Hospiz und Palliative Care

Den Tod nicht totschweigen

Der Verein Papavero– Mohn fördert Palliativ -Care
Der Gesprächsraum Oasis im Hospiz Bozen 

Der Gesprächsraum Oasis im Hospiz Bozen 

Die Vorsitzende Mara Zussa

Die Vorsitzende Mara Zussa

Sieben waren sie, fünf Frauen und zwei Männer, die 2008 ein ebenso mutiges wie weittragendes Projekt verwirklicht haben: die Gründung des Vereins Papavero – Mohn zur Förderung von Palliative Care. Mittlerweile hat der Verein mehr als 400 effektive Mitglieder und ist im Raum Bozen und Umgebung aktiv.
Ein gemütliches, freundlich eingerichtetes Zimmer mit dem bezeichnenden Namen Oasis, ein Fiat Panda für Hausbesuche, Stereoanlagen, Zeitschriftenabonnements, Einrichtungsgegenstände der Gemeinschaftsräume, Pflanzen, eine neue Kinderecke und vieles andere mehr hat der Verein in den vergangenen Jahren für das Hospice im Bozner Krankenhaus angeschafft. Dazu der Service für kostenlose warme Getränke für Patienten und Besucher.
Die Mitglieder des Vereins und auch dessen Direktion sind bunt gemischt, Leute jeden Alters, zumeist Frauen, die eines gemeinsam haben: eine besondere Erfahrung, bzw. eine besondere Sensibilität, die sie dazu bringt, sich aktiv in der Palliative Care einzusetzen. Mit konkreten Dingen, wie die oben beschriebenen Einrichtungen aber vor allem auch durch die Zeit, die sie verwenden, um sich Patienten und Familienangehörigen, die Palliative Care in Anspruch nehmen, zuwidmen.
„Viele von uns sind durch ganz persönliche Erlebnisse in der Familie bei Papavero – Mohn gelandet“, erklärt Mara Zussa, Vorsitzende des Vereins, der sich ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert und nur bei bestimmten Projekten um einmalige Zuwendungen von öffentlicher Seite ansucht. Eine bewusste Entscheidung, um unabhängig zu sein.
In vier Jahren hat es der Verein weit gebracht. Die Arbeit des Vereins zielt vor allem auf drei Dinge: auf die Information der breiten Bevölkerung, was Palliative Care überhaupt ist, die Aus- und Weiterbildung des mit palliative Care beauftragten Personals und die Ausstattung des Hospices in Bozen mit allem, was dazu dient, den Aufenthalt dort sowohl für die Patienten als auch für deren Angehörige so angenehm wie möglich zu gestalten.
Vor allem zwei Aktionen haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Idee der Palliativ-Pflege zu verbreiten und Palliativ-Pflege und alles, was damit zusammenhängt aus dem Bereich des Tabus herauszuholen. Eine landesweite Unterschriftensammlung für die Eröffnung eines Hospiz,bei der Papavero-Mohn über 25.000 Unterschriften sammeln konnte und die Ausstellung „Nochmal leben“ in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Design&Künste im Foyer der Freien Universität Bozen. Großformatige Fotos von Menschen während ihres Aufenthaltes in verschiedenen Hospizen in Deutschland vor und direkt nach ihrem Ableben, begleitet von ihrer Lebensgeschichte. Eine zu Herzen gehende Ausstellung, die, so Mara Zussa, zum Nachdenken anregen und nicht etwa Furcht oder Angst auslösen sollte. „Wir wollen, dass das Thema Tod nicht mehr totgeschwiegen wird. Für uns ist der Tod etwas Natürliches, er gehört zum Leben wie die Geburt.“
Teil dieser Einstellung ist auch, dass Papavero – Mohn sich mit dem Thema Tod auch an junge Menschen richtet. „Wir haben mit Schülern des Lyzeums Carducci ein Videoclip für You-tube produziert, Schüler des ITC haben unsere Webseite erstellt.“ Für dieses Schuljahr hat der Verein ein Projekt für Grundschulen erarbeitet und dem Schulamt unterbreitet.
Mit Mitteln des Vereins werden Masterkurse für das Personal des Hospice in Bozen finanziert sowie Kurse für die freiwilligen Mitarbeiter. „Es braucht mehr als ein gutes Herz, um den Patienten und Angehörigen beizustehen“, betont Mara Zussa.
Worauf der Verein großen Wert legt: „Wir suchen Mitglieder, die mitten im Lebenstehen, nicht Menschen, die nichts (mehr) zu tun haben, und bei uns die Leere in ihrem Leben füllen wollen. Zeit, die von der wenigen Zeit, die jeder hat, abgezwackt wird für diese Art von Volontariat ist mehr wert als das Volontariat zu nutzen, um sein Leben mit Sinn zu füllen.“
Papavero -Mohn erneuert alle zwei Jahre seinen Vorstand. Derzeit sind es die Gründungsmitglieder Mara Zussa (Vorsitzende) und ihre Stellvertreterin Maria Grazia Rigobello sowie Tatiana Wieser, Cristina Bragaja, Beatrice Adriano, Michela Dasser, Sara Grudina, Mario Trimarchi sowie Massimo Bernardo und KatrinGapp von der Palliativabteilung des Krankenhauses Bozen, als wissenschaftliche Berater.
Die Vorstandsmitglieder von Papavero - Mohn
Die Vorstandsmitglieder von Papavero - Mohn

