Kommentar

„Forum Zukunft Kind“ fordert Neuausrichtung
der freiwilligen Rentenfortzahlung für Eltern

Das „Forum Zukunft Kind“ ist Mitte Oktober 2016 vom ASGB ins Leben gerufen worden und umfasst mehr als ein Dutzend Organisationen, Vereine und Verbände, die sich in Südtirol mit Erziehung, Bildung und Familie befassen.
Ziel ist, ohne Vorgaben, Scheuklappen und Einschränkungen darüber nachzudenken, wie Bildungs-, Erziehungs- und Familienarbeit, wie Bildungs- und Familienpolitik gestaltet werden müsste, um den Familien in Südtirol bestmögliche Chancen zu bieten und ihnen gesellschaftlich zu jener Bedeutung zu verhelfen, die sie tatsächlich haben. Derzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe innerhalb des Forums Zukunft Kind einen umfassenden Themenkatalog aus, der von flexiblen Betreuungszeiten und -modellen über die Öffnung von Kindergarten- und Schulgebäuden bis hin zur besseren Rentenabsicherung von Eltern reicht. Die Vorschläge, Anregungen und Forderungen des Forums Zukunft Kind werden in ein Visionspapier einfließen, das in den nächsten Monaten vorgestellt wird.
Was ist das Problem?
Derzeit klafft eine große Lücke zwischen der Elternschaftsregelung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst und solchen im privaten Bereich. Erstere können sich drei Jahre aus dem Dienst ausklinken und zudem für eine Fortzahlung der Rentenbeiträge optieren. Sie verfügen demnach auch nach dem Wiedereinstieg über eine Jobgarantie, Lücken in der Rentenbiografie gibt es keine.
Ganz anders die Situation für Eltern, die bei privaten Firmen im Dienst stehen. Ihre Elternzeit-Regelung ist sehr viel eingeschränkter, weshalb viele Eltern (derzeit noch v.a. Frauen) sich gänzlich oder zum Teil aus dem Erwerbsleben zurückziehen, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Dies hat nicht nur kurzfristige finanzielle Nachteile, sondern birgt auch das Risiko der Altersarmut aufgrund zu gering ausfallender Renten. Dies vor allem seit der Einführung des Beitragssystems in der Rentenversicherung, seit der erziehungsbedingte Auszeiten enorme Auswirkungen auf das Renteneintrittsalter sowie auf die Höhe der Rente haben.
Was ist das Ziel?
Das Ziel des Forums Zukunft Kind ist, für alle Eltern volle Wahlfreiheit zu schaffen. Eine der zentralen Forderungen des Forums ist dabei die Rentenabsicherung von Erziehungszeiten, die nicht nur eine Maßnahme für mehr soziale Gerechtigkeit ist, sondern auch und vor allem eine Investition in die Zukunft. Lässt man heute zu, dass Erziehungszeiten Löcher in die Rentenbiografie reißen, nimmt man für die Zukunft Niedrigstrenten, Altersarmut und zahllose Sozialfälle in Kauf – und damit enorme Kosten für die Gesellschaft.
Welches ist das Instrument?
Das Forum Zukunft Kind fordert im Zusammenhang mit der rentenmäßigen Absicherung von Erziehungszeiten weder eine Revolution noch unüberschaubare öffentliche Finanzmittel, sondern zuallererst die Neuregelung einer bereits heute bestehenden Möglichkeit: der Unterstützung der freiwilligen Fortzahlung der Rentenbeiträge.
Wie funktioniert die freiwillige Fortzahlung heute?
Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten einer freiwilligen Rentenfortzahlung, und zwar in Form freiwilliger Einzahlung in die staatliche Rentenkasse und/oder in Form von Einzahlungen in einen Zusatzrentenfonds. Letzteres hält das Forum Zukunft Kind für wenig sinnvoll, weil es letztendlich die Einzahlungen in die staatliche Rentenkasse sind, die die Höhe der Rente entscheidend beeinflussen, während der Zusatzrentenfonds lediglich ausgleichend wirken kann.
