Thema

Technik und Medizin

Die Abteilung für Pneumologie und pneumologische Funktionsproben Bozen
Sie ist das Referenzzentrum für Südtirol, die Abteilung für Pneumologie und pneumologische Funktionsproben am Krankenhaus Bozen. Modern ausgerüstete Ambulatorien, 25 Betten, davon 7 für Sub-Intensivpflege, 1 Day-Hospital-Bett. Die Patienten haben Atembeschwerden verschiedenster Ursache, Bronchialasthma, sind Allergiker, leiden an Lungenfibrose oder Infektionen... Etwa 20% der Patienten haben Lungenkrebs.
Die Abteilung wurde bis Ende November von Dr. Giulio Donazzan geleitet, bis sein Nachfolger bestimmt wird, ist Dr. Lucio Bonazza geschäftsführender Primar der Pneumologie. Die Abteilung zählt insgesamt 14 Ärzte, 21 Krankenpfleger und 5 medizinisch-technische Assistenten. Michele Bertuzzo ist geschäftsführender Pflegekoordinator. Dr. Lucio Bonazza und Dr. Christine Seebacher, Koordinatorin des pneumologischen Tumorboards, haben der Chance die Abteilung vorgestellt, die sich auf zwei Ebenen im Krankenhaus erstreckt. Die Funktionsproben im ersten Stock und die Abteilung mit den im Krankenhaus stationär aufgenommenen Patienten im dritten Stock. Die Funktionsproben wie Spirometrien, thorakale Endoskopien (Bronchoskopien) entfallen etwa zu 30% auf Tumorpatienten, da die Lunge auch anfällig ist für Metastasen. Pro Jahr werden mehr als 1.100 Bronchoskopien durchgeführt, die Abteilung verfügt über zehn Bronchoskopie-Geräte.
Lungenkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung bei Männern und Frauen und gleichzeitig jene mit den ungünstigsten Prognosen, was Heilung und Überleben betrifft. Im Jahr 2016 erkrankten in Südtirol 168 Männer an Lungenkrebs und 74 Frauen, diese Zahlen liegen geringfügig unter dem nationalen Durchschnitt. Bei Männern ist Lungenkrebs mit 22% auch die häufigste krebsbedingte Todesursache, bei Frauen sind es 10% der krebsbedingten Todesfälle.
In den letzten Jahren zeichnet sich ein Trend ab, der gesellschaftlich bedingt ist. Männer tendieren zunehmend dazu, das Rauchen aufzugeben oder zumindest einzuschränken, immer mehr Frauen greifen hingegen zur Zigarette. „Rauchen ist die Hauptursache von Lungenkrebs“, bestätigen Dr. Bonazza und Dr. Seebacher, „85 – 90% der Erkrankungen betreffen Raucher.“ Auch passiver Rauch kann Lungenkrebs hervorrufen. Dass Tabakkonsum Lungenkrebs hervorruft, ist auch historisch nachgewiesen. Vor der Verbreitung des Rauchens war Lungenkrebs als Krankheit nicht bekannt. Bei Autopsien, die 1878 bei Krebskranken durchgeführt wurden, hatte ein Prozent der Verstorbenen Lungenkrebs. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg diese Zahl auf 10 – 15%. 1929 wurde erstmals der direkte Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Rauchen dokumentiert. Im Zigarettenrauch sind mehr als 60 krebserregende Substanzen enthalten!
Andere krebsauslösende Substanzen sind Feinstaub, Asbest, Aluminium, Chrom und Nickel sowie Radon 222.
Das Raucherrisiko steigt mit der Anzahl der gerauchten Zigaretten und der Dauer des Rauchens. Wer mit dem Rauchen aufhört, ist von Jahr zu Jahr weniger gefährdet. Was die wenigsten wissen: Auch die elektronische Zigarette schadet der Gesundheit. Sie enthält Nikotin und verschiedene Metalle, die ebenso gesundheitsschädigend sind., bzw. als krebserregend gelten.
Lungenkrebs wird im Frühstadium meist durch Zufall entdeckt, wenn der Patient aus anderen Gründen eine Röntgenaufnahme der Lunge macht. Dr. Bonazza: „Zufallsbefunde versprechen die höchste Heilungsquote, weil der Tumor, wenn er in einem Frühstadium entdeckt wird, noch operabel ist. Und nur dann!" Im Jahr 2015 wurden in Bozen 53 Lungenresektionen vorgenommen, Thorax-Chirurgie gibt es nur am Landeskrankenhaus.
