Hospiz und Palliative Care

Man kann den Menschen nicht alles abnehmen

Dr. Adolf Engl, Hausarzt und Präsident der Südt. Akademie für Allgemein-Medizin
E r ist einer der Wegbereiter des Palliativgedankens in Südtirol, Dr. Adolf Engel, seit 30 Jahren Hausarzt in Brixen und Präsident der SAkAM, der Südtiroler Akademie für Allgemein-Medizin. Begonnen hat alles 1999 im Rahmen des Ersten Kongresses
der Allgemeinmedizin unter dem Thema: Hoffnung oder Resignation – Hausärztliche Begleitung von Schwerkranken. Südtirol ist von einem großen Stadt-Land-Gefälle geprägt. Auf dem Land ist der Hausarzt noch lebenslanger Begleiter und auch Vertrauter des Patienten. Laut einer Umfrage, ziehen es die meisten Südtiroler vor, zuhause gepflegt zu werden und zuhause zu sterben.„In unserer täglichen Arbeit gibtes fast immer Palliativpatienten. Sie müssen nur ab und zu ins Krankenhaus zur Überbrückung. Wir arbeiten eng mit dem Sprengelpersonal und den Familien zusammen“, erklärt Dr. Adolf Engl. Von größter Bedeutung sei für ihn, ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Patienten und zu seinen Angehörigen. „Die Bereitschaft vermitteln, immer da und ganz offen zu sein.“ Jeder Patient habe je nach Krankheit und Charakter ganz eigene Bedürfnisse. “ Eine anstrengende Tätigkeit. Auch an Wochenenden. Eine Arbeit mit einer großen emotionalen Belastung, mit der man lernen muss umzugehen.Adolf Engl hat für sich persönlich diese Lehre aus seiner langjährigen Tätigkeit gezogen: „Die Zeit zu nutzen, die bleibt. Sich auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren ohne sich in Unwichtigkeiten zu verlieren.“ Nicht jeder Palliativpatient geht dem Sterben entgegen. Aber natürlich ist auch das Sterben eine Konstante in der Arbeit eines Hausarztes. „Und Sterben ist für jeden von uns das größte Problem im Leben. “, fasst Adolf Engl zusammen. „Wichtig ist in diesem Augenblick nicht in leeren Aktionismus zu verfallen. Man kann den Menschen nicht alles abnehmen, man muss jedem Menschen sein Sterben zumuten, das gibt ihm Würde.“ In den letzten 30 Jahren habe sich viel geändert. Für die Patienten und für die Allgemeinmediziner. Lebensqualität könne auch Patienten mit chronischen, unheilbaren Krankheiten gewährleistet werden. Andererseits, so Dr. Engl,"steigt die Belastung für die Allgemeinmediziner im Territorium zusehends, auch durch vermehrte bürokratische Belastung.“ Auch gehen die Menschen häufiger zum Arzt als noch vor zwanzig Ahren. „Mündiger Patient, ja. Weil jeder sich heute über alles informieren kann. Aber gleichzeitig werden die Menschen auch immerhilfloser im Umgang mit Krankheit und mit Beschwerden.“ Die Änderungen in der Gesellschaft bedingen, dass der Hausarzt für viele Menschen eine wichtige Vertrauensperson werde. „Für nicht wenige auch die einzige!“

Hospiz und Palliative Care

Demut und Nähe

Dr. Karl Lintner, Hausarzt in Klausen und Betreuer des Palliativprojekts im Eisacktal
„Für die Betreuung von Palliativ-Patienten bedarf es einer kulturellen Entwicklung von Seiten der Ärzte: Demut und den Mut, nur die Hand zu halten, offen zu sein und Nähe zu schenken.“ Der Klausener Hausarzt Karl Lintner ist Koordinator der Grundversorgung Eisacktal; seit 2003 betreut er auchdas lokale Palliativprojekt. Die technische Entwicklung verleitet dazu, immer noch mehr tun zu wollen, auch wenn die Medizin an ihre Grenze gestoßen ist. „Die Patienten verstehen das meist von selbst und tun sich leichter damit umzugehen, als ihre Angehörigen. Sie wollen nicht unnötig unter medizinischer Maschinerie leiden.“ Hier muss auch der Arzt umdenken lernen. „Die meisten Menschen sterben unkompliziert und nicht dramatisch, sie brauchen den Arzt nicht mehr als technischen Experten, sondern als begleitenden Menschen.“ „In den Krankenhäusern Brixen und Bruneck braucht es keine eigene Palliativstation“, erklärt Dr. Lintner, „notwendig wäre aber eine bestimmte Anzahl von Betten, um Palliativpatienten über einen kurzen Zeitraum im Krankenhaus zu versorgen, als Ergänzung zur Hauspflege, die vom Hausarzt, dem Personal des Sanitätssprengels und den Angehörigen geleistet wird.“ Betten für die aber auch ein entsprechendes Team zur Verfügung stehen sollte, d. h. Palliativist, Psychologe, Pfleger und Physiotherapeuten. Hausärzte sind Freiberufler, um sie entsprechend in das Palliativprojekt einbinden zu können, so Dr. Karl Lintner, muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. „Noch immer ist die Ausbildung nicht ausreichend auf diese relativ neuen Anforderungen der Allgemein-Medizin eingestellt. Die jungen Ärzte sind auf diese Situation meist nicht genug vorbereitet und daher unsicher.“