Thema

Lungenkrebs im Fokus

Pressekonferenz der SKH im Lungenkrebsmonat November
Der November gilt in der ganzen Welt als Lungenkrebsmonat: Aufklärungs- und Sensibilisierungsaktionen sollen auf diese Tumorerkrankung aufmerksam machen. Die SKH hat eine Presskonferenz veranstaltet und vier Experten eingeladen, die Wissenswertes und Statistisches aus Südtirol und Italien rund um das Thema erläuterten.
Marine Castaing
Als Südtiroler Krebshilfe ist es uns immer ein besonderes Anliegen, mit gesicherten Daten und Fakten zu informieren“, so Ida Schacher Baur, Präsidentin der Vereinigung, „und was uns zusätzlich ein besonderes Anliegen ist: Hinter all diesen Zahlen stecken immer Menschen und Einzelschicksale. Dies dürfen wir nicht vergessen. Lungenkrebs ist ein Thema, das immer noch mit einem Mantel des Schweigens zugedeckt wird.“ Die Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit sei eine der wichtigsten Aufgaben der Krebshilfe. Die Präsidentin der Krebshilfe rief auch dazu auf, die Lungenkrebspatienten nicht zu stigmatisieren. „Niemand verdient Lungenkrebs!“
Christine Seebacher, Ärztin an der Abteilung Pneumologie am Krankenhaus Bozen und Koordinatorin des Lungen-Tumorboards, erläuterte die Risikofaktoren für Lungenkrebs und gab aktuelle Ein- und Ausblicke zur Früherkennung und Vorsorge. Die Entstehung von Lungenkrebs kann verschiedene Ursachen haben.
Das Rauchen ist mit zirka 85-90% die Hauptursache. Das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken, steigt dabei mit der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten und der Dauer des Rauchens: Je früher damit begonnen und je länger geraucht wurde, desto höher ist auch das Erkrankungsrisiko. Die positive Nachricht dabei: Wer das Rauchen aufgibt, kann das Risiko minimieren.
Aber auch Krebs erzeugende Stoffe am Arbeitsplatz, wie etwa Asbest, Arsen, Nickel, Radon oder aromatische Kohlenwasserstoffe, können Lungenkrebs bedingen. Lungenkrebs ruft in frühen Stadien dabei nur selten Beschwerden hervor. Krankheitszeichen wie Husten oder Auswurf treten erst dann auf, wenn die Erkrankung bereits fortgeschritten ist. Kleinere Tumoren im Frühstadium werden daher in den meisten Fällen nur zufällig entdeckt, etwa wenn die Lunge aus anderen Gründen geröntgt werden muss. Zudem sind die Beschwerden meist nicht eindeutig einem Lungenkrebs zuzuordnen, sondern können auch auf andere Krankheiten hinweisen.
Guido Mazzoleni, Primar der Abteilung Pathologische Anatomie und Histologie am Krankenhaus Bozen, zeigte die Statistiken bezüglich Häufigkeit, Neuerkrankungen oder Überlebenschancen für Italien und Südtirol auf. Lungenkrebs ist sowohl bei den Männern wie bei den Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung.
Lungenkrebs bei Männern: Europa-Trend bezüglich Häufigkeit und Sterblichkeit im Zeitraum 1999 -2016.
Lungenkrebs bei Frauen: . Europa-Trend bezüglich Häufigkeit und Sterblichkeit im Zeitraum 1999 -2016.
Bei den Männern steht der Prostatakrebs an erster Stelle, gefolgt vom Darmkrebs; bei den Frauen der Brustkrebs, gefolgt vom Darmkrebs. In den letzten Jahren konnte dabei eine Senkung an Neuerkrankungen bei den Männern festgestellt werden, da Männer tendenziell dazu neigen, das Rauchen aufzugeben, während bei den Frauen der gegensätzliche Trend festzustellen ist: Der Anteil von Raucherinnen nimmt zu, und parallell dazu auch die Erkrankungsrate.
