Aktuell

Die eigene Brust besser kennen

Kurse zur Brustselbstuntersuchung nach der Methode MammaCare – Elf Breast-Care-Nurses in Südtirol
Sie sind Expertinnen für Brustgesundheit. Das Bindeglied zwischen Patientinnen Ärzten und Pflegepersonal, Vertrauensperson und kompetenter Ansprechpartner für Patientinnen und Angehörige.
Die Breast-Care-Nurses, kurz BCN. Elf davon gibt es zurzeit in Südtirol. Letztes Jahr haben sie gemeinsam ein landesweites Projekt realisiert, welches ihnen schon lange am Herzen lag: Sich selbst fühlen/conoscere se stessa: Kurse zur Brustselbstuntersuchung nach der MammaCare-Methode.
Sechzig Prozent der an Brustkrebs erkrankten Frauen haben ihren Knoten in der Brust selbst ertastet, und das obwohl nur 27% regelmäßig die Brustselbstuntersuchung (BSU) durchführen. Die BSU ersetzt die Früherkennunguntersuchung (Mammografie, Ultraschall, ...) nicht, ist jedoch eine sinnvolle Ergänzung und hilft den eigenen Körper bzw. die eigene Brust besser zu kennen um Veränderungen „frühstmöglich“ zu bemerken.Die Fingerendglieder sind sehr sensibel, wenn Frau weiß, wie es gemacht wird, ist die BSU eigentlich ein Kinderspiel, oder fast. Warum aber scheuen sich die Frauen dann davor, haben wir Martina Tetter gefragt, Breast-Care-Nurse am Krankenhaus Bozen und federführend am Projekt beteiligt. „Oft ist es Vergesslichkeit oder Stress“, sagt sie, „meist jedoch ist es die Angst und Unsicherheit.“ Viele Frauen fühlen in der Tat immer irgendeinen Knoten, wenn sie ihre Brust abtasten und lassen es dann lieber sein. Andere wollen gar nicht erst tasten, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, wenn da tatsächlich etwas zu fühlen sein sollte. Die Brustselbstuntersuchung kann jedoch auch als Kontrollinstrument gegen die Angst verwendet werden. Selten ist eine übermäßige Anwendung zu beobachten. 80% der Veränderungen sind gutartiger Natur und „Knoten“ ist nicht gleich „Knoten“ und wer sein Brustgewebe kennt, erspart sich Angst.
In Brixen und Meran werden schon seit 2012 regelmäßig Kurse in der BSU angeboten. In Bozen seit Beginn dieses Jahres. 10 BCN haben eine Ausbildung zur Brustselbstuntersuchung nach der MammaCare- Methode absolviert. „Auch das gehört zu unseren Aufgaben: die Frauen für die Früherkennungsuntersuchungen zu sensibilisieren bzw. sie bestmöglichst zum eigenen Brustbewusstsein (Breast Avareness) zu schulen, um damit auch eine Selbstverantwortung für die eigene Brustgesundheit übernehmen zu können", so Martina Tetter.
Zu den kostenlosen Kursen, die in den Krankenhäusern abgehalten werden, meist ab 17 Uhr, damit auch berufstätige Frauen daran teilnehmen können, können sich jeweils vier Frauen anmelden. Nach einem theoretischen Teil, welcher sich mit der Anatomie der Brust, deren physiologischen Veränderungen im Laufe des Lebens, benigne und maligne Veränderungen der Brust, wohin Frau sich bei bei Veränderungen/Neuigkeiten wenden kann, den beeinflussbaren Risikofaktoren bezüglich Brustkrebs, den vom Sanitätsbetrieb empfohlenen Früherkennungsuntersuchungen etc. befasst, führen die BCN anhand von naturgetreuen Silikonmodellen das Tasten vor. Die naturgetreu nachempfundenen Modelle haben große und kleine, ungefährliche und verdächtige Knoten. Ebenso wie unterschiedliche Gewebsstrukturen, eine Seite glatt, die andere eher körnig/knotig. So wie echte Brüste eben sind. Im Anschluss werden dann unter Anleitung der Breast-Care-Nurse das Abtasten praktisch an Silikonmodellen geübt. Der praktische Teil an der eigenen Brust erfolgt zu Hause, da es einige Zeit braucht, seine eigene Brust kennenzulernen und es schwierig ist, Kurse nach dem Zyklus der Frau anzubieten (BSU nach der Regelblutung!). Ein Nachtreffen erfolgt jedoch nach 6 Monaten um den Teilnehmerinnen genügend Zeit zu geben das eigene Brustgewebe kennenzulernen.
Im Rahmen einer 5 stündigen Fortbildung für Angestellte des Sanitätsbetriebs haben Martina Tetter und zwei ihrer Kolleginnen, Doris Karnutsch und Katharina Stuefer, das Projekt: Sich selbst fühlen/conoscere se stessa vorgestellt und mit den Teilnehmern, die sie in vier Gruppen zu je vier Personen aufgeteilt haben, einen „Probekurs“ durchgeführt. Interessant war, dass im MammaCare-Kurs von Martina Tetter auch ein Mann mit von der Partie war. Martin, ein Techniker, der histopathologische Schnellschnitte während Operationen analysiert. Die anderen Gruppenteilnehmer waren die Krankenschwester der Chirurgie, Barbara, die Sanitätsassistentin Renate aus Sarnthein, die Krankenschwester der Onkologie, Elisa und Arianna, eine Studentin der Claudiana im dritten Jahr, deren Examensarbeit Martina Tetter betreut.
Sie sitzen alle im Kreis, jeder hält auf dem Schoß das von Martina ausgeteilte, zweifarbige Brustmodell. Zunächst gilt es die Unterschiede der beiden Seiten zu ertasten. Die braune Seite entspricht einer realen Brustdrüse, ist weicher und eher grob in der Textur, die beige Seite ist ganz glatt. „Mit der rechten Hand wird die linke Brust untersucht und umgekehrt“, erklärt Martina. Vor oder nach dem Abtasten ist es wichtig, sich aufmerksam im Spiegel zu betrachten und auf Veränderungen der Haut, der Brustwarze, Sekretionen aus der Brustdrüse oder der Form der Brust zu achten.
Es wird in drei Stärken getastet, erklärt Martina weiter. Zunächst ganz leicht und oberflächlich. Dann ein wenig stärker und im dritten Durchgang heißt es ganz fest hineinzudrücken. Getastet wird in kleinen kreisförmigen Bewegungen etwa von der Größe eines Zehn-Cent-Stücks mit den Kuppen (bis Mittelgelenk) von Zeigefinger, Mittel- und Ringfinger.