Bevor der Patient allerdings dieser Operation unterzogen wird, muss abgecheckt werden, ob sein Organismus in der Lage ist, mit verminderter Lungenfläche zu leben. Das heißt, er wird einer Spirometrie unterzogen, sowie diversen Stresstests für Herz- und Kreislaufsystem. „Die internationale Lungengesellschaft gibt verschiedene kodifizierte Parameter vor, die einen solchen Eingriff rechtfertigen oder nicht“, erklärt Dr. Bonazza.
Symptome treten bei einem Lungenkrebs erst in fortgeschrittenem Stadium auf, wenn der Tumor schon relativ ausgebreitet ist und bereits gestreut hat. Metastasen werden meist in Gehirn, Leber, Nebennierenrinde oder den Knochen gebildet. Symptome wie Husten (75%), Atemnot (60%), Bluthusten (35%), Schwäche (10%) werden von Rauchern meist mit den üblichen Beschwerden eines Rauchers verwechselt. Auch Gewichtsabnahme, Fieber und Knochenschmerzen können Hinweise auf einen Lungenkrebs sein. Ergibt ein Röntgenbild den Verdacht auf Lungenkrebs, wird der Patient weiteren Untersuchungen unterzogen, um die Art der Neoplasie zu bestimmen. Eine gründliche Anamnese, die auch Aufschluss über mögliche genetische Faktoren gibt, eine CT (Computertomographie) von Thorax, Oberbauch und Schädel, eine Bronchoskopie mit Biopsie, wobei zwischen innerer (Lungen) und äußerer (Thorax) Biopsie unterschieden wird, eine Echographie der Leber, eine Knochen-Zintigraphie und eine Magnetresonanz.
Sind alle Daten bei der Hand, legt das pneumologische Tumorboard, das jeden Mittwochnachmittag zusammentritt, die Therapie fest. Mitglieder dieses Gremiums sind: Dr. Christine Seebacher als Koordinatorin und ihr Kollege aus der Pneumologie, Dr. Gerhard Kainz, Dr. Emanuela Vattemi und Dr. Giovanni Di Meglio für die Onkologie, die Thoraxchirurgen Dr. Francesco Zaracca und Dr. Birgit Feil, die Pathologen Dr. Rodolfo Carella und Dr. Christine Mian sowie die Biologin Dr. Esther Hanspeter, der Nuklearmediziner Dr. Mohsen Fahrsad, der Radiologe Dr. Antonio Ruiu und für die Radiotherapie Dr. Said Bou Selman und Dr. Michela Rosa.
Das onko-pneumologische Team (v. li. n. re.): Krankenpfleger Fabrizio Demichiei, Dr. Lucio Bonazza, Vize-Koordinator Stefano Guzzo, Dr. Christine Seebacher und Dr. Johanna Köhl
„Die Kunst ist", so Dr. Seebacher, „für jeden Patienten die richtige Therapiekombination zu finden.“ Das Tumorboard ist vernetzt mit den Universitätskliniken Verona, Bologna und Mailand sowie mit der Thoraxchirurgie Innsbruck.
Neben der Operation, die wie bereits erwähnt nur bei Frühdiagnosen in Frage kommt, gibt es verschiedene Therapie-Ansätze, die auch kombinierbar sind, angefangen von der klassischen Chemotherapie mit Zellgiften, über personalisierte Behandlungen auf molekular-biologischer Basis und Immuntherapie. Die Überlebensrate nach fünf Jahren ist beim Lungenkrebs allerdings nicht sehr hoch: In Italien liegt sie bei rund 16%, in Europa bei 13%, in Südtirol bei Männern bei 14% und bei Frauen bei 18%. Nach zehn Jahren sind es 12%. (11% Männer und 15% Frauen).
„Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen kleinzelligen (10 -15% der Fälle) und nicht kleinzelligen Tumoren“, erklärt Dr. Christine Seebacher. „Die kleinzelligen sind seltener, aber auch äußerst aggressiv mit sehr ungünstiger Heilungsprognose.“ Die nicht-kleinzelligen Tumore teilen sich ebenfalls in unterschiedliche Gruppen auf. Das Adenokarzinom ist dabei die häufigste Lungenneoplasie, bei Frauen über 50% der Fälle. Interessant ist, dass der Organismus von Frauen anders reagiert als jener der Männer. So ist z. B. die Wirkung von Zigaretten bei Frauen doppelt so stark: zehn Zigaretten einer Frau entsprechen zwanzig Zigaretten eines Mannes! „Und der weibliche Organismus braucht auch länger, bis er sich wieder regeneriert, wenn sie mit dem Rauchen aufhören.“ Zum Aufhören ist es trotzdem nie zu spät, betonen Dr. Bonazza und seine Kollegin Seebacher. Und: es gibt keine moralische Verurteilung eines Patienten, weil er raucht.
