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Mit Ruderschlägen gegen den Krebs

Dragon Boat Wochenende in Venedig für die Frauen der Bewegungstherapie
Ein Training der ganz besonderen Art haben die Mitglieder der Bewegungstherapie des Brustzentrums Meran und der Bonvicini-Klinik in Bozen absolviert: Einführung in das Dragon Boat Rudern mit Trocken- und Rudertraining in der Lagune von Venedig. Ein Bericht von Valentina Vecellio.
Dragon Boat Rudern ist eine Sportart, die gerade für brustoperierte Frauen sehr geeignet ist, besonders für die Rehabilitation der durch Operation und Strahlentherapie in Mitleidenschaft gezogenen Beweglichkeit im Schulter-Armbereich. Valentina Vecellio, zertifizierte klinisch-onkologisches Sporttrainerin und selbst Betroffene, begleitete die Gruppe. Schon 1996 hat der kanadische Sportarzt Don McKenzie diese Therapie durch ein Pink Ladies Pilotprojekt bekannt gemacht, an dem sich damals 24 Frauen beteiligt hatten.
Die Tradition des Dragon Boat Ruderns stammt aus China und wurde schon im 5. Jahrhundert von den Fischern praktiziert, um sich die Flussgötter wohlgesinnt zu machen. Die schmalen und langen Boote haben die stilisierte Form eines Drachens und bieten Platz für 10 bis 20 Personen, begleitet vom Steuermann und einem Tamburin, das den Rythmus angibt.
Nach drei Tagen unermüdlichen Trainings in der Halle und mit den Booten hatten die Südtiroler Pink Ladies die Ehre unter Anleitung von “Kapitän“ Andrea Bedin, Präsident der Venice Canoe & Dragon Boat a.s.d., den Canal Grande entlangzufahren. Eine unbeschreibliche Erfahrung war es, Gondeln gleich elegant unter den Brücken durchzugleiten, angeheuert von zahlreichen Touristen und Venezianern, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Und keine Frage: wie die echten Gondolieri erhoben auch die Südtirolerinnen unter den Brücken ihre Ruder zum symbolischen Gruß gen Himmel.
Auf dem Wasser der Kanäle erlebten die Frauen ein Venedig, wie es sonst nur wenige sehen, jenseits der Touristenwege. Jenes der vollgehängten Wäscheleinen, des Alltags in einer der schönsten Städte der Welt. Und das alles im Zeichen der Solidarität und der Gemeinschaft, des Team-Buildings und der Selbsterkenntnis, der wertvollen Erfahrung, „Wir sitzen alle in einem Boot“. Dragon Boat Rudern stärkt nicht nur Arme und Schultern, sondern auch den Geist und das Selbstbewusstsein.
Valeria Paolini hat das Südtiroler Team in besonderem Maße unterstützt. Gebürtig aus Mestre, hat auch sie nach ihrer Brustkrebserkrankung das Dragon Boat kennengelernt. Dank dieser sportlichen Aktivität hat sie nicht nur ihr physisches Gleichgewicht wiedergefunden, sondern auch ihre Depression überwunden. 2016 hat sie an der Olympiade in Moskau teilgenommen.
Das Training besteht aus dem Erlernen der Basis-Manöver, der Auswahl der beiden Hauptruderinnen, das Erlernen der Signale, die den Rythmus angeben, das Rudern nach Anweisung und das intuitive Rudern. Und das war auch der magischste Augenblick des Wochenendes: Als es gelungen ist, ohne Anweisung und alle im gleichen Rythmus auf dem Boot durch das Wasser zu gleiten und die Ruder im gleichen Takt die Wasseroberfläche einschnitten.
Steuermann Andrea Bedin war überrascht von der Ausdauer der Frauen und von ihrer Willenskraft. „Noch ein paar Trainingsstunden mehr und nächstes Jahr könnt ihr an der “Voga Longa” teilnehmen!" Das regelmäßige Training mit Valentina Vecellio in der Bewegungstherapie, ob in der Halle oder im Schwimmbad, hat den Frauen Kraft und Ausdauer verliehen.
Und es war auch Valentina, die mit Hartnäckigkeit und Ausdauer das Projekt Dragon Boat vorangetrieben hat. Die Südtiroler Krebshilfe ist ihr entgegen gekommen und hat großzügig das Dragon Boat Training finanziert, so dass die Frauen nur die Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Reise tragen mussten. Ein Traum ging in Erfüllung!
Zurück von Venedig haben die Frauen der Bewegungstherapie nicht nur neues Selbstvertrauen gefunden, sie sind nun auch Teil eines weltweiten Netzwerkes von über 200 Dragon Boat Gruppen in 26 Ländern. Und wer weiß, bei der nächsten Voga Longa geht vielleicht tatsächlich ein Boot mit rosa Besatzung an den Start!
Die stolzen Pink Ladies aus Südtirol mit ihren Dragonboat-Trainern und mit Valeria Paolini
Links: Die Besatzung des Dragonboats / Rechts: Andrea Bedin mit Valentina Vecellio

