Patronat

Je eher desto besser!

Zivilinvalidität ist wichtig wegen rentenrechtlicher Begünstigungen
Untersuchungen, Operation und Therapie, Ängste und widersprüchliche Emotionen nehmen einen Betroffenen nach der Krebsdiagnose völlig in Anspruch. Dennoch sollte man auch in dieser Situation auf seine Rechte bedacht sein. Die Feststellung einer Zivilinvalidität bringt zwar je nach Erkrankung keine direkten (finanziellen) Vorteile, wirkt sich aber positiv auf die Berechnung der Rente aus.
In Südtirol wird im Unterschied zum Rest Italiens die Invaliditätsrente nach wie vor per Landesgesetz geregelt (Nr. 78 vom 21.08.78) und unterliegt dem Südtiroler Sanitätsbetrieb im Gegensatz zum Rest Italiens, wo es in die Kompetenz des Nationalen Fürsorge-Instituts, INPS-NISF, fällt. Die Anerkennung wird von einer rechtsmedizinischen Kommission festgestellt. Je eher die Zivilinvalidität festgestellt wird, desto eher greifen die damit vorgesehenen Maßnahmen. Anny Obergasser, Direktorin des Patronats INCA der CGIL/ AGB, rät deshalb, sich sobald wie möglich an eines der Patronate zu wenden, um sich beraten und gegebenenfalls bei der Antragsstellung helfen zu lassen.
Vorteil einer Zivilinvalidität ist in den wenigstens Fällen eine Rente oder das Anrecht, das Auto auf Behindertenparkplätzen abzustellen, aber gerade bei Krebskranken kann sich aus der Summierung unterschiedlicher Beeinträchtigungen doch ein Prozentsatz ergeben, der sich in vielerlei Weise positiv auswirken kann auch für jene, die keinen direkten Anspruch auf die Auszahlung einer Zivilinvalidenrente haben: Vorteile bei Ansuchen im öffentlichen Wohnbau (Rangliste), Ticketbefreiung, Arbeitsvermittlung, zusätzliche bezahlte Freistellungen und ab einer Zivilinvalidität von 74% pro Jahr zwei Monate zusätzlich für die Berechnung der Rentenansprüche. Die Ansprüche sind gemäß Invaliditätsgraden gestaffelt.
Voraussetzung für die Zuerkennung einer Zivilinvalidität ist, dass die zugrundeliegende körperliche Beeinträchtigung nicht durch Kriegs-, Arbeits- oder Dienstversehrtheit verursacht ist. Die Fürsorgeleistungen sind nicht einkommenssteuerpflichtig und sind im Todesfall nicht auf Hinterbliebene übertragbar.
Die Zivilinvalidenrente wird in 13 Monatsraten von der Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung ausgezahlt, sie unterliegt einer Einkommensgrenze und endet mit Erreichen des 66. Lebensjahres plus sieben Monate, anschließend geht sie als Sozialrente an das Nationale Fürsorgeinstitut NISF/ INPS über. Ergänzungs-, Begleit- und Sonderzulagen infolge von Zivilinvalidität unterliegen keiner Einkommensgrenze. Der Höchstsatz liegt bei Teil- bzw. Vollinvaliden, d. h. 74 – 99 % bzw. 100 % bei 435,00 Euro pro Monat. Vollinvaliden, Gehörlose und Sehbehinderte haben zusätzlich Anspruch auf Ergänzungs-, Begleit-, Kommunikations- bzw. Sonderzulagen.
Die Berechtigung auf Zivilinvalidität geht von einem Alter von 0 bis 18 und anschließend von 18 bis 65 plus 7 Monate. Voraussetzung für die Zuerkennung einer Zivilinvalidität sind: die (gerichts)medizinische Anerkennung der physischen Beeinträchtigung, die Ansässigkeit in Südtirol, die italienische oder EU-Staatsangehörigkeit. Nicht EU-Bürger müssen seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung sein.
