Lymphdrainage

Wie lang sind fünfzig Minuten?

Lorenzo Maito ist Physiotherapeut im Unterland – Die Basis ist Vertrauen
Ein Mann und zehn Frauen. Hahn im Korb oder Minderheit? Wie man es nimmt. Aber Lorenzo Maito fühlt sich wohl im Kreis seiner Kolleginnen. Er ist auch der einzige Physiotherapeut der Krebshilfe, der Vollzeit arbeitet. Im Bezirk Unterland hat er alleine viel zu tu. Er betreut drei Ambulatorien: Neumarkt, Leifers und Kaltern.
Dass Weiterbildung ihm wichtig ist, erkennt man sofort, wenn man das kleine, gemütliche Behandlungszimmer in Neumarkt betritt. Es ist holzgetäfelt, an der Wand hängen zwei chinesische Papierschirme und alle Bescheinigungen seiner Fortbildungen. Fußreflexzonen-Behandlung, Hals-Nacken-Massage, Cranio-Sakral-Therapie, viszerale Therapie, Bewegungstherapie im Wasser, Heilmassage, sogar einen Kurs in Nordic Walking hat Lorenzo Maito belegt, aber das hat nichts mit Physiotherapie zu tun. Oder vielleicht doch…
Das Unterland liegt sicher näher an Bozen liegt, als etwa das Pustertal, aber trotzdem fühlt sich Lorenzo Maito oft sehr in der Peripherie. Weit weg vom Zentrum. Obwohl er mit seinen Kolleginnen in regem Kontakt steht. Aber das mag auch daran liegen, dass er alleine den ganzen Bezirk betreut, wie nebenbei auch die Therapeutinnen im Vinschgau und in Meran. In den anderen Bezirken arbeiten je zwei Physiotherapeutinnen. Er trifft mit seinen Kolleginnen regelmäßig bei der psychologischen Supervision zusammen. „Wir reden ganz offen über unsere Probleme, was uns bewegt und nicht nur, was die Arbeit betrifft, auch Privates kommt ins Spiel“
„Wir sind in unserem Bereich, Lymphdrainage, hoch spezialisiert“, sagt Lorenzo Maito. Nur werde das vom Sanitätsbetrieb und auch von den privat niedergelassenen Physiotherapeuten nicht so wahrgenommen. Die Abteilungen für Gynäkologie, Onkologie und auch für Palliativmedizin hingegen schätzten die Professionalität der Physiotherapeuten der Südtiroler Krebshilfe sehr, die das richtige Gleichgewicht zwischen kompetenter professioneller Behandlung und persönlicher Ansprache finden, die so wichtig ist bei Krebspatienten.
Lorenzo Maito spricht langsam, seine Stimme ist angenehm sanft. Man kann sich gut vorstellen, wie er arbeitet. Behutsam und intensiv. Er hat viele Patientinnen und nur einen einzigen Patienten. Für einige Patientinnen ist es beim ersten Mal eine Überwindung, sich vor einem Mann zu entblößen. Da braucht es Geduld und Einfühlungsvermögen. Bei der Lymphdrainage werden die intimsten Bereiche berührt. „Körperteile, die viele Frauen selbst nicht berühren oder anschauen aus Scheu.“ Viele Patientinnen haben besonders nach einer Mastektomie ein gestörtes Körpergefühl. Manchmal braucht es Jahre, bis das Gleichgewicht zwischen Seele und Körper wiederhergestellt ist. Auch hierfür ist die Lymphdrainage eine wichtige Hilfe.
Lymphdrainage ist aber längst nicht nur bei Lymphödemen an Armen und Beinen angesagt, erklärt Maito. Auch bei Problemen an inneren Organen, bei Verdauungsstörungen, Darmkrämpfen oder nach einer Resektion des Magens oder der Blase ist diese Therapie hilfreich. „Operationen im Bauchbereich können Rückenschmerzen verursachen und wirken sich auf das Skelett oder auch die Sehnen und Muskeln aus.“ Das gleiche gilt für die Strahlentherapie. Jeder kann diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Immer!
Eine Behandlung dauert fünfzig Minuten. Weniger als eine Stunde. Aber, so der Physiotherapeut, sie können sehr lang sein oder auch wie im Flug vergehen. „Wenn die traditionelle Lymphdrainage beendet ist, lässt Lorenzo Maito sich von dem leiten, was seine Hände spüren und was sich aus dem Gespräch mit dem Patienten ergeben hat. „Man wendet ja nicht nur strikt eine Behandlungsart an, sondern verschiedene Techniken. Es geht nicht darum, nur eine ganz bestimmte Stelle des Körpers zu behandeln, sondern den gesamten Menschen!“
Das Gespräch ist wichtiger Teil der Behandlung. Aber lassen sich die Frauen gehen, wenn sie von einem Mann behandelt werden? Lorenz bejaht die Frage. „Zu Beginn zeigen sie vielleicht Scheu, sich gegenüber einem Mann zu öffnen, aber das legt sich.“ Eine Lymphdrainage-Behandlung nach einer Krebserkrankung ist zudem keine Sache von wenigen Stunden oder sporadischen Kontakten. „Es erwächst oft eine lebenslange Beziehung“, betont Lorenzo. Als Mann könne er bestimmte Dinge auf leichtere Weise angehen, habe eine andere Sicht der Dinge. „Wir gehen ernste Dinge auf heitere Weise an.“. Wenn es um Ängste im Sexualbereich oder Probleme mit dem Partner gehe, schätzten es seine Patientinnen, den Standpunkt eines Mannes kennenzulernen.
Wer weiß, ob Lorenzo Maito auch in Zukunft der einzige Mann bleibt. Jedenfalls ist er der richtige Mann an der richtigen Stelle.