Was kaum jemand weiß: Die freiwillige Rentenfortzahlung wird von der Region Trentino-Südtirol gefördert, und zwar in Höhe des gesamten freiwillig gezahlten Beitrages, höchstens jedoch bis zu 9000 Euro im Jahr bzw. 4000 Euro im Jahr bei Selbständigen oder Freiberuflern. Der Beitrag wird für eine Dauer von bis zu 24 Monaten gewährt. Falls der Vater des Kindes nachweislich mindestens drei Monate Elternzeit in Anspruch genommen hat, wird diese Dauer auf 27 Monate angehoben. Entscheidet sich ein Elternteil in den ersten fünf Lebensjahren des Kindes für Teilzeitarbeit (höchstens 70 Prozent), kann der Beitrag auch zur Aufstockung auf eine hundertprozentige Rentenabsicherung verwendet werden. In diesem Fall werden vier Jahre lang bis zu 3500 Euro ausgezahlt.
Wo hakt es?
Das Forum Zukunft Kind sieht in der Umsetzung der genannten Förderung zwei große Probleme. Zum einen wird die Möglichkeit der geförderten freiwilligen Rentenfortzahlung kaum kommuniziert und ist deshalb auch kaum bekannt.
Das zweite (und weit größere) Problem ist die Abwicklung der Förderung. Diese sieht vor, dass der Antragsteller um die freiwillige Fortzahlung der Rentenbeiträge ansucht, was der (ASWE) Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung gemeldet wird. Das Vorsorgeinstitut INPS hat danach die Aufgabe, die Höhe der Beiträge zu berechnen und stellt diese dem Antragsteller „in Rechnung“, der sie umgehend und regelmäßig zu begleichen hat. Bis 30. Juni des Folgejahres muss dann der Antrag auf Rückvergütung an das Land gestellt werden, die Rückvergütung selbst erfolgt dann einige Zeit danach. Konkret heißt dies, dass die freiwilligen Rentenbeiträge vom Antragsteller vorfinanziert werden müssen, was sich sehr viele nicht leisten können. Zudem braucht der Antragsteller finanziell einen langen Atem, erfolgt die Rückvergütung doch erst Monate nach den Einzahlungen. Insofern erreicht man einkommensschwache Familien nicht – und damit jene, die die Hilfe am dringendsten nötig hätten.
Was fordert das Forum Zukunft Kind?
Das Forum Zukunft Kind fordert deshalb, den bürokratischen Iter der Förderung massiv zu verkürzen und zu vereinfachen. Anstatt den Antragsteller zuerst zur Kasse zu bitten und danach eine Rückvergütung zu gewähren, wäre ein Antrag und die darauffolgende direkte Zahlung der Beiträge von Seiten der ASWE an das INPS weit logischer, unbürokratischer, schneller und vor allem sozial ausgeglichener. Auch einkommensschwache Familien hätten so problemlos Zugang zu dieser essentiellen Förderung.
Das Forum Zukunft Kind fordert zudem, dass die Förderung der freiwilligen Rentenfortzahlung – für eine Dauer von 24 Monaten – bis zum fünften Lebensjahr des Kindes möglich sein muss. Dies auch deshalb, weil durch die neue Regelung der Arbeitslosenunterstützung (max. zwei Jahre) kaum noch jemand Anrecht auf diese Förderung hat.
Was würde die Neuregelung kosten?
An sich würde die Neuregelung nichts kosten, die Beiträge würden anstatt über den Umweg Bürger direkt an das INPS bezahlt. Nimmt man sich aber auch des zweiten Problems – der mangelnden Kommunikation – an, würde die Bekanntheit der Maßnahme steigen und damit auch die Zahl jener, die den Beitrag zur freiwilligen Rentenfortzahlung in Anspruch nehmen würden. Einer Schätzung des daraus resultierenden Finanzbedarfs kann man die Zahlen aus dem Jahr 2014 zugrunde legen. Damals haben rund 700 Mütter das Arbeitsverhältnis im ersten Lebensjahr des Kindes aufgelöst. Kämen diese in den Genuss der Förderung, würde dies Kosten in Höhe von maximal 12,6 Millionen Euro verursachen. Diese Summe ergibt sich aus der Multiplikation der potentiellen Nutznießerinnen (700) mit der maximal möglichen Fördersumme (9000 Euro ) und der maximal möglichen Förderungsdauer (zwei Jahre).