Ein Screening gibt es (noch) nicht und es ist auch nicht sicher, ob je eines eingeführt wird, zu viele Fragen sind noch zu klären: wer, ab welchem Alter, in welchen Abständen, mit Verpflichtung zur Rauchentwöhnung, mit welchen Untersuchungen und vor allem: ist das Ganze finanzierbar? Nichtrauchen ist in jedem Fall der beste Schutz, um Lungenkrebs zu verhüten.

Aktuell

Öffentliche Medizin auf hohem Niveau

Dr. Giulio Donazzan, Primar der Pneumologie nach 40 Dienstjahren in Pension
Die Abteilung Pneumologie im dritten Stock des Bozner Krankenhauses
Am 28. November, seinem letzten Arbeitstag, waren es auf den Tag 40 Jahre, dass Dr. Giulio Donazzan seinen Dienst in der Pneumologie am Krankenhaus Bozen angetreten hat. Seit 1999 hat er die Abteilung, die sich besonders unter dem technologischen Aspekt rasant weiterentwickelt hat, als Primar geleitet. Er war Präsident der Ärztekammer und der Gewerkschaft der Primare (ANPO).
Primar Dr. Giulio Donazzan
Dr. Donazzan ist einer der neun Primare, die im Lauf des Jahres 2017 in Pension gegangen sind, weitere acht Abteilungen sind bereits seit mehreren Jahren ohne Primar und werden von stellvertretenden Primaren geleitet.
Chance: Wie fühlt man sich, wenn man nur noch wenige Wochen zu arbeiten hat (das Interview fand Anfang Oktober statt)?
Dr. Donazzan: Sehr gut, vor allem, weil ich im Augenblick dabei bin, meine verbliebenen Ferientage aufzubrauchen. Mir bleiben noch einige Dinge zu klären in der Abteilung, bürokratische Dinge für die Pension. Eine Tagung bleibt noch zu organisieren, ja und dann werde ich alles übergeben.
Chance: Aber Sie werden der Medizin nicht ganz den Rücken kehren?
Dr. Donazzan: Nein, ich werde weiterhin privat tätig sein, mit weniger Stress und weniger Bürokratie hoffe ich, ich werde mir Zeit nehmen für Tätigkeiten im Volontariat und ich werde mich Dingen widmen können, die bisher zu kurz gekommen sind, zum Beispiel Reisen.
Chance: Abgesehen von einigen Stages in Italien und im Ausland haben Sie immer am Krankenhaus Bozen gearbeitet. 40 Jahre lang.
Dr. Donazzan: Ja, und ich denke, dass ich wirklich viel Glück hatte. In all diesen Jahren ist es mir gelungen, in einem öffentlichen Betrieb Medizin auf hohem Niveau zu betreiben. Ich hatte mich ganz bewusst für eine Arbeit in einer öffentlichen Institution entschieden, und ich habe das nie bereut! Mein Vater war ein privat niedergelassener Arzt gewesen. Aber darüberhinaus habe ich auch eine sehr bedeutende technologische Entwicklung mitleben und begleiten können, ich habe für fast zwanzig Jahre die Leitung eine Abteilung übernehmen können und ich habe in einem Bereich gearbeitet, der mich außerordentlich interessiert hat!
Chance: Pneumologie war aber nicht ihre erste Wahl.
Dr. Donazzan: Nein, ich habe mich zunächst in Arbeitsmedizin und in Sportmedizin spezialisiert. Ich habe in Padua studiert und damals war die Lunge, Lungenkrankheiten auch in der Arbeitsmedizin ein wichtiges Thema, wie auch in der Sportmedizin. Am Schluss habe ich mich für Pneumologie entschieden, weil ich doch eine klinische Tätigkeit und den Kontakt mit dem Patienten suchte.
Chance: Was ist wichtig in der Beziehung mit dem Patienten?
Dr. Donazzan: Eine korrekte und verständliche Kommunikation. Wer dir zuhört, muss auch verstehen, was du ihm mitteilst. Wenn der Patient versteht, gewinnt er Zutrauen zum Arzt und fühlt sich gut aufgehoben. Wobei es natürlich alles andere als leicht ist, jemandem mitzuteilen, dass er einen Lungenkrebs hat. Das wird in den meisten Fällen aufgenommen wie ein Todesurteil. Deshalb ist es auch wichtig, so eine Situation nicht mit dem Patienten alleine anzugehen, sondern die Familie bzw. Personen, die dem Patienten nahestehen miteinzubeziehen. Man muss sich Zeit nehmen, alles gut zu erklären und darf ihm nicht die ganze Hoffnung nehmen. Auf jeden Fall ist die Pneumologie nach der Geriatrie und der Intensivstation die Abteilung mit der höchsten Sterberate, auch wenn diese seit der Gründung der Palliativabteilung etwas gesunken ist.
