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Riten helfen bei der Trauer

Wie gehen unterschiedliche Religionen und Kulturen mit dem Lebensende um?

Wer das Grab besucht, hinterlässt einen Stein: Der jüdische Friedhof in BozenWer das Grab besucht, hinterlässt einen Stein: Der jüdische Friedhof in Bozen

Bestattungsriten haben von jeher eine große Bedeutung in den unterschiedlichen Kulturen und sind darauf ausgerichtet einerseits den letzten Weg zu gestalten, andererseits auch, den Hinterbliebenen bei der Trauer zur Seite zu stehen und ihnen durch Regeln und traditionelle Abläufe den Abschied zu erleichtern.
In den Südtiroler Dörfern ist das Begräbnis Ausdruck einer langen Tradition. Gottesdienst, Trauerzug, der Pfarrer, die Musikkapelle und die Dorfgemeinschaft in die typische Tracht gekleidet als letzte Begleitung. Die Friedhöfe der Dörfer spiegeln die Hierarchie wieder. Außenherum in großen Familiengräbern die Groß-Bauern und die Wirte, innen in Gräbern mit schlichtem Eisenkreuz und Foto die einfachen Dorfbewohner. Im städtischen Bereich ist das schon lange nicht mehr so. Erdgräber und Mauergräber kennzeichnen die Friedhöfe. Immer mehr Gräber sind Urnengräber.
Viele Menschen sind außerdem nicht mehr tief in der katholischen Religion verankert und wünschen sich eine nicht religiös geprägte letzte Ruhestätte und eine ebensolche Trauerfeier.
Schon ein Gang über den Bozner Friedhof zeigt, wie unterschiedlich die monotheistischen Religionen mit dem Tod umgehen. Die üppigen und bunten Gräbern des katholischen Friedhofs stehen in Kontrast zu den beiden kleinen Friedhöfen im Friedhof.
Der jüdische Friedhof mit seinen alten verwitterten Gräbern im Schatten alter Bäume strahlt Ruhe und Vergangenes aus. Auf den einfachen Grabsteinen liegen Steinchen, hinterlassen von Freunden und Verwandten, die das Grab besucht haben.
Gemäß dem jüdischen Beerdigungsritus darf der Tote bis zur Beerdigung nicht alleine gelassen werden. Er wird sorgfältig gereinigt in ein weißes Tuch und den Gebetsschal Tallith gewickelt und in einen schlichten Holzsarg gebettet, denn nach dem Tod sind alle gleich. Die jüdische Religion schreibt vor, dass der Tote in die Erde zurückkehren muss. Die Trauerzeit ist streng geregelt. Für sieben Tage schließt sich die engste Familie in das Haus ein und wird von Verwandten und Freunden mit dem Nötigsten versorgt. Alle Spiegel im Haus werden verdeckt, eine Öllampe brennt Tag und Nacht. Ab dem dritten Tag dürfen Trauer-Besuche empfangen werden. Die Trauernden setzen sich während dieser Zeit auf niedrige Schemel, in Erdnähe, als Zeichen der Verbundenheit mit dem Toten. Die offizielle Trauerzeit endet nach sieben Tagen mit einem Besuch am Grab. Während der Trauerzeit wird kein Sabbat gefeiert, der ein Tag der Freude ist.
Die Protestanten kennen keine Sterbesakramente. Der Tote wird bis zur Beerdigung im Haus aufgebahrt und der Sarg bzw. die Urne wird von Freunden und der Familie gemeinsam mit dem Pastor zum Friedhof begleitet. Am Grab wird aus der Bibel gelesen und es werden zur Meditation anregende Psalmen gesungen. Im Anschluss an das Begräbnis versammelt sich die Trauergemeinde zu einem Bankett zu Ehren des Verstorbenen. Der protestantische Friedhof in Bozen ist um 1900 entstanden und diente auch als Fremdenfriedhof. All jene, denen der katholische Friedhof die letzte Ruhe in geweihter Erde verwehrte, wurden hier bestattet. Auch er ist charakterisiert von alten Bäumen und verwitterten, sandsteinfarbenen Gräbern.
Der protestantische (Fremden)Friedhof in BozenDer protestantische (Fremden)Friedhof in Bozen
Das muslimische Begräbnis ist das Einfachste der monotheistischen Religionen. Der Tod wird als Weg zu einem besseren Leben interpretiert, übertriebene Trauerbekundungen sind deshalb nicht erwünscht. Je mehr Menschen an der Bestattung teilnehmen und dem Verstorbenen Respekt zollen, desto besser wird dessen Seele im Jenseits empfangen. Die Schulden eines Verstorbenen werden gemäß muslimischer Tradition noch am Tag des Ablebens getilgt. Der Verstorbene wird mehrmals sorgfältig gewaschen und mit Kampfer, Ölen und Weihrauch eingerieben bevor er in ein Leintuch gewickelt wird. Männer werden in drei Tücher gewickelt, Frauen in fünf. Die Bestattung sollte möglichst am selben Tag stattfinden. In einem gemeinsamen Gebet auf einem Platz oder in der Moschee wird um Vergebung der Sünden des Verstorbenen gebetet, anschließend wird er zum Friedhof begleitet, wo er (in islamischen Ländern) im Leintuch in Seitenlage, mit dem Gesicht zur Mekka in die Erde gebettet wird. Das Grab ist einfach, kein Grabstein, kein Foto, keine Blumen. Die Trauer dauert drei Tage, für die Witwe hingegen vier Monate und zehn Tage. In dieser Zeit sollte sie das Haus nur wenn absolut notwendig verlassen, keine auffällige Kleidung und keinen Schmuck tragen. In Bozen wurden hundert Grabstätten für Menschen muslimischen Glaubens eingerichtet.