Kommentar

Der Autonomiekonvent und seine Ziele

Der Autonomiekonvent wurde von politischer Seite einberufen, um das Autonomiestatut auszubauen und den geänderten politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.


Innovativ und besonders interessant war vor allem die Möglichkeit der Bürger, im Rahmen eines partizipativen Prozesses, ihre Vorschläge zur Reform des Statutes in sogenannten „Open-Space“-Veranstaltungen zu deponieren. Die Resultate dieser Bürgerbeteiligungsphase dienten im Anschluss als Diskussionsgrundlage für die zwei wichtigsten Gremien, nämlich dem Forum der 100 und dem Konvent der 33. Das Forum der 100, bestehend aus 100 Südtiroler Bürgern über 16 Jahren, die in einem Zufallsverfahren, das der demographischen Zusammensetzung der Einwohner Südtirols Rechnung getragen hat, aus allen Bewerbern ausgelost wurden, berät das Hauptgremium des Konvents, nämlich den Konvent der 33 und soll als Bindeglied zwischen Bevölkerung und dem Konvent wahrgenommen werden. Der Konvent der 33, bestehend aus vier Mitgliedern aus dem Rat der Gemeinden, zwei Mitgliedern der Unternehmerverbände, zwei Mitgliedern der Gewerkschaften, fünf Rechtsexperten/Innen, acht gewählten Mitgliedern aus dem Forum der 100, sowie zwölf Mitgliedern, die auf Vorschlag der Fraktionen vom Landtag bestimmt wurden, hat die Aufgabe schriftliche Vorschläge für die geplanten Reformen auszuarbeiten.

AKTIV: Herr Tschenett, Sie sitzen als Gewerkschaftsvertreter im Konvent der 33. Die konstituierende Sitzung war am 30. April, seitdem hat es bereits 14 Zusammenkünfte gegeben. Können Sie bestätigen, dass die Vorschläge aus den „Open-Space“-Veranstaltungen die Diskussionsgrundlage für die Arbeiten in Ihrem Gremium darstellen?


Ja, das kann ich bestätigen. Es wurden auch durchaus Themen behandelt, die für viele Mitglieder des Konventes der 33 als nicht angebracht erachtet wurden. Aber das Präsidium hat relativ klar zu verstehen gegeben, dass die Resultate der „Open-Space“-Veranstaltungen das Fundament unserer weiteren Arbeit bilden. Natürlich wird nicht jedes Thema gleich gewichtet, vor allem emotionale Themen wie z.B. Selbstbestimmung werden intensiver diskutiert als z.B. die Rolle Südtirols in der EU, wo es ziemlich schnell einen Konsens gab.

AKTIV: Durch das Konsensprinzip limitiert sich der Konvent der 33 eigentlich selbst. Einstimmige Beschlüsse bei einem so heterogen zusammengesetzten Gremium dürften die Ausnahme sein. Wie empfinden Sie die Arbeitsweise des Konvents der 33?


