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Mit Erfahrung immer skrupulöser

Im Gespräch mit Primar Herbert Heidegger - Heilungsquote Brustkrebs bei 90%
Foto: Othmar Seehauser
Er sitzt entspannt vor dem Computer in seinem Studio und ist aufgelegt zum Plaudern. Die OP-Bekleidung hat er noch nicht abgelegt, ein weiterer Eingriff erwartet ihn. Dr. Herbert Heidegger, seit 17 Jahren Primar in Meran, ist zwar Frauenarzt, aber Geburten macht er mit Ausnahme einiger Kaiserschnitt nicht mehr.
Dr. Heidegger ist zertifizierter Mamma-Chirurg und teilt sich die onkologischen Operationen mit seinem ebenfalls für Onko-Chirurgie zertifizierten Kollegen, Dr. Johann Hübner. Die onkologischen Operationen sind, wie es sein muss, Routineeingriffe. „Sagen wir zu 80% Routine“, betont Heidegger. „Jeder Handgriff muss sozusagen blind sitzen, aber die Konzentration ist wie bei einem ersten Mal!"
„Der beste Brustchirurg, den ich je kennengelernt habe, sagte mir, ich operiere jede Frau zweimal. In der Nacht und dann am nächsten Tag im OP. Als junger Arzt fand ich das vielleicht übertrieben. Da bist Du spontan, gehst drauf los, ohne viel nachzudenken.“ Heute als erfahrener Chirurg kann Heidegger das nachvollziehen. „Auch ich schaue mir alles am Tag vorher gut an und überlege am Abend, wie ich am besten vorgehe. Je älter und erfahrener ich werde, desto skrupulöser werde ich auch.“
Ein Drittel der Patientinnen seiner Abteilung haben eine onkologische Diagnose. Zahlen, die angestiegen sind in den 17 Jahren seit er von Deutschland, wo er die letzten vier Jahre Chefarzt in Regensburg war, nach Südtirol zurückgekommen ist. Und diese Tatsache kann durchaus auch in einem positiven Licht gesehen werden: Die Krebs-Vorsorge beginnt zu greifen, wenn auch immer noch zu langsam. Heidegger würde sich wünschen, dass hundert Prozent der Frauen die Einladung zu den Krebsvorsorgeuntersuchungen Ernst nähmen!
Dank der Vorsorge werden zwar mehr Tumore diagnostiziert, aber sie sind in einem Früstadium, sind kleiner und damit steigen die Heilungschancen um ein Vielfaches. „In meiner Abteilung liegt die Heilungsquote der Patientinnen mit Brustkrebs bei 90%. Mehr als 70% der Operationen können wir heute brusterhaltend durchführen,“ unterstreicht der Primar. Die Zahl der großen Tumore ist von 17% auf 12% zurückgegangen.
Dr. Herbert Heidegger ist stolz auf seine Abteilung, das merkt man. Seit zehn Jahren gehört auch das Brustgesundheitszentrum dazu, Zwilling derselben Struktur in Brixen. Die Vorsorge ist dem Primar ein großes Anliegen. Ein Programm, in das er immer wieder und sehr gerne Zeit investiert in Form von Vorträgen und Informationsveranstaltungen.
Die ambulatorische Tätigkeit der Abteilung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Abteilung versteht sich als Anlaufpunkt für Frauen nicht nur in der akuten Phase, sondern auch für die Vorsorge und vor allem für die postoperative Phase. Die Patientinnen werden nicht einfach entlassen und fertig. „Mehr als 1.500 Frauen verzeichnen wir jährlich im Bereich Nachsorge. Mittwochs nachmittags haben wir in der Brustambulanz regelmäßig mindestens vierzig Patientinnen zu versorgen. Wer einmal bei uns Patientin war, bleibt uns über Jahre verbunden.“
Die Abteilung für Gynäkologie und geburtshilfe ist mehrfach zertifiziert, der Anteil an Studien beträgt 16% und es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Onkologie in Bozen und der Universitätsklinik in Innsbruck.
Heidegger ist Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen und so hat z. B. Valentina Vecellio, selbst ehemalige Brustkrebs-Patientin der Abteilung bei ihm offene Türen angetroffen bezüglich des Projekts der Bewegungstherapie, das schon seit sechs Jahren erfolgreich besteht und mittlerweile auch außerhalb Merans im Vinschgau und auch in Bozen beginnt, zu greifen.
Der Schwerpunkt der Chance liegt auf der Abteilung Gynäkologie, aber auch die Geburtshilfe in Meran hat sich in den vergangenen Jahren profiliert. Vor 17 Jahren waren es 700 Geburten im Jahr, jetzt sind es 1350 und das bei einem generellen Rückgang der Geburten!