Aktuell

Das Recht auf Leben…

…und auf ein Sterben in Würde – Tagung zum Thema Patientenverfügung
Die Podiumsdiskussion
Wohlgemerkt: Eine Patientenverfügung wird erst dann aktuell, wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen über die Modalitäten seines Lebensendes zu treffen. Das Gesetz 219/2017, das jedem Bürger dieses Recht einräumt, ist in Italien im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern mit großer Verspätung in Kraft getreten. „Das Recht auf Leben – Die Patientenverfügung, Selbstbestimmung und Würde des Menschen“ war der Titel einer Tagung am 11. Mai in der Eurac in Bozen.
Im Auditorium der Eurac referierten namhafte Fachleute, Ärzte, Notare, Richter, Rechtsanwälte, Universitätsdozenten wie Giovanni Maria Flick, Prof. Emeritus für Strafrecht an der Universität „Luiss“ in Rom und ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Carlo Casalone, Professor für Moraltheologie an der päpstlichen Fakultät für Theologie von Süditalien, Mitglied der Päpstlichen Akademie Pro Vita, Pasquale Fimiani, stellvertretender Generalstaatsanwalt am Kassationsgericht. Sie beleuchteten die verschiedenen rechtlichen, moralischen und medizinischen Aspekte des Gesetzes.
Organisiert worden ist die Tagung von der Notariatskammer Bozen in Zusammenarbeit mit der Autonomen Provinz Bozen, der Gemeinde Bozen, dem Dachverband für Soziales und Gesundheit und der Sparkasse. Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion unter der Leitung von Dolomiten Chefredakteur Toni Ebner mit Elsa Vesco, Präsidentin Landesgericht Bozen; Martin Schwab, Notar in München; Martin Telser, Präsident des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit und Werner Teutsch, Präsident des Vereins für Sachwalterschaft.
Während der Gesprächsrunde traten Zweifel und Fehlmeinungen zu Tage, die auch in der öffentlichen Meinung präsent sind, vor allem über den richtigen Zeitpunkt der Erstellung. Diese Verfügung ist Ergebnis einer grundsätzlichen Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Welche medizinische Behandlungen sollen bei schweren und unheilbaren Krankheiten oder im Falle eines Wachkomas durchgeführt werden und welche nicht. Will ich, dass bis zum Schluss alles nur Mögliche an Therapien versucht wird – denn auch das kann ich mit der Patientenverfügung bestimmen (!) - oder ziehe ich vor, dass im aussichtslosen Fall auf unnötig lebensverlängernde Behandlungen (die genau definiert sind) verzichtet wird.
Jeder Bürger über 18 Jahre kann eine Patientenverfügung ausstellen. Es gibt Vordrucke im Internet, z. B. auf der Seite des Südtiroler Ethikkomitees, das eindeutig Position für die Patientenverfügung bezogen hat, oder beim Hausarzt, der auch die beste Hilfestellung beim Ausfüllen der Verfügung leisten kann. Die Patientenverfügung kann kostenlos beim Hausarzt oder beim Standesamt der Wohnsitzgemeinde hinterlegt werden. Vereinigungen wie z. B. Socrem übernehmen dies auch. Die Verfügung kann kostenpflichtig außerdem beim Anwalt oder Notar des Vertrauens hinterlegt werden. Es empfiehlt sich in der Patientenverfügung eine Vertrauensperson zu benennen, der auch eine Kopie der Verfügung zur Aufbewahrung ausgehändigt werden sollte. Der Aussteller selbst sollte seine Kopie an einem gut erreichbaren Ort aufbewahren.
Bürokratie bremst
Am 22. Dezember ist es verabschiedet worden und am 1. Februar ist es in Kraft getreten, das Gesetz 219/2017 über die Patientenverfügung. Aber noch immer gibt es keine eindeutigen Durchführungsbestimmungen. Von Gemeinde zu Gemeinde gibt es unterschiedliche Bestimmungen für die Annahme dieser Verfügung. Die Bürger müssen sich aus eigenem Antrieb Informieren. Von öffentlicher Seite wird bisher nicht für das Gesetz geworben. Mehr oder weniger detaillierte Modelle für die Patientenverfügung kann man im Internet finden: Auf den Seiten des Sanitätsbetriebs, des Ethikkomitees, der Vereinigung Luca Coscioni, oder Umberto Veronesi usw. Nur wenige Bürger haben das Gesetz bisher genutzt (vgl. Chance 1/2018, Anm. d. Red.). Am Standesamt Bozen wurden bis Mitte Juni 40 Patientenverfügungen deponiert, in Trient 66. Aus Rom liegen keine Zahlen vor, dort ist der Dienst vorläufig aufgehoben, in Mailand sind es seit 31. Januar 958, 125 in Turin, 22 in Neapel, 9 in Palermo.