Die Breast-Care-Nurse fragt nach der Beschaffenheit der vier Knoten, die im Brustmodell zu tasten sind. Die drei Frauen und ihr männlicher Kollege tasten konzentriert.
Barbara fasst immer wieder zur eigenen Brust, um die Beschaffenheit des Gewebes zu vergleichen. Auch Martin ist ganz konzentriert bei der Sache. Es ist weder ihm noch den Frauen peinlich. Jeder soll einen ertasteten Knoten beschreiben. Martin: „Er ist abgegrenzt, oberflächlich und beweglich wie ein Kaugummibällchen, ca. 4 – 6 mm.“ Renate beschreibt ihren hingegen als spitz und breit, weich und beweglich, ebenfalls gut abgegrenzt. Jener von Elisa ist im unteren Quadranten außen zu spüren, er ist verschiebbar, aber die Form ist nicht evident, sie hat ihn mit der zweiten Taststärke gespürt. Barbara beschreibt ihren Knoten als schwer abzugrenzen, eine diffuse kleine Masse, beweglich und im oberen Quadranten außen. Martina erklärt, dass es hilfreich sein kann, die Beschaffenheit des Knotens, bereits bei der Vormerkung, zu beschreiben bzw. wo sich dieser befindet um auch die Verständung mit dem Arzt während der Visite zu erleichtern.
Die Brust wird in vier Quadranten um die Brustwarze und den Warzenhof eingeteilt. Einen oberen und unteren außen und einen oberen und unteren innen.
Martina Tetter weist immer wieder daraufhin, dass das Ziel der Brustselbstuntersuchung nicht ist, einen Knoten zu suchen, sondern eventuelle „Neuigkeiten“ des Brustgewebes frühstmöglich zu bemerken um diese dann durch den Arzt abklären zu lassen. Die Kurse werden für Frauen ab dem 20. Lebensjahr angeboten. „Wer seine Brust gut kennt, kann auch kleinste Veränderungen wahrnehmen. Die von den BCN angebotenen Kurse und nicht zuletzt auch die Weiterbildungsveranstaltungen für das Sanitätspersonal zum Thema sind Gelegenheiten, um die Öffentlichkeit zur Vorsorge und Früherkennung von Brustkrebs zu informieren bzw. sie zu sensibilisieren.