Alle Zivilinvaliden haben das Recht auf kostenlose Facharztvisiten (im Bereich ihrer festgestellten Invalidität). Ab einer Zivilinvalidität von 34 % hat der Betroffene Anrecht auf Rückerstattung der Kosten für Prothesen und Hilfsmittel und erhält im Rahmen des geförderten Wohnbaus eine höhere Punktezahl.
Um einen Anhaltspunkt zu haben, einige Beispiele: Wer ein Auge verliert, hat Anrecht auf eine Invalidität von 33 %. Bei einer Krebserkrankung mit guten Heilungsaussichten und einer nur leichten Einschränkung der körperlichen Funktionen ist laut nationaler Tabelle eine Zivilinvalidität von 11 % vorgesehen, bei guten Heilungsaussichten und starker Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen hingegen 70 %. Krebserkranke mit unsicherer Prognose trotz chirurgischer Intervention erhalten eine Zivilinvalidität von 100 % zuerkannt. Nach einer Mastektomie hat die Betroffene Anrecht auf eine Zivilinvalidität von 34 %. Eine Entfernung der Gebärmutter im gebärfähigen Alter gibt Anrecht auf 25 %, eine beidseitige Eierleiterentfernung im gebärfähigen Alter auf 35 %. Depressionen können je nach Schweregrad als Zivilinvalidität von 10 – 80 % eingestuft werden.
Ab 46 % Zivilinvalidität hat der Betroffene Anrecht auf geschützte Arbeitsvermittlung (Gesetz 482/68). Wer zu 50 % Zivilinvalide ist, hat Anrecht auf 30 zusätzliche Tage mit bezahlter Freistellung von der Arbeit (für Therapien bzw. Arztvisiten u. ä. m.). Ab einer Zivilinvalidität von 74 % und bis 99 % hat der Betroffene rentenrechtliche Begünstigungen, nämlich pro Jahr zwei Monate zusätzlich, die für die Berechnung der Höhe der Rente und das Erlangen des Rentenalters zählen. Ab dieser Marke können Betroffene je nach Einkommen Antrag auf Auszahlung einer Zivilinvalidenrente stellen, vorausgesetzt ihr Jahreseinkommen überschreitet nicht die Summe von 4.800,38 Euro. Bei Vollinvaliden liegt die Einkommensgrenze für die Auszahlung einer Zivilinvalidenrente hingegen bei 16.532,10 Euro.
Das INCA - Patronat der CGIL/ AGB
Das INCA - Patronat der CGIL/ AGB ist volumenmäßig das wichtigste italienische Patronat und steht in Italien jährlich mit mehr als 5 Millionen ArbeiterInnen in Kontakt, zudem mit 600.000 im Ausland lebenden Italienischen StaatsbürgerInnen. Zusammen mit dem Steuerdienst CAF, dem Streitfragenbüro, dem Einwandererschalter und dem Sicherheitsschalter ist es Teil des Dienstsystems der CGIL: Arbeitnehmer, Rentner, Bürger, Auswanderer und Einwanderer, sie alle können sich an die INCA - Schalter wenden, um Informationen über sämtliche Rentenversicherungsleistungen einzuholen, oder auch um Unterstützung bei den verschiedenen Möglichkeiten der Vorsorge sowie der Leistungen des Sozial- und Gesundheitswesens zu erhalten.
Das INCA - Patronat bietet Informationen, Unterstützung und Schutz auf verwaltungsrechtlicher Ebene und, wenn nötig, auch bei Gerichtsverfahren. Die Tätigkeiten des INCA-Patronats sind für jene, die sie in Anspruch nehmen, kostenlos.
Bozen Triesterstraße, 70/a 0471 926545
Piacenzastraße 54 0471 926404
Leifers Kennedy-Straße, 265 0471 955177
Neumarkt Rathausring, 44 0471 812305
Innichen P.P. Rainer-Straße, 4 0474 913050
Brixen Fallermayer-Straße, 9 0472 831498
Bruneck Europastraße, 20 0474 370162
Meran Otto Huber-Straße, 54 0473 203418
Schlanders Hauptstraße, 30 0473 203430
Sterzing Geizkofler-Straße, 12 0472 764236