Wir haben Anfangs gar keinen Konsens darüber gefunden, ob wir überhaupt mit dem Konsensprinzip arbeiten wollen. Da der Südtiroler Landtag dies aber im Gesetz zum Autonomiekonvent festgeschrieben hat, konnten wir uns natürlich nicht darüber hinwegsetzen. Es geht aber primär nicht darum Beschlüsse einstimmig zu fassen, auch Minderheitenmeinungen werden in Vorschlägen, die gebündelt werden, dem Landtag vorgelegt. Ansonsten habe ich in vielen Bereichen eine fruchtbare, schnelle Zusammenarbeit festgestellt, während wir bei anderen Themen endlos diskutiert haben, ohne eine wirkliche Einigung zu finden. Das hängt sicherlich maßgeblich damit zusammen, dass die Mitglieder des Konvents der 33 effektiv alle Gesellschaftsschichten und Volksgruppen vertreten und somit zum Teil auch komplett unterschiedliche Meinungen zu den verschiedensten Themen haben.

AKTIV: Welche sind Ihrer Meinung nach aus gewerkschaftlicher aber auch aus gesellschaftlicher Sicht die wichtigsten Punkte des Autonomiestatutes, die es zu überarbeiten gilt?


Als Vorsitzender des ASGB aber auch als Südtiroler muss ich zunächst darauf verweisen was nicht angetastet werden darf: nämlich der ethnische Proporz und die Zweisprachigkeit. Ohne diese essentielle Säulen, würde das Konstrukt Autonomiestatut zusammenbrechen und völlig obsolet werden.
Beim Thema „Arbeit“ müssen wir unbedingt in allen Bereichen die primäre Kompetenz erhalten. Ich habe im Laufe des Konvents bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass wir in der jüngsten Vergangenheit laufend primäre Kompetenzen in diesem Bereich verloren haben, die es es im Rahmen einer Überarbeitung des Autonomiestatutes zurückzuholen gilt. Im Bereich des Personals müssten wir mehr Kompetenzen haben: wir sollten imstande sein Landestarifverträge auszuhandeln, die es unter anderem auch ermöglichen, nationale Kollektiv­verträge zu ersetzen, sollte man für die Arbeitnehmer bessere Konditionen aushandeln.
Ich könnte nun ewig einzelne Punkte aufzählen, es läuft aber immer aufs selbe hinaus: wir müssen von A bis Z alle Kompetenzen einfordern, sodass man am Ende effektiv von einer Vollautonomie sprechen kann. Damit hätte man ein Statut in der Hand, das mich in eine positive Zukunft blicken lassen würde.

AKTIV: Wäre das Verfassungsreferendum in Italien nicht gescheitert, hätte das Autonomiestatut kraft Gesetz angepasst werden müssen. Nun gibt es keine verpflichtenden Anpassungen mehr. Dies lässt befürchten, dass das Endergebnis des Konvents in einer Schublade versinkt. Hegen Sie auch solcherart Befürchtungen?


Diese Befürchtungen sind leider angebracht. Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass der Entwurf des Konventes der 33 in einer Schublade versinkt und verstaubt, sondern dass sicherlich darüber diskutiert wird. Vielleicht kann man sogar einzelne im Konvent der 33 erarbeitete Punkte im Autonomiestatut verankern. Dies wäre zumindest ein Teilerfolg. Utopisch wäre aber davon auszugehen, dass das Parlament alle unsere Vorschläge genehmigt. Es gibt ja den durch den Konvent berühmt gewordenen Verfassungsgesetzentwurf Nr. 2220, der wirklich sehr ambitioniert ist und einer Vollautonomie sehr nahe kommt. Selbst die Politiker aus deren Feder dieser Entwurf stammt glauben nicht an eine Umsetzung desselben. Ich gehe nicht davon aus, dass wir mit unserer Arbeit im Konvent Südtiroler Geschichte schreiben werden!

AKTIV: Bis wann dauern noch die Sitzungen des Konvents der 33 an und wie geht es danach weiter?


Bis spätestens Ende Juni müssen die Arbeiten des Konvents der 33 beendet sein. Anschließend wird das erarbeitete Dokument dem Landtag vorgelegt. Was dann damit passiert kann ich leider nicht voraussehen.