Für weitere Informationen am besten die Brustgesundheitszentren in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck kontaktieren.

Die elf Südtiroler Breast-Care-Nurses, zehn von ihnen haben die Ausbildung in Mammacare absolviert
Breast-Care-Nurse
Psychologischer Beistand, emotionale Betreuung, empathische Kommunikation, pre- und postoperative Versorgung. Die Aufgaben einer Breast-Care-Nurse sind vielseitig. Sie ist der direkte Ansprechpartner der Patientinnen bzw. auch deren Angehörigen, begleitet sie im Idealfall vom Augenblick der Diagnosestellung bis zum Therapieende und auch noch während der Nachsorgeuntersuchungen. Sie informiert gezielt über diagnostische und therapeutische Maßnahmen und berät in sozialrechtlichen und psychosozialen Fragen, fungiert als Bindeglied zwischen Arzt und Patientin. Als Mitglied des therapeutischen Teams und des Tumorboards arbeitet sie eng mit Ärzten, Pflegenden und Therapeuten zusammen. Vor allem während der Diagnosestellung ist ihre Präsenz unabdinglich. Die meisten Frauen und auch deren Angehörige sind in diesem Augenblick viel zu aufgeregt und geschockt, um allen Erklärungen des Arztes folgen zu können. Die BNC kann am darauffolgenden Tag in aller Ruhe noch einmal alles erklären. Voraussetzung für die Ausbildung zur Breast-Care-Nurse ist die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpfleger/in und mindestens zweijährige Berufserfahrung.
Breast-Care-Nurse Martina Tetter