Chance: Und wie wird man mit so etwas fertig? Nimmt man diese Gedanken am Abend mit nach Hause?
Dr. Donazzan: Nein, nach Hause habe ich sie nie mitgenommen, obwohl sie dich manchmal natürlich verfolgen. Sagen wir, eine gewisse Tristesse ist nicht immer auszuschließen. Ich fand es immer sehr praktisch, dass ich mit dem Rad zur Arbeit gefahren bin. Das war für mich immer der Moment des Aufräumens im Kopf! Der Übergang von einer Realität in die andere. Was ich immer mit nach Hause genommen habe, ist hingegen das Bewusstsein, großes Glück zu haben, weil ich gesund bin. Zwei von drei Personen begegnen irgendwann in ihrem Leben einem Krebs.
Chance: Ihre Abteilung ist sehr komplex. 18 Betten, 7 Sub-Intensivbetten und eine ganze Reihe von technischen Labors für Funktionsproben, Biopsien usw. Eine Entwicklung, die vor allem unter ihrer Leitung in den letzten zwanzig Jahren vonstatten gegangen ist.
Dr. Donazzan: Die Arbeit hat sich sehr geändert in diesen Jahren, da haben Sie Recht. Abgesehen von der technologischen Entwicklung und den Erfolgen der Forschung – und jetzt spreche ich hauptsächlich für den onkologischen Bereich unserer Tätigkeit - , die uns heute eine Vielzahl von (kombinierbaren) und individuell anzupassenden Therapien zur Verfügung stellt, haben wir heute auch eine effiziente Thoraxchirurgie und Strahlentherapie hier vor Ort. Früher haben wir unsere Patienten in die Thoraxchirurgie nach Verona und zur Strahlentherapie nach Borgo Valsugana schicken müssen. Heute gibt es das alles in Bozen. Und schon seit diversen Jahren gibt es auf der Pneumologie ein Tumorboard, das jeden Mittwoch zusammentritt, um die neuesten Fälle zu besprechen.
Chance: Nur ein Teil der Patienten der Pneumologie ist onkologisch. Aber viele Patienten haben einen Faktor gemein: Ihre gesundheitlichen Probleme, Atembeschwerden, Bronchitis, Lungenfibrose oder eben eine Neoplasie sind durch das Rauchen verursacht. Wie lebt man als Arzt diese Tatsache?
Dr. Donazzan: Es hat keine Bedeutung. Überhaupt keine. Sicher, Rauchen ist schädlich, sehr schädlich, auch der passive Rauch und wir motivieren unsere Patienten, damit aufzuhören. Aber wir verurteilen sie nicht, es ist keine moralische Frage. Das darf es auch nicht sein, mit keinem Patienten. Was hingegen unerlässlich ist, ist eine Solidarität mit dem Patienten. Wir fühlen uns unseren Patienten verbunden, sie spüren das und schenken uns ihr Vertrauen. Das gilt für den Patienten mit Lungenkrebs ebenso wie für jenen mit einer starken Atemnot. Wir sind an der Seite unserer Patienten! Immer!
Chance: Wie bereits gesagt, Ihre Abteilung ist ausgesprochen technologisch.
Dr. Donazzan: Ja, es gab tatsächlich enorme Entwicklungen in den letzten Jahren. Früher hatten wir ein einziges Bronchoskop und hatten sonst nur Röntgenbilder als Bezug, es gab kein CT, kein PET CT, Positronen-Emissions-Tomographie, also Schnittbilder nach leicht radioaktiver Markierung. Heute arbeiten wir mit zehn Bronchoskopen. Und dann haben wir natürlich alle Funktionsproben für Patienten mit Asthma, Allergien und sonstigen Atemwegserkrankungen. Aber nicht nur wir, alles ist revolutioniert: Die thorax-chirurgischen Techniken wurden verfeinert und wenn der Tumor, wie in den meisten Fällen nicht operabel ist, gibt es heute die stereotaktische Radiotherapie, die auch radiochirurgische Eingriffe ermöglicht.
Chance: Eine sehr komplexe Materie …
Dr. Donazzan: Ja und auch deshalb sehr spannend. Ich würde wieder Arzt werden, wenn ich noch einmal von vorne beginnen könnte; es ist ein erfüllender Beruf. Und ich würde mich auch wieder für das gleiche Fach entscheiden. Mit großer Begeisterung, Interesse an der Forschung und echtem Interesse an jedem einzelnen Patienten und an seinem ganz persönlichern Schicksal.