Hospiz und Palliative Care

Zuhören – gut zuhören können

Rabbi Elia Enrico Richetti
Wir leben in einer multikulturellen und multiethnischen Gesellchaft– auch in Südtirol. Die Erfahrung Krankheit ist für alle Menschen gleich. Und wenn die Krankheit unheilbar ist, braucht jeder in gleichem Maße Beistand, egaL aus welcher Kultur er kommt. Elia Enrico Richetti war lange Zeit der Chefrabbiner von Venedig.
Die jüdische Gemeinde in Südtirol ist klein, hat zu wenige Mitglieder, um einen eigenen Rabbi zu haben. Aus diesem Grund haben wir uns an Rabbi Richetti gewandt, der auch jetzt noch Menschen in Extremsituationen und ihren Angehörigen beisteht.
“Mesnchen, die wissen, dass sie an einer unheilbaren Krankheit leiden, haben zumeist das Bedürfnis sich auszusprechen, alles, was sich in ihnen angestaut hat, herauszulassen.” Für Elia Richetti ist die Gabe des Zuhörens, des zwischen den Worten Heraushörens, von größter Bedeutung im Umgang mit kranken Menschen. „Nur wer wirklich zuhören kann, kann versuchen, die Sichtweise der betroffenen Person ins Positive zu wechseln.” Da sein, aber auch das Versprechen, ein Gebet in der Synagoge für die Heilung und für das Wohlergehen des Patienten zu sprechen, kann sich positiv auf den Zustanddes Kranken auswirken und ihm Erleichterung geben.
Das Sich Kümmern bezieht immer auch die Verwandten mit ein. Aber nicht nur. Rabbi Richetti nimmt gewöhnlich auch Kontakt mit den Ärzten und dem Pflegepersonal auf, die sich um den Kranken kümmern, vor allem dann, wenn es keine nahen Angehörigen gibt. Er vermittelt ihnen einige Informationen,die an die Religion des Patienten gebunden sind und deren Beachtung dem Betroffenen ein besonderes Gefühl des Angenommenseins vermitteln können. „Das hilft nicht nur Missverständnisse schon im Vorfeld auszuräumen, es hilft auch in Empathie mit dem Betroffenen zu treten. Kleine Zeichen, wie z.B. sich daran zu erinnern, dem Kranken Matzen-Brot während des jüdischen Osterfests zu reichen.“

Hospiz und Palliative Care

Der Dienst des Versprachlichen

Marcus Friedrich, Pastor der evangelischen
Gemeinde Bozen
“Für mich ist wichtig, zu zeigen, es geht weiter.” Wenn Marcus Friedrich, evangelischer Pastor in Bozen, zu einem Menschen gerufen wird, der unheilbar krank ist, dann sieht er sich vor allem in der Rolle des Versprachlichers, desjenigen, der die richtigen Worte finden kann und darf für diese ganz besondere Situation im menschlichen Leben.
„Menschen sind bis zu ihrer Abreise kommunikativ, auch wenn es nicht so scheint“, davon ist Marcus Friedrich überzeugt. Und tatsächlich gelingt es ihm oft mit den kranken Menschen in Kontakt zu treten, auch wenn es vielleicht zum Sprechen nicht mehr reicht. Wichtig sei ihm auch die Familie, die Menschen, die dem Kranken nahestehen, kennenzulernen, sie mit einzubeziehen.
Für ihn gilt in jedem Fall das Prinzip der Freiheit des Umgangs. Es geht darum, was der Betreffende, was seine lieben Menschen sich wünschen und erwarten. Er bringe von Berufs wegen das entsprechende (Sprach)Werkzeugmit. „Wenn alle Worte versagen, sind es oft die alten Texte aus der jüdischen und der christlichen Tradition, die Trost bringen, die mir dabei helfen, für jemanden die Himmelspforte aufzustemmen.“ Ein Kollege von ihm bezeichne sich als Sterbe-Amme. Ein seltsam anmutendes Wort, das aber beidesverbindet: den Tod als Ende eines Weges und das Sterben als Beginn, als Übergang.
„Für mich ist es von großer Bedeutung, den Menschen zu motivieren, diesen Augenblick zu nutzen, um Ungesagtes auszudrücken, Belastendes, Ungelöstes abzuwerfen, um sich Liebe zu bezeugen.“ Wenn es mit eigenen Worten zu viel Mühe mache, auch mit Hilfe von Texten, die ausdrücken können, was in diesen Übergang fällt. „Wenn das gelingt, die mentale Loslösung von dem, was ans Leben fesselt, dann wird die Befreiung ersichtlich.“
Wichtig sei ihm als evangelischer Pastor auch die Handlung des Segnens. Das Handauflegen als haptisches Signal der Nähe, der menschlichen wie der Nähe Gottes. Leider werde er oft erst spät informiert, meist aus Angst der Angehörigen, aus der Unfähigkeit heraus, das Schicksal zu akzeptieren. „Der Pfarrer wird nur zu oft als Todbringer gesehen, dabei sind wir Begleiter.“