Das chinesische Begräbnis ist eines der aufwändigsten, für das die Familie keine Mittel scheut und sich nicht selten auch verschuldet. Je älter und damit ehrwürdiger der Verstorbene ist, desto länger die Begräbnisfeierlichkeiten. Bis zu 49 Tage kann das dauern. Alle sieben Tage versammeln sich die Hinterbliebenen zum Gebet. Die Trauerzeit beträgt hundert Tage. Auf einem Altar vor dem Sarg werden Speisen aufgestellt und Weihrauch verbrannt. Kinder und nicht verheiratete Personen werden hingegen in aller Stille und ohne öffentliche Zeremonie zur letzten Ruhe getragen. Im Haus werden alle Spiegel abgehängt und die Götterstatuen mit rotem Papier verhängt. Der Körper des Verstorbenen wird mit Talg eingerieben und in seine besten Kleider gesteckt und geschmückt, Frauen werden geschminkt. Das Gesicht wird mit einem gelben Tuch bedeckt, der Körper mit einem blauen. In den Sarg werden Blumengirlanden, Geschenke und Fotos des Toten gelegt. Je mehr Blumen, desto höheres Ansehen hatte der Verstorbene. Der Sarg bleibt offen, Weihrauch und Speisen gelten als Nahrung für die Seele auf ihrem Weg ins Jenseits. Neben dem Sarg werden wertvolle Gegenstände aus Papier und Papiergeld verbrannt, um ihm das Leben im Jenseits zu finanzieren. Wenigstens für eine Nacht muss Wache gehalten werden, bevor der Sarg verschlossen wird. Der älteste Sohn sitzt auf dem Weg zur letzten Ruhestätte neben dem Sarg. Er wird eine Handvoll Erde aus dem Grab in einem Weihrauchbehälter nach Hause tragen. Alle Teilnehmer am Begräbnis verbrennen im Anschluss ihre Kleider. Sieben Tage nach der Beerdigung kehrt der Geist zum Abschiednehmen noch einmal ins Haus zurück. Alle Familienmitglieder bleiben in ihren Zimmern, der Boden wird mit Mehl bedeckt.
Bei den Hindus wird der Verstorbene noch am Todestag verbrannt. Der Leichnam wird sorgfältig gereinigt und mit Sandelholzpaste eingerieben; er wird mit allem, was ihm lieb war geschmückt und in ein Tuch gewickelt, das mit Blumen bedeckt wird. Je mehr Holz aufgeschichtet wird, um den Leichnam zu verbrennen, desto würdiger war er im Leben. Bei Vätern entzünden die Söhne das Holz, bei Müttern die Töchter. Die Söhne scheren sich am Todestag die Haare. Nach der Verbrennung wird die Asche in eine Urne gegeben und während der nächsten drei bis zehn Tage an verschiedenen Orten ausgestreut. Das Haus und die Teilnehmer der Feierlichkeit werden einem Purifikationsritus unterzogen. Die Familie trauert zehn Tage von allen isoliert, jeder Tag entspricht dem Monat einer Schwangerschaft; die Zeit für die Reinkarnation des Verstorbenen. Nach 15 Tagen treffen sich die Hinterbliebenen zu einem Reinigungsritus und zu einem gemeinsamen Essen.
Die längste Trauerzeit haben traditionell die Familien der Roma und Sinti. Sie dauert zwischen sechs Monaten und drei Jahren. In dieser Zeit sind alle Tätigkeiten wie Fernsehschauen, Musikhören, Tanzen, Singen, Theater, Teilnahme an Festen oder öffentlichen Ereignissen usw. untersagt. In einigen Sippen wird das ganze Hab und Gut des Verstorbenen verbrannt, Auto, Wohnwagen, Tiere. Die Trauer wird intensiv gelebt und gezeigt. Der Name des Toten darf nicht mehr erwähnt werden, aber sein Bild wird in hohem Angedenken gehalten.
Eine Mischung aus französischen und afro-amerikanischen Traditionen ist das Jazz-Begräbnis in New Orleans mit Musik, Gesang und vehementen Trauerbekundungen. Auf einigen Inseln der Philippinen werden die Toten in Bäumen zur letzten Ruhe gebettet. In Ghana ist es Sitte, die Toten in aufwändigen Särgen zur letzten Ruhe zu betten, deren Form entweder auf die soziale Stellung, bzw. die Arbeit des Toten hinweist. Zum Beispiel in Form eines Mercedes für einen Unternehmer, eines Fisches für einen Fischer oder einer Bibel, wenn es sich um einen Priester handelte.
Schlicht. Muslimische Gräber im Bozner FriedhofSchlicht. Muslimische Gräber im Bozner Friedhof

