Hospiz und Palliative Care

Hier bin ich ruhig

Rolando Colletti sitzt auf dem Balkon vor seinem Zimmer und raucht eine Zigarette. Seit fünf Tagen ist er in Martinsbrunn. “Ich bin ruhiger seit ich hier bin.”
Seit Juni ist er krank. Er hat jede Therapie abgestellt. Nichts hilft mehr. Eine letzte Chemotherapie hat er abgelehnt.“Warum soll es mir schlecht gehen, nur um einen Monat länger zu leben.“ Auf der Palliativstation geht es ihm gut. Er hat keine Schmerzen. Bei schönem Wetter geht er im Park spazieren. Er trifft sich mit dem Psychologen in der Bar. In der Mittagszeit, wenn die Herbstsonne noch wärmt, sitzt ergerne auf seinem Balkon.
Rolando Colletti ist 67 Jahre alt und er weiß, dass es nicht mehr werden. Er trägt es mit Philosophie. „Es hat halt mich getroffen. Pech gehabt. Ich habe 52 Jahre geraucht und bis Juni ging es mir immer gut.” Rolando Colletti hat in einem Hotel gearbeitet. Er hat spät geheiratet und hat zwei Söhne. Seine Frau ist pflegebedürftig. Er kann ihr nicht mehr beistehen.
“Ich weiß, dass ich von hier nicht mehr weggehe”, sagt Rolando Colletti. “Aber mir geht es gut. Es ist etwas ganz anderes hier, als im Krankenhaus. Sie verwöhnen mich. Sie gehen auf meine Wünsche ein. Und nach dem Essen bringen sie mir sogar den Kaffee auf´s Zimmer.“ Er schaut mir gerade in die Augen: „So ist das. Aber ich habe keine Angst.” Dann steht er auf, um für einen Spaziergang in den Park zu gehen.

Hospiz und Palliative Care

Den Tod nicht totschweigen

Der Verein Papavero– Mohn fördert Palliativ -Care
Der Gesprächsraum Oasis im Hospiz Bozen 

Der Gesprächsraum Oasis im Hospiz Bozen 

Die Vorsitzende Mara Zussa

Die Vorsitzende Mara Zussa

Sieben waren sie, fünf Frauen und zwei Männer, die 2008 ein ebenso mutiges wie weittragendes Projekt verwirklicht haben: die Gründung des Vereins Papavero – Mohn zur Förderung von Palliative Care. Mittlerweile hat der Verein mehr als 400 effektive Mitglieder und ist im Raum Bozen und Umgebung aktiv.
Ein gemütliches, freundlich eingerichtetes Zimmer mit dem bezeichnenden Namen Oasis, ein Fiat Panda für Hausbesuche, Stereoanlagen, Zeitschriftenabonnements, Einrichtungsgegenstände der Gemeinschaftsräume, Pflanzen, eine neue Kinderecke und vieles andere mehr hat der Verein in den vergangenen Jahren für das Hospice im Bozner Krankenhaus angeschafft. Dazu der Service für kostenlose warme Getränke für Patienten und Besucher.
Die Mitglieder des Vereins und auch dessen Direktion sind bunt gemischt, Leute jeden Alters, zumeist Frauen, die eines gemeinsam haben: eine besondere Erfahrung, bzw. eine besondere Sensibilität, die sie dazu bringt, sich aktiv in der Palliative Care einzusetzen. Mit konkreten Dingen, wie die oben beschriebenen Einrichtungen aber vor allem auch durch die Zeit, die sie verwenden, um sich Patienten und Familienangehörigen, die Palliative Care in Anspruch nehmen, zuwidmen.
„Viele von uns sind durch ganz persönliche Erlebnisse in der Familie bei Papavero – Mohn gelandet“, erklärt Mara Zussa, Vorsitzende des Vereins, der sich ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert und nur bei bestimmten Projekten um einmalige Zuwendungen von öffentlicher Seite ansucht. Eine bewusste Entscheidung, um unabhängig zu sein.
In vier Jahren hat es der Verein weit gebracht. Die Arbeit des Vereins zielt vor allem auf drei Dinge: auf die Information der breiten Bevölkerung, was Palliative Care überhaupt ist, die Aus- und Weiterbildung des mit palliative Care beauftragten Personals und die Ausstattung des Hospices in Bozen mit allem, was dazu dient, den Aufenthalt dort sowohl für die Patienten als auch für deren Angehörige so angenehm wie möglich zu gestalten.
Vor allem zwei Aktionen haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Idee der Palliativ-Pflege zu verbreiten und Palliativ-Pflege und alles, was damit zusammenhängt aus dem Bereich des Tabus herauszuholen. Eine landesweite Unterschriftensammlung für die Eröffnung eines Hospiz,bei der Papavero-Mohn über 25.000 Unterschriften sammeln konnte und die Ausstellung „Nochmal leben“ in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Design&Künste im Foyer der Freien Universität Bozen. Großformatige Fotos von Menschen während ihres Aufenthaltes in verschiedenen Hospizen in Deutschland vor und direkt nach ihrem Ableben, begleitet von ihrer Lebensgeschichte. Eine zu Herzen gehende Ausstellung, die, so Mara Zussa, zum Nachdenken anregen und nicht etwa Furcht oder Angst auslösen sollte. „Wir wollen, dass das Thema Tod nicht mehr totgeschwiegen wird. Für uns ist der Tod etwas Natürliches, er gehört zum Leben wie die Geburt.“
Teil dieser Einstellung ist auch, dass Papavero – Mohn sich mit dem Thema Tod auch an junge Menschen richtet. „Wir haben mit Schülern des Lyzeums Carducci ein Videoclip für You-tube produziert, Schüler des ITC haben unsere Webseite erstellt.“ Für dieses Schuljahr hat der Verein ein Projekt für Grundschulen erarbeitet und dem Schulamt unterbreitet.
Mit Mitteln des Vereins werden Masterkurse für das Personal des Hospice in Bozen finanziert sowie Kurse für die freiwilligen Mitarbeiter. „Es braucht mehr als ein gutes Herz, um den Patienten und Angehörigen beizustehen“, betont Mara Zussa.
Worauf der Verein großen Wert legt: „Wir suchen Mitglieder, die mitten im Lebenstehen, nicht Menschen, die nichts (mehr) zu tun haben, und bei uns die Leere in ihrem Leben füllen wollen. Zeit, die von der wenigen Zeit, die jeder hat, abgezwackt wird für diese Art von Volontariat ist mehr wert als das Volontariat zu nutzen, um sein Leben mit Sinn zu füllen.“
Papavero -Mohn erneuert alle zwei Jahre seinen Vorstand. Derzeit sind es die Gründungsmitglieder Mara Zussa (Vorsitzende) und ihre Stellvertreterin Maria Grazia Rigobello sowie Tatiana Wieser, Cristina Bragaja, Beatrice Adriano, Michela Dasser, Sara Grudina, Mario Trimarchi sowie Massimo Bernardo und KatrinGapp von der Palliativabteilung des Krankenhauses Bozen, als wissenschaftliche Berater.
Die Vorstandsmitglieder von Papavero - Mohn
Die Vorstandsmitglieder von Papavero - Mohn