Leserbriefe

Gefühlte Worte

Wir, die Teilnehmerinnen der “Kreativen Schreibwerkstatt” in Bozen, Claudia, Katia und Silvia, möchten uns für diesen Kurs bedanken und bitten um die Veröffentlichung der nachstehenden Zeilen.
Dr. Nicole Dominique Steiner
Chefredakteurin
Neugierig und auch etwas eingeschüchtert waren wir am Anfang: Seit der Schule waren wir nicht mehr vor einem weißen Blatt gesessen. Würden wir am Ende nur über unsere Krankheit schreiben und all das, was wir eigentlich hinter uns lassen möchten?
Aber wir haben uns entschlossen, das Wagnis einzugehen und haben uns eingeschrieben. Bei einem Kurs ist es dann nicht geblieben!
Wir sind zusammengewachsen, einander verbunden und bereit, uns aufeinander einzulassen, uns zu öffnen und unseren Gefühlen und Gedanken freien Lauf zu lassen. Das weiße Blatt füllte sich fast schneller, als wir schreiben konnten. Ohne Mühe und Anstrengung, wie von selbst.
Im Mittelpunkt standen wir, unser Leben, wir waren bereit uns gegenseitig zuzuhören und die anderen so zu nehmen wie sie sind, ohne zu urteilen.
Die Sprache war nie ein Hindernis, Deutsch, iIalienisch, in einem Treffen sogar Französich, jede in ihrer Sprache und verstanden haben wir uns bestens.
Ein besonderer Dank geht an Nicole. Sie hat uns geführt, hat uns immer wieder neu stimuliert und sich selbst auch mit ins Spiel gebracht und uns geholfen, die befreiende Kraft der Worte zu entdecken.
Wir hoffen, dass es im Herbst weitergeht, wir sind sicher mit von der Partie. Eine kleine Anregfung: Vielleicht könnte der Kurs um 17.30 Uhr anstelle von 17 Uhr beginnen, dann können auch jene sich einschreiben, die am Nachmittag arbeiten.
Claudia, Katia und Silvia