Lymphdrainage

Wie lang sind fünfzig Minuten?

Lorenzo Maito ist Physiotherapeut im Unterland – Die Basis ist Vertrauen
Ein Mann und zehn Frauen. Hahn im Korb oder Minderheit? Wie man es nimmt. Aber Lorenzo Maito fühlt sich wohl im Kreis seiner Kolleginnen. Er ist auch der einzige Physiotherapeut der Krebshilfe, der Vollzeit arbeitet. Im Bezirk Unterland hat er alleine viel zu tu. Er betreut drei Ambulatorien: Neumarkt, Leifers und Kaltern.
Dass Weiterbildung ihm wichtig ist, erkennt man sofort, wenn man das kleine, gemütliche Behandlungszimmer in Neumarkt betritt. Es ist holzgetäfelt, an der Wand hängen zwei chinesische Papierschirme und alle Bescheinigungen seiner Fortbildungen. Fußreflexzonen-Behandlung, Hals-Nacken-Massage, Cranio-Sakral-Therapie, viszerale Therapie, Bewegungstherapie im Wasser, Heilmassage, sogar einen Kurs in Nordic Walking hat Lorenzo Maito belegt, aber das hat nichts mit Physiotherapie zu tun. Oder vielleicht doch…
Das Unterland liegt sicher näher an Bozen liegt, als etwa das Pustertal, aber trotzdem fühlt sich Lorenzo Maito oft sehr in der Peripherie. Weit weg vom Zentrum. Obwohl er mit seinen Kolleginnen in regem Kontakt steht. Aber das mag auch daran liegen, dass er alleine den ganzen Bezirk betreut, wie nebenbei auch die Therapeutinnen im Vinschgau und in Meran. In den anderen Bezirken arbeiten je zwei Physiotherapeutinnen. Er trifft mit seinen Kolleginnen regelmäßig bei der psychologischen Supervision zusammen. „Wir reden ganz offen über unsere Probleme, was uns bewegt und nicht nur, was die Arbeit betrifft, auch Privates kommt ins Spiel“
„Wir sind in unserem Bereich, Lymphdrainage, hoch spezialisiert“, sagt Lorenzo Maito. Nur werde das vom Sanitätsbetrieb und auch von den privat niedergelassenen Physiotherapeuten nicht so wahrgenommen. Die Abteilungen für Gynäkologie, Onkologie und auch für Palliativmedizin hingegen schätzten die Professionalität der Physiotherapeuten der Südtiroler Krebshilfe sehr, die das richtige Gleichgewicht zwischen kompetenter professioneller Behandlung und persönlicher Ansprache finden, die so wichtig ist bei Krebspatienten.
Lorenzo Maito spricht langsam, seine Stimme ist angenehm sanft. Man kann sich gut vorstellen, wie er arbeitet. Behutsam und intensiv. Er hat viele Patientinnen und nur einen einzigen Patienten. Für einige Patientinnen ist es beim ersten Mal eine Überwindung, sich vor einem Mann zu entblößen. Da braucht es Geduld und Einfühlungsvermögen. Bei der Lymphdrainage werden die intimsten Bereiche berührt. „Körperteile, die viele Frauen selbst nicht berühren oder anschauen aus Scheu.“ Viele Patientinnen haben besonders nach einer Mastektomie ein gestörtes Körpergefühl. Manchmal braucht es Jahre, bis das Gleichgewicht zwischen Seele und Körper wiederhergestellt ist. Auch hierfür ist die Lymphdrainage eine wichtige Hilfe.
Lymphdrainage ist aber längst nicht nur bei Lymphödemen an Armen und Beinen angesagt, erklärt Maito. Auch bei Problemen an inneren Organen, bei Verdauungsstörungen, Darmkrämpfen oder nach einer Resektion des Magens oder der Blase ist diese Therapie hilfreich. „Operationen im Bauchbereich können Rückenschmerzen verursachen und wirken sich auf das Skelett oder auch die Sehnen und Muskeln aus.“ Das gleiche gilt für die Strahlentherapie. Jeder kann diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Immer!
Eine Behandlung dauert fünfzig Minuten. Weniger als eine Stunde. Aber, so der Physiotherapeut, sie können sehr lang sein oder auch wie im Flug vergehen. „Wenn die traditionelle Lymphdrainage beendet ist, lässt Lorenzo Maito sich von dem leiten, was seine Hände spüren und was sich aus dem Gespräch mit dem Patienten ergeben hat. „Man wendet ja nicht nur strikt eine Behandlungsart an, sondern verschiedene Techniken. Es geht nicht darum, nur eine ganz bestimmte Stelle des Körpers zu behandeln, sondern den gesamten Menschen!“
Das Gespräch ist wichtiger Teil der Behandlung. Aber lassen sich die Frauen gehen, wenn sie von einem Mann behandelt werden? Lorenz bejaht die Frage. „Zu Beginn zeigen sie vielleicht Scheu, sich gegenüber einem Mann zu öffnen, aber das legt sich.“ Eine Lymphdrainage-Behandlung nach einer Krebserkrankung ist zudem keine Sache von wenigen Stunden oder sporadischen Kontakten. „Es erwächst oft eine lebenslange Beziehung“, betont Lorenzo. Als Mann könne er bestimmte Dinge auf leichtere Weise angehen, habe eine andere Sicht der Dinge. „Wir gehen ernste Dinge auf heitere Weise an.“. Wenn es um Ängste im Sexualbereich oder Probleme mit dem Partner gehe, schätzten es seine Patientinnen, den Standpunkt eines Mannes kennenzulernen.
Wer weiß, ob Lorenzo Maito auch in Zukunft der einzige Mann bleibt. Jedenfalls ist er der richtige Mann an der richtigen Stelle.