Hospiz und Palliative Care

Die Fachleute des Alltäglichen

220 Freiwillige der Hospizbewegung der Caritas in Südtirol
Günther Rederlechner, Koordinator des Caritas Hospizdienstes
Günther Rederlechner, Koordinator des Caritas Hospizdienstes
In Südtirol gibt es mittlerweile 220 von ihnen: die Freiwilligen der Hospizbewegung der Caritas. Begonnen hat alles 1997 mit dem ersten Ausbildungskurs der Pilotprojektgruppe. Jedes Jahr bietet die Caritas einen solchen Kurs an, 160 Stunden, davon 30 als Praktikant. Dem Kurs geht ein umfassendes Auswahlverfahren mit abschließendem Bewerbungsgespräch voran.
Nach Abschluss der Ausbildung wird dann endgültig entschieden, ob die betreffende Person geeignet ist für diesen Dienst oder nicht, erklärt Günther Rederlechner, Koordinator des Caritas Hospizdienstes. Die Freiwilligen sind aufgeteilt in Bezirksgruppen, jeder Bezirk hat einen hauptamtlichen Koordinator. Die Gruppen treffen sich einmal im Monat mit dem Bezirkskoordinator und dem Supervisor. Bei Bedarf auchöfter und für Einzelgespräche.
Im Kurs geht es in erster Linie um Selbstreflexion. Was bringt der Betreffende mit, welche Motivation hat. Die Kursteilnehmer bekommen zudem das notwendige „Handwerkszeug“ vermittelt. Notionen in Kommunikationstechniken, Kenntnisse über Krankheitssymptome, eine Einführung in Psychologie und Spiritualität. Nach der Ausbildung nehmen alle Ehrenamtlichen regelmäßig an Fortbildungen und Supervisionen teil.
„Zudem begleiten wir jeden einzelnen Mitarbeiter in seiner individuellen Tätigkeit, einmal im Jahr führen wir mit jedem Einzelnen ein Mitarbeitergespräch.“ Diese Kontrolle ist wichtig, um zu gewährleisten, dass die Arbeit des Ehrenamtlichen voll und ganz auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet ist. Rederlechner: „Wir wollen keine Missionare, ebenso wenig wie Menschen, die dieses Art Dienst versehen, um ihre eigenen Probleme zu lösen. Nur der Betroffene und seine ganz individuellen Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt.“
Worauf Günther Rederlechner größten Wert legt, ist die Feststellung: „Wir sind in allen Bereichen unserer Tätigkeit radikal Betroffenenorientiert. Mit anderen Worten der Betroffene gibt den Weg vor.“ Die Ehrenamtlichen des Hospizdienstes bezeichnet Rederlechner gerne als Fachleute des Alltäglichen. „Sie bringen etwas Normalität in den medizinisch-technisch orientierten Alltag des kranken Menschen, spiegeln die Gesellschaft wider, vermitteln das Gefühl, du bist nicht allein.“
Die Ehrenamtlichen der Caritas können sich aussuchen, in welchem Bereich sie lieber tätig sind. Zuhause, in den Alten- und Pflegeheimen oder in den beiden Hospizen in Südtirol, in Bozen und Meran. Die Arbeit der Ehrenamtlichen wird vom Verantwortlichen des jeweiligen Bezirks nach Rücksprache mitihnen koordiniert. Im Schnitt kommt jeder drei bis viermal pro Monat zum Einsatz. Zu Beginn waren die Ehrenamtlichen eher älter, oftmals Menschen, die bereits aus der aktiven Arbeitswelt ausgeschieden sind. Mittlerweile verjüngt sich aber das Durchschnittsalter zusehends und es gibt auch MenschenMitte dreißig, die sich Zeit für diese Aufgabe aus ihrem nicht selten vollgepackten Alltag herausschneiden.
Ein Grundgedanke des Hospizdienstes ist, die Tabuthemen Sterben, Tod und Trauer zurück ins Leben zu holen. Die Ehrenamtlichen kümmern sich in diesem Sinne um die Betroffenen aber auch umderen Angehörige. Auch beim Trauern brauchen Menschen Unterstützung und Nähe. Günther Rederlechner: „Wir haben verlernt, über diese Dinge zu reden. Wir möchten dieses Thema wieder im Bewusstsein der Gesellschaft verankern.“ Zu diesem Zweck ist die Hospizbewegung auch in der Kinder- und Jugendarbeit tätig, wendet sich mit diesem Thema ganz bewusst auch an junge und sehr junge Menschen.
„Mit unserem Dienst möchten wir gemeinsam mit den anderen Institutionen, den Palliativisten, dem Pflegepersonal, den Angehörigen, dazu beitragen, dass die Menschen, die diesen Weg gehen, ein gutes Leben bis zuletzt haben“, betont Günther Rederlechner. „Je besser das Netzwerk funktioniert, desto höher die Lebensqualität des Betroffenen. Sterben ist Teil des Lebens, gehört zu jedem Leben dazu.“, betont Günther Rederlechner. „Sterbebegleitung beginnt dort, wo man Karten miteinander spielen oder spazieren gehen kann. Eigentlich ist es ein jahrelanger Prozess…“