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Leben in Würde – bis zuletzt

Patientenverfügung ist Teil der Vorsorge – Projekt und Vortrag im Vinschgau

So schnell kann es gehenSo schnell kann es gehen

Jeder Mensch hat das Recht, Verfügungen über sein Lebensende zu erlassen, zu entscheiden, was im Krankheitsfall bzw. im Fall eines Unfalls an Therapien durchzuführen ist und was nicht. Aber diese Entscheidung muss vorher fallen, wenn man noch entscheidungsfähig ist.
Und bei dieser Entscheidung ist der Hausarzt eine wichtige Hilfe. Nicht nur, weil er dem Betreffenden beratend zur Seite steht und ihm dabei helfen kann, die unterschiedlichen Situationen zu bewerten, sondern auch, weil er im Idealfall seinen Patienten gut kennt und ihn deshalb umso besser beraten kann. Aber nicht nur. Die Hausärzte sind auch aufgerufen von sich aus die Initiative zu ergreifen und ihre Patienten zu einem Zeitpunkt auf die Patientenverfügung anzusprechen, wenn noch alles in Ordnung ist und der Betreffende sich in Ruhe und gut beraten darüber klar werden kann, welches im Ernstfall sein Wille ist.
Aber einen Schritt zurück. Der „Codex deontologicus“ der Mediziner spricht sich in Artikel 35 ganz klar für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten aus: „…Der Arzt muss den einsichts- und willensunfähigen Patienten nach bestem Wissen und Gewissen und unter Achtung der Würde des Menschen und unter Berücksichtigung von dessen Lebensqualität behandeln und unter Berücksichtigung des zu einem früheren Zeitpunkt geäußerten Willens des Patienten jede über das notwendige Maß hinausgehende Therapie vermeiden.“ Damit dies respektiert werden kann, muss der Wille des Patienten aber bekannt und nachvollziehbar sein.
Dr. Herbert Heidegger, Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran und Mitglied des Landes-Ethikkomitees, das sich seit Jahren eingehend mit dieser Frage befasst: „In der modernen Medizin gibt es große Fortschritte, viele Krankheiten können erfolgreich geheilt werden, aber es gibt Situationen, wo sich die Frage stellt, hat es Sinn, weiter zu therapieren?“
In Artikel 38 des oben zitierten Codex deontologicus heißt es weiter (Selbstbestimmungsrecht des Bürgers und Verfügungen): „...Ist der Patient nicht in der Lage, seinen Willen zu äußern, muss sich der Arzt bei seinen Entscheidungen an frühere, sicher nachweisbare Äußerungen des Patienten halten.“ Sprich an eine Patientenverfügung, in der Folge mit PV abgekürzt.
Dr. Heidegger: „Es ist ein wichtiges medizinisches Prinzip die Autonomie des Patienten zu respektieren, deshalb muss ja auch immer vor jedwedem Eingriff eine Einwilligung eingeholt werden.“ Diese Autonomie so Heidegger, ist eine Herausforderung. Nicht immer werden die Wünsche des Patienten berücksichtigt, nicht immer liegen sie vor, die Situation ist nicht geklärt und das führt nicht nur zur Verunsicherung und vor allem Überforderung der Angehörigen, sondern auch zu unguten Spannungen zwischen den medizinischen Akteuren. „Die PV gehört zur Vorsorgeplanung wie die Krebsvorsorgeuntersuchungen.“ Aber damit dies auch so ist, müssen in erster Linie die Bürger sich dieses Rechts bewusst sein und es in Form einer Patientenverfügung wahrnehmen.