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„Ich bin der Schatten der Patientin“

Sonja Thuille ist Breastnurse am Brustgesundheitszentrum Meran
Foto: Othmar Seehauser
Sie ist von A bis Z dabei, der wichtigste Bezugspunkt der Patientinnen, Vermittlerin zwischen Arzt und Patientin. Ratgeberin, Ruhepunkt und Schulter. Ihr Arbeitsplatz ist zwischen Ambulanz, Brustgesundheitszentrum und Abteilung.
Immer wieder klopft es an die Tür. Ruhige Minuten während der Arbeitszeit kennt Sonja Thuille nicht. Wenn sie keine Patientinnen in ihrem Büro empfängt, ist sie unterwegs. Seit 2011 ist sie die Breastnurse der Gynäkologie Meran, eine Aufgabe, die allein nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Eine zweite Breastnurse für Meran ist gerade in Ausbildung. Voraussetzung für die die Teilnahme an der Schulung zur Breastnurse sind zwei Jahre Tätigkeit auf einer gynäkologischen Abteilung. Neben den medizinisch-technischen Kenntnissen sind es vor allem psychologisches Einfühlungsvermögen und Empathie, die eine Breastnurse auszeichnen. Die Brust ist schließlich nicht nur irgendein Organ, mit ihr hängt das Selbstwertgefühl der Frau zusammen, in ihr sitzt die Seele der Frau.
„Wir sind sozusagen der erste Kontakt der Patientin, wenn Mammographie oder Ultraschall einen verdächtigen Befund ergeben haben und schon bei der Biopsie dabei.“ Ist der Befund positiv, begleitet die Breastnurse die Patientin zum Primar.
„Die Frauen sind beim ersten Gespräch mit dem Primar meist sehr aufgeregt und stehen nach der Diagnose unter Schock. Deshalb ist es wichtig, dass ich dabei bin, weil ich ihr dann am Tag danach noch einmal alles erklären kann. Den Therapieablauf, den Unterschied zwischen Hormon- und Chemotherapie, den Schweregrad usw.“
Zeit, bzw. zu wenig Zeit ist das größte Problem der Breastnurse. Sonja Thuille ist, wie sie selbst sagt, der Schatten der Patientin. Begleitet sie überallhin. Nimmt den Verbandswechsel vor, füllt Expander nach, steht für jegliche Fragen, die etwas mit Brust zu tun haben, zur Verfügung. Nimmt am Tumorboard teil. Betreut die Patientinnen nach der Operation, passt den BH an… Sie hört den Frauen zu, lässt sie weinen, tröstet und beruhigt sie. „Es ist nicht leicht, sich neben den akuten Fällen und der Betreuung noch genügend Zeit herauszuschneiden, um auch die Patientinnen während der Chemotherapie entsprechend zu begleiten“, bedauert Sonja Thuille und zählt insgeheim die Wochen bis ihre Kollegin mit der Ausbildung fertig ist!
„Es braucht Erfahrung, Beobachtungsgabe, Intuition, auch um zu verstehen, was die Frauen sagen und was sie nicht sagen.“ Gerade Gespräche mit jungen Frauen sind oft sehr belastend. Bei ihnen kommen zu den Problemen mit der Krankheit, die Sorgen um Kinder und Familie, die Arbeitsstelle usw. hinzu. „Aber so schlecht es ihnen auch geht, meinen Patientinnen“, sagt Sonja Thuille, „aus diesen Gesprächen, aus ihrem Willen, kann ich meine Kraft schöpfen!“