Lungenkrebs wird dabei zumeist in einem späteren Alter ab 50 Jahren und im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Diese Faktoren sowie die begrenzte Wirksamkeit der Behandlungsmöglichkeiten führen zu einer ungünstigen Heilungsprognose, wobei die Überlebensrate in den letzten Jahren leicht gestiegen ist. So ist der Lungenkrebs bei Männern jene Tumorerkrankung, die am häufigsten zum Tod führt (gefolgt von Darmkrebs und Prostatakrebs); bei den Frauen liegt der Brust- und Darmkrebs als Todesursache noch vor dem Lungenkrebs – wobei im Jahr 2016 in Südtirol 145 Männer und 65 Frauen an einem bösartigen Tumor verstarben.
Die Therapiemöglichkeiten bei Lungenkrebs, wie Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung, wurden von Cristina Dealis, Ärztin an der Abteilung Onkologie am Krankenhaus Bozen, erläutert. Ein interdisziplinäres Team analysiert und bespricht dabei wöchentlich in der Abteilung Pneumologie des Krankenhauses Bozen die einzelnen Fälle, sodass die Betroffenen die bestmögliche Therapie erhalten.
Nicht nur in Bezug auf Krebserkrankungen, aber besonders auch in diesem Bereich, ist die Planung im Gesundheitsbereich von größter Bedeutung. Trends in Beziehung auf Erkrankungen, Heilungschancen, verwendete Therapien, Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen usw. sind Daten, die Aufschluss geben über die zukünftige Entwicklung und damit auch über Bedarf an Strukturen, Personal und Mitteln.
Dr. Marine Castaing arbeitet als Statistikerin am integrierten Krebsinstitut Catania-Messina-Siracusa-Enna, das der Universität von Catania angeschlossen ist. Sie präsentierte das Projekt „Prävalente Tumorfälle in Südtirol“, das von der Südtiroler Krebshilfe mitfinanziert wird. Dabei geht es darum, die Daten des Südtiroler Tumorregisters zu bearbeiten und neu zu ordnen.
Das Südtiroler Tumorregister – eines der vollständigsten und präzisesten in Italien – erfasst die Daten über den klinischen Zustand und gibt Aufschluss über Krankheitsverlauf und Überlebensrate. Somit sind sie von hoher Wichtigkeit, unter anderem da sie der Verwaltung bei der Vorausplanung von Krankenhausbetten oder Personal wichtige Hinweise liefern.

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Technik und Medizin

Die Abteilung für Pneumologie und pneumologische Funktionsproben Bozen
Sie ist das Referenzzentrum für Südtirol, die Abteilung für Pneumologie und pneumologische Funktionsproben am Krankenhaus Bozen. Modern ausgerüstete Ambulatorien, 25 Betten, davon 7 für Sub-Intensivpflege, 1 Day-Hospital-Bett. Die Patienten haben Atembeschwerden verschiedenster Ursache, Bronchialasthma, sind Allergiker, leiden an Lungenfibrose oder Infektionen... Etwa 20% der Patienten haben Lungenkrebs.
Die Abteilung wurde bis Ende November von Dr. Giulio Donazzan geleitet, bis sein Nachfolger bestimmt wird, ist Dr. Lucio Bonazza geschäftsführender Primar der Pneumologie. Die Abteilung zählt insgesamt 14 Ärzte, 21 Krankenpfleger und 5 medizinisch-technische Assistenten. Michele Bertuzzo ist geschäftsführender Pflegekoordinator. Dr. Lucio Bonazza und Dr. Christine Seebacher, Koordinatorin des pneumologischen Tumorboards, haben der Chance die Abteilung vorgestellt, die sich auf zwei Ebenen im Krankenhaus erstreckt. Die Funktionsproben im ersten Stock und die Abteilung mit den im Krankenhaus stationär aufgenommenen Patienten im dritten Stock. Die Funktionsproben wie Spirometrien, thorakale Endoskopien (Bronchoskopien) entfallen etwa zu 30% auf Tumorpatienten, da die Lunge auch anfällig ist für Metastasen. Pro Jahr werden mehr als 1.100 Bronchoskopien durchgeführt, die Abteilung verfügt über zehn Bronchoskopie-Geräte.
Lungenkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung bei Männern und Frauen und gleichzeitig jene mit den ungünstigsten Prognosen, was Heilung und Überleben betrifft. Im Jahr 2016 erkrankten in Südtirol 168 Männer an Lungenkrebs und 74 Frauen, diese Zahlen liegen geringfügig unter dem nationalen Durchschnitt. Bei Männern ist Lungenkrebs mit 22% auch die häufigste krebsbedingte Todesursache, bei Frauen sind es 10% der krebsbedingten Todesfälle.
In den letzten Jahren zeichnet sich ein Trend ab, der gesellschaftlich bedingt ist. Männer tendieren zunehmend dazu, das Rauchen aufzugeben oder zumindest einzuschränken, immer mehr Frauen greifen hingegen zur Zigarette. „Rauchen ist die Hauptursache von Lungenkrebs“, bestätigen Dr. Bonazza und Dr. Seebacher, „85 – 90% der Erkrankungen betreffen Raucher.“ Auch passiver Rauch kann Lungenkrebs hervorrufen. Dass Tabakkonsum Lungenkrebs hervorruft, ist auch historisch nachgewiesen. Vor der Verbreitung des Rauchens war Lungenkrebs als Krankheit nicht bekannt. Bei Autopsien, die 1878 bei Krebskranken durchgeführt wurden, hatte ein Prozent der Verstorbenen Lungenkrebs. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg diese Zahl auf 10 – 15%. 1929 wurde erstmals der direkte Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Rauchen dokumentiert. Im Zigarettenrauch sind mehr als 60 krebserregende Substanzen enthalten!
Andere krebsauslösende Substanzen sind Feinstaub, Asbest, Aluminium, Chrom und Nickel sowie Radon 222.
Das Raucherrisiko steigt mit der Anzahl der gerauchten Zigaretten und der Dauer des Rauchens. Wer mit dem Rauchen aufhört, ist von Jahr zu Jahr weniger gefährdet. Was die wenigsten wissen: Auch die elektronische Zigarette schadet der Gesundheit. Sie enthält Nikotin und verschiedene Metalle, die ebenso gesundheitsschädigend sind., bzw. als krebserregend gelten.
Lungenkrebs wird im Frühstadium meist durch Zufall entdeckt, wenn der Patient aus anderen Gründen eine Röntgenaufnahme der Lunge macht. Dr. Bonazza: „Zufallsbefunde versprechen die höchste Heilungsquote, weil der Tumor, wenn er in einem Frühstadium entdeckt wird, noch operabel ist. Und nur dann!" Im Jahr 2015 wurden in Bozen 53 Lungenresektionen vorgenommen, Thorax-Chirurgie gibt es nur am Landeskrankenhaus.
Bevor der Patient allerdings dieser Operation unterzogen wird, muss abgecheckt werden, ob sein Organismus in der Lage ist, mit verminderter Lungenfläche zu leben. Das heißt, er wird einer Spirometrie unterzogen, sowie diversen Stresstests für Herz- und Kreislaufsystem. „Die internationale Lungengesellschaft gibt verschiedene kodifizierte Parameter vor, die einen solchen Eingriff rechtfertigen oder nicht“, erklärt Dr. Bonazza.
Symptome treten bei einem Lungenkrebs erst in fortgeschrittenem Stadium auf, wenn der Tumor schon relativ ausgebreitet ist und bereits gestreut hat. Metastasen werden meist in Gehirn, Leber, Nebennierenrinde oder den Knochen gebildet. Symptome wie Husten (75%), Atemnot (60%), Bluthusten (35%), Schwäche (10%) werden von Rauchern meist mit den üblichen Beschwerden eines Rauchers verwechselt. Auch Gewichtsabnahme, Fieber und Knochenschmerzen können Hinweise auf einen Lungenkrebs sein. Ergibt ein Röntgenbild den Verdacht auf Lungenkrebs, wird der Patient weiteren Untersuchungen unterzogen, um die Art der Neoplasie zu bestimmen. Eine gründliche Anamnese, die auch Aufschluss über mögliche genetische Faktoren gibt, eine CT (Computertomographie) von Thorax, Oberbauch und Schädel, eine Bronchoskopie mit Biopsie, wobei zwischen innerer (Lungen) und äußerer (Thorax) Biopsie unterschieden wird, eine Echographie der Leber, eine Knochen-Zintigraphie und eine Magnetresonanz.