Im Vinschgau ist ein Pilotprojekt am Laufen, wonach die Hautärzte von sich aus aktiv werden und ihre Patienten auf ihre Patientenverfügung ansprechen. Sie bieten ihnen Hilfestellung und Zeit an, um diese Angelegenheit in aller Ruhe miteinander zu besprechen. Laut Heidegger seien die Allgemeinärzte auch die ideale Anlaufstelle, wo eine solche PV zu deponieren sei, damit sie im Ernstfall auch zur Hand ist. Jeder Betroffene kann zusätzlich seine Kopie der PV an einem allgemein zugänglichen Ort aufbewahren, bzw. einen oder auch beide der Zeugen, die diese Willensbekundung unterzeichnen, bitten, diese aufzubewahren.
Damit eine PV rechtlichen Wert hat, sollte sie auf entsprechenden Vordrucken vorgenommen werden. Sie muss von zwei Zeugen unterschrieben werden, die auch als Garant gelten, dass der Wille des Patienten durchgesetzt wird.
Unter www.provinz.bz.it/gesundheitswesen/komitees/patientenverfuegung.asp kann sich jeder sowohl eine informative Broschüre als auch das betreffende Formular herunterladen. Konkret enthält die PV die Zustimmung oder Verweigerung von Therapiemaßnahmen im Fall von schwerer oder todbringender Krankheit, Wachkoma oder im Fall von zukünftiger Entscheidungsunfähigkeit.
Im Zusammenhang mit dem Pilotprojekt hat sich auch der Bezirk Vinschgau der Südtiroler Krebshilfe dieses Themas angenommen. Im vergangenen März fand ein Vortragsabend mit Sozialassistentin Anita Tscholl von der Hospizbewegung der Caritas Diözese Bozen Brixen statt, in der diese sehr anschaulich über Hintergründe und formale Aspekte der Patientenverfügung informierte.
In den USA ist die PV wichtiger Baustein des Konzepts Advance Care Planning, das auch Palliative care und Hospiz miteinschließt. Auch in Deutschland ist diese aktive gesundheitliche Vorsorgeplanung in vielen Ländern sehr aktuell und hat z. B. in Nordrhein Westfalen zum Konzept „beizeiten begleiten“ geführt. In mehreren Altersheimen wurden die Bewohner auf ihre Wünsche angesprochen und haben daraufhin aktiv und bewusst eine PV erstellt.
Wer eine PV verfassen möchte, muss sich darüber im Klaren sein, was er z. B. im Fall eines Komas wünscht. Künstliche Ernährung, Flüssigkeitsversorgung, Abhängigkeit von medizinischen Apparaten. Die PV ist nicht nur ein Thema für das Alter oder für Situationen, wo das Lebensende aufgrund von Krankheit zumindest möglich ist. Auch junge Menschen, die mitten im Leben stehen können einen Unfall haben, bei ärztlichen Routineeingriffen kann es zu Komplikationen kommen, ein Aneurysma kann die eigene Willensbekundung unmöglich machen… In diesem Sinne ist die Patientenverfügung nur eine weitere Form der Eigenverantwortung, die jeder von uns für seine Gesundheit hat. Ob es nun um einen gesunden Lebensstil geht, der Krebs und anderen Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes vorbeugt, um das regelmäßige Wahrnehmen der Vorsorgeuntersuchungen oder eben die Patientenverfügung.
Dr. Herbert HeideggerDr. Herbert Heidegger