige können gar nichts tun vor Schwäche, andere gehen sogar ihrer Arbeit nach. Jeder Organismus reagiert auf seine Weise.
Chance: Wie genau wirkt die Chemotherapie ?
Dr. Susanne Pragal: Zunächst ist mir wichtig zu betonen, dass Chemotherapie nicht nur aus giftigen und schädlichen Chemikalien besteht, die meisten Zytostatika bestehen vielmehr aus Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Diese Wirkstoffe wirken auf die Teilungsrate von schnellteilenden Zellen, wie es eben Krebszellen sind. Nur dass eben auch andere Zellen, die sich schnell teilen betroffen werden, wie z. B. die Haare, der Gastrointestinaltrakt oder das Knochenmark. Daher die Nebenwirkungen. Gegen die es aber heute sehr gut wirkende Medikamente gibt, auch gegen die Übelkeit. Diese werden dem Patienten vor der Chemotherapie verabreicht. Wichtig ist auch, sich vor Augen zu halten, dass die Chemotherapie zyklisch verabreicht wird, nicht täglich, sondern alle zwei oder drei Wochen.
Chance: Das heißt, es gibt Ruhepausen für den Körper zwischen dem einen und dem anderen Schub.
Dr. Susanne Pragal: Genau, der Körper kann sich zwischen dem einen und dem anderen Zyklus ausruhen. Nach drei Chemotherapie-Zyklen wird eine Bestandsaufnahme gemacht, um zu sehen, wie die verschriebene Therapie gewirkt hat, ob man damit weiterfahren kann oder ob man andere Kombinationen einsetzt.
Chance: Es gibt neben den Zytostatika noch weitere Medikamente…
Dr. Susanne Pragal: Bei hormonbedingten Krebsformen wie Brustkrebs oder Prostatakrebs erhalten die Patienten eine Antihormontherapie, die auch entsprechende Nebenwirkungen zeigen kann. Bei den Frauen eine vorgezogene Menopause, bei Männern unter Umständen Impotenz und Blasenschwäche, bei beiden Osteoporose.
Chance: Die neuesten Therapien wirken nicht mehr nur auf Zell- sondern auf Molekularbasis?
Dr. Susanne Pragal: Die Antikörpertherapie, genau. Sie wirkt nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Diese Stoffen wirken auf ganz bestimmte Rezeptoren in den Tumorzellen. Das heißt der Pathologe muss im Vorfeld die Zellen genauestens auf diese Rezeptoren bzw. Marker hin auf Molekularebene untersuchen. Sie finden sich nicht in jedem Tumor, bestimmte Zellen haben diese Marker nicht.
Chance: Aber wenn, dann wirken sie ganz spezifisch auf diese Zellen und hemmen deren Wachstum, ohne auf andere Zellen zu wirken, das heißt ohne Nebenwirkungen?
Dr. Susanne Pragal: Nein, ganz so stimmt das nicht. Sie wirken gezielt auf diese bestimmte Zellen, das ist richtig, der Patient verliert z. B. nicht die Haare, aber Nebenwirkungen haben auch diese Mittel. Andere, aber auch zum Teil sehr unangenehme. Sie können z. B. starke Akne sowohl im Gesicht als auch auf dem Dekolleté verursachen oder aber Bluthochdruck.
Chance: Diese Antikörpertherapie kann nicht unbegrenzt angewendet werden, nach ein paar Jahren werden die Zellen resistent. Stimmt das?
Dr. Susanne Pragal: Das ist aber nicht nur ein Problem der Antikörpertherapie, das passiert genauso bei den Zytostatika. Die Tumorzellen sind wie Chamäleons, sie passen sich an und irgendwann reagieren sie nicht mehr. Chemo- und molekularwirkende Therapeutika werden deshalb meist in Kombination verwendet, um dem entgegenzuwirken. Das ist eine weitere Schublade, die wir öffnen können im Kampf gegen den Krebs.

Dr. Susanne Pragal hat in Hamburg studiert und gearbeitet, bevor sie 1995 am Krankenhaus Schlanders tätig wurde, arbeitete sie in der Schweiz. Die Internistin ist spezialisiert auf onkologische Medizin und Palliativ-Behandlung.

In Schlanders hat Dr. Pragal das onkologische Day-Hospital und die Palliativ-Versorgung aufgebaut.