Sind alle Daten bei der Hand, legt das pneumologische Tumorboard, das jeden Mittwochnachmittag zusammentritt, die Therapie fest. Mitglieder dieses Gremiums sind: Dr. Christine Seebacher als Koordinatorin und ihr Kollege aus der Pneumologie, Dr. Gerhard Kainz, Dr. Emanuela Vattemi und Dr. Giovanni Di Meglio für die Onkologie, die Thoraxchirurgen Dr. Francesco Zaracca und Dr. Birgit Feil, die Pathologen Dr. Rodolfo Carella und Dr. Christine Mian sowie die Biologin Dr. Esther Hanspeter, der Nuklearmediziner Dr. Mohsen Fahrsad, der Radiologe Dr. Antonio Ruiu und für die Radiotherapie Dr. Said Bou Selman und Dr. Michela Rosa.
Das onko-pneumologische Team (v. li. n. re.): Krankenpfleger Fabrizio Demichiei, Dr. Lucio Bonazza, Vize-Koordinator Stefano Guzzo, Dr. Christine Seebacher und Dr. Johanna Köhl
„Die Kunst ist", so Dr. Seebacher, „für jeden Patienten die richtige Therapiekombination zu finden.“ Das Tumorboard ist vernetzt mit den Universitätskliniken Verona, Bologna und Mailand sowie mit der Thoraxchirurgie Innsbruck.
Neben der Operation, die wie bereits erwähnt nur bei Frühdiagnosen in Frage kommt, gibt es verschiedene Therapie-Ansätze, die auch kombinierbar sind, angefangen von der klassischen Chemotherapie mit Zellgiften, über personalisierte Behandlungen auf molekular-biologischer Basis und Immuntherapie. Die Überlebensrate nach fünf Jahren ist beim Lungenkrebs allerdings nicht sehr hoch: In Italien liegt sie bei rund 16%, in Europa bei 13%, in Südtirol bei Männern bei 14% und bei Frauen bei 18%. Nach zehn Jahren sind es 12%. (11% Männer und 15% Frauen).
„Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen kleinzelligen (10 -15% der Fälle) und nicht kleinzelligen Tumoren“, erklärt Dr. Christine Seebacher. „Die kleinzelligen sind seltener, aber auch äußerst aggressiv mit sehr ungünstiger Heilungsprognose.“ Die nicht-kleinzelligen Tumore teilen sich ebenfalls in unterschiedliche Gruppen auf. Das Adenokarzinom ist dabei die häufigste Lungenneoplasie, bei Frauen über 50% der Fälle. Interessant ist, dass der Organismus von Frauen anders reagiert als jener der Männer. So ist z. B. die Wirkung von Zigaretten bei Frauen doppelt so stark: zehn Zigaretten einer Frau entsprechen zwanzig Zigaretten eines Mannes! „Und der weibliche Organismus braucht auch länger, bis er sich wieder regeneriert, wenn sie mit dem Rauchen aufhören.“ Zum Aufhören ist es trotzdem nie zu spät, betonen Dr. Bonazza und seine Kollegin Seebacher. Und: es gibt keine moralische Verurteilung eines Patienten, weil er raucht.
Ein Screening gibt es (noch) nicht und es ist auch nicht sicher, ob je eines eingeführt wird, zu viele Fragen sind noch zu klären: wer, ab welchem Alter, in welchen Abständen, mit Verpflichtung zur Rauchentwöhnung, mit welchen Untersuchungen und vor allem: ist das Ganze finanzierbar? Nichtrauchen ist in jedem Fall der beste Schutz, um Lungenkrebs zu verhüten.