Aktuell

Keine Jammergruppe

Die Gesprächsgruppe Brixen: Stark durch die Gemeinschaft – Keine Tabus
Elisabeth, Filomena, Sibylle und Roland treffen sich seit drei Jahren regelmäßig mit der Leiterin Regina Bogner. Gertrud ist vor ein paar Monaten zu der Gesprächsgruppe gestoßen. Einmal im Monat heißt es unter sich sein, sich gehen lassen können, offen über alles reden, was man nur schwer mit anderen besprechen kann. Die Anderen, das sind jene, die die Erfahrung Krebs nicht erlebt haben. Regina Bogner hat eine Doppelrolle: Gesprächsleiterin und selbst Betroffene.
Einmal im Monat, Mittwochnachmittag 15.30 bis 18 Uhr. Lachen, Weinen, Trauer, Humor, Austausch, Persönliches, Informationen. Das alles gehört dazu, das alles hat Platz in der Gesprächsgruppe, die Regina Bogner im Auftrag der Südtiroler Krebshilfe aufgebaut hat. "Eine Jammergruppe sind wir nicht", sagt sie bestimmt. Normalerweise trifft sich die Gruppe in Brixen, für das Gespräch mit der Chance sind sie nach Bozen gekommen, ins Studio von Regina Bogner. Zwei Teilnehmerinnen sind verhindert. Ein weiteres Mitglied der Gruppe ist vergangenes Jahr verstorben. Auch das gehört dazu…
Wie sie so vor mir sitzen, fällt mir zunächst eines auf. Sie sind sehr unterschiedlich. Alter, Lebenshintergrund, Arbeit, Familie. Aber die Vielfalt trennt keineswegs, im Gegenteil. Ich spüre auf Anhieb die positive Atmosphäre, den Zusammenhalt und das Vertrauen, das in der Gruppe herrscht, der intensive Blickkontakt. Was sie alle bindet, ist die Erfahrung mit der eigenen Endlichkeit. Die Begegnung mit der Angst. Das Sich-Verraten-Fühlen vom eigenen Körper, das Ausgeliefertsein an die Krankheit. Die Erkenntnis, dass danach alles anders ist, dass man selbst anders ist. Und dass das Umfeld sich nicht immer leichttut, das zu erkennen und zu verstehen.
Keiner von ihnen möchte die Gruppe missen. „Zuhause, im Alltag, bei der Arbeit, mit den Kollegen das ist anders“, sagt Roland, der Chorleiter, Sänger und Dirigent ist, Landwirt mit Gemüse- und Kräuteranbau und halbtags in einem Handelsbetrieb arbeitet. In der Gruppe kann er Ballast ablassen, hier hat er von Regina und von den anderen Betroffenen Strategien gelernt, um Kraft zu tanken und um mit dem fertig zu werden, was die Krankheit hinterlassen hat. Angst vor den Kontrolluntersuchungen zum Beispiel. Angst, nicht mehr singen zu können nach seinem Schilddrüsenkrebs. Und jetzt kommt die Stimme wieder!
Keines der Gruppenmitglieder möchte die monatlichen Treffen und den Austausch missen
Gertrud ist durch einen Artikel in der Chance vor etwa einem Jahr zur Gruppe gestoßen. Sie hat davon gelesen und der Gedanke, Teil einer Gruppe von Gleichgesinnten zu werden, hat sie nicht mehr losgelassen. In der Gruppe hat sie erstmals gewagt, über ihre Angst vor der Vergesslichkeit zu reden. Eine typische Nebenerscheinung der Chemotherapie, wie sie hier erfahren hat, mit der auch die anderen zu kämpfen haben. Ihre letzte Chemotherapie liegt noch nicht so lange zurück. Februar. Und doch findet sie in „ihrer Welt“ nur mehr wenig Verständnis, wenn sie Nein-Tage hat, Tage, an denen die Krankheit ihre Gedanken in Beschlag nimmt. „Stell dich nicht so an. Es gibt auch andere.“ Diese und andere Sätze helfen ihr nicht, wohl aber die Möglichkeit, aus dem Erfahrungsschatz der anderen Gruppenmitglieder für sich das Richtige zu schöpfen.
Elisabeth strahlt Selbstsicherheit aus. Sie sagt, die Selbstsicherheit sei erst gekommen, als sie erkannt habe, dass sie nicht mehr funktionieren müsse. Eine Vorzeige-Frau. Haushalt, Kinder, Arbeit, sie selbst und alles andere immer tiptop. Das war ihr Leben. Eine Maschine. Und dann war die Maschine plötzlich kaputt. Und sie wusste nicht mehr, woher die Kraft holen. Heute hat sie ein ganz anderes Repertoire, um Energie zu tanken. Und heute denkt sie an sich und an das, was ihr wirklich wichtig ist. Dank der Gruppe.
Regina Bogner hilft den anderen und sich selbst dabei, sich bewusst zu werden: der Lebensfreude, die trotz der lebensbedrohlichen Krankheit stärker wird. Des Vertrauens in die Zukunft. Der Sinnhaftigkeit der Krankheit. Der Frage, was habe ich aus dieser Krise lernen können. Und sie gibt Ansätze zu Bewältigungsstrategien, die dann jeder für sich selbst modelliert.
Filomena war die erste, die sich für die Gruppe angemeldet hat. „Ich stand noch unter Schock von der Diagnose, dem Feuer am Dach und wusste nicht, was auf mich zukommt. Es hat mir gutgetan, Menschen zu begegnen, die meinen Weg schon hinter sich hatten.“ Sie hat aus der Gruppe auch Mut geschöpft, um mit den Ärzten offen zu reden. „Ich bin ein anderer Mensch geworden durch die Krankheit und die Gruppe ist für mich ein großer Schatz – und für meine Familie eine Entlastung.“
Sibylle ist die Jüngste in der Runde. Für sie war klar, dass sie keine Einzeltherapie wollte, sondern den Austausch in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Der Altersunterschied stört sie nicht. Und auch nicht die unterschiedlichen Interessen. Sie empfindet das als Bereicherung, schaut gerne über ihren Horizont. Heute fühlt sie sich – nicht zuletzt auch dank der Erfahrungen in der Gesprächsgruppe - wohl in ihrem neuen Leben.
Und plötzlich steht die Frage im Raum: „Würde ich mein altes Leben, das Leben vor dem Krebs wieder nehmen, wenn es möglich wäre?“ Sibylle muss nicht nachdenken: „Nein“, sagt sie bestimmt. „Auf keinen Fall.“ Elisabeth schaut in die Runde, vielleicht selbst verwundert über sich: „Es geht mir gut, aber, ich würde es wieder nehmen.“ Filomena muss denken und auch Gertrud bleibt still. Roland musste schon vor der Frage zu einem Termin. Wer weiß, wie er geantwortet hätte…
Regina Bogner ist Gruppenleiterin und selbst Betroffene
Alle sind verschieden, aber, vieles, was sie bewegt, ist gleich
Im September nimmt die Gesprächsgruppe ihre Treffen wieder auf. Es ist eine offene Gruppe und neue Mitglieder sind willkommen. Interessierte können sich mit Regina Bogner in Verbindung setzen. Die Gruppensprache ist Deutsch. T. 347 361 59 45 | regina_bogner @gmx.net