Kommentar

Liebe Mitglieder des ASGB,


im Schuljahr 2017/2018 fällt der Startschuss für die Berufsmatura. Zweifellos ist dieses Projekt im Bildungsbereich ein Fortschritt, der dem Mythos, die Lehre wäre eine Einbahnstraße entgegenwirkt und die Attraktivität derselben fördert. Wir haben die zur Matura führende Lehre schon seit langem gefordert, deshalb nehmen wir die definitive Umsetzung wohlwollend zu Kenntnis. Nichtsdestotrotz gibt es einige Wermutstropfen, auf die wir aufmerksam machen möchten. Zum einen ist die Berufsmatura nicht für alle Berufskategorien vorgesehen und zum anderen kommt sie für die Absolventen der dreijährigen Lehrzeit gar nicht in Frage. Dies stellt aus meiner Sicht eine Ungleichbehandlung dar, mit dem langfristigen Resultat der Schaffung von Berufskategorien erster und zweiter Klasse. Deshalb fordert der ASGB ganz klar die Angleichung der aktuell nicht für die Berufsmatura vorgesehenen Lehrberufe an jene, für die sie bereits vorgesehen ist.
Um Gerechtigkeit geht es auch beim Forum Zukunft Kind, das der ASGB im Oktober 2016 ins Leben gerufen hat. Die Abweichung der Elternschaftsregelung zwischen dem öffentlichen Sektor und dem privaten Sektor ist durchaus beträchtlich, mit eindeutigen Nachteilen der Mitarbeiter im Privatsektor. Deshalb braucht es eine gesetzliche Neuregelung, die die Rentenabsicherung von Erziehungszeiten klar regelt. Hierfür braucht es eine einschneidende Reform zur freiwilligen Fortzahlung der Rentenbeträge. Aktuell muss der Antragssteller die ihm gewährten Beiträge vorstrecken und anschließend um eine Rückvergütung ansuchen. Diese Regelung schließt per se bedürftige Familien von einer Förderung aus. Deshalb fordern wir die direkte Zahlung der gewährten Beiträge an die Familien. Auch der bürokratische Aspekt gehört wesentlich abgemildert.
Erfreuliche Neuigkeiten liefert auch dieses Jahr das Ergebnis von Laborfonds. Alle Investitionslinien haben ein Plus eingefahren, besonders hervorzuheben ist das Ergebnis der ausgewogenen Investitionslinie mit Plus 4,08 Prozent. Hinsichtlich der gebeutelten Weltwirtschaft sind dies beachtliche Zahlen.
Euch erwarten noch viele weitere neue Informationen in dieser Ausgabe des Aktiv. In diesem Sinne eine gute Lektüre!
Euer
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB

Kommentar

„Forum Zukunft Kind“ fordert Neuausrichtung
der freiwilligen Rentenfortzahlung für Eltern

Das „Forum Zukunft Kind“ ist Mitte Oktober 2016 vom ASGB ins Leben gerufen worden und umfasst mehr als ein Dutzend Organisationen, Vereine und Verbände, die sich in Südtirol mit Erziehung, Bildung und Familie befassen.
Ziel ist, ohne Vorgaben, Scheuklappen und Einschränkungen darüber nachzudenken, wie Bildungs-, Erziehungs- und Familienarbeit, wie Bildungs- und Familienpolitik gestaltet werden müsste, um den Familien in Südtirol bestmögliche Chancen zu bieten und ihnen gesellschaftlich zu jener Bedeutung zu verhelfen, die sie tatsächlich haben. Derzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe innerhalb des Forums Zukunft Kind einen umfassenden Themenkatalog aus, der von flexiblen Betreuungszeiten und -modellen über die Öffnung von Kindergarten- und Schulgebäuden bis hin zur besseren Rentenabsicherung von Eltern reicht. Die Vorschläge, Anregungen und Forderungen des Forums Zukunft Kind werden in ein Visionspapier einfließen, das in den nächsten Monaten vorgestellt wird.
Was ist das Problem?
Derzeit klafft eine große Lücke zwischen der Elternschaftsregelung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst und solchen im privaten Bereich. Erstere können sich drei Jahre aus dem Dienst ausklinken und zudem für eine Fortzahlung der Rentenbeiträge optieren. Sie verfügen demnach auch nach dem Wiedereinstieg über eine Jobgarantie, Lücken in der Rentenbiografie gibt es keine.
Ganz anders die Situation für Eltern, die bei privaten Firmen im Dienst stehen. Ihre Elternzeit-Regelung ist sehr viel eingeschränkter, weshalb viele Eltern (derzeit noch v.a. Frauen) sich gänzlich oder zum Teil aus dem Erwerbsleben zurückziehen, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Dies hat nicht nur kurzfristige finanzielle Nachteile, sondern birgt auch das Risiko der Altersarmut aufgrund zu gering ausfallender Renten. Dies vor allem seit der Einführung des Beitragssystems in der Rentenversicherung, seit der erziehungsbedingte Auszeiten enorme Auswirkungen auf das Renteneintrittsalter sowie auf die Höhe der Rente haben.
Was ist das Ziel?
Das Ziel des Forums Zukunft Kind ist, für alle Eltern volle Wahlfreiheit zu schaffen. Eine der zentralen Forderungen des Forums ist dabei die Rentenabsicherung von Erziehungszeiten, die nicht nur eine Maßnahme für mehr soziale Gerechtigkeit ist, sondern auch und vor allem eine Investition in die Zukunft. Lässt man heute zu, dass Erziehungszeiten Löcher in die Rentenbiografie reißen, nimmt man für die Zukunft Niedrigstrenten, Altersarmut und zahllose Sozialfälle in Kauf – und damit enorme Kosten für die Gesellschaft.
Welches ist das Instrument?
Das Forum Zukunft Kind fordert im Zusammenhang mit der rentenmäßigen Absicherung von Erziehungszeiten weder eine Revolution noch unüberschaubare öffentliche Finanzmittel, sondern zuallererst die Neuregelung einer bereits heute bestehenden Möglichkeit: der Unterstützung der freiwilligen Fortzahlung der Rentenbeiträge.
Wie funktioniert die freiwillige Fortzahlung heute?
Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten einer freiwilligen Rentenfortzahlung, und zwar in Form freiwilliger Einzahlung in die staatliche Rentenkasse und/oder in Form von Einzahlungen in einen Zusatzrentenfonds. Letzteres hält das Forum Zukunft Kind für wenig sinnvoll, weil es letztendlich die Einzahlungen in die staatliche Rentenkasse sind, die die Höhe der Rente entscheidend beeinflussen, während der Zusatzrentenfonds lediglich ausgleichend wirken kann.
Was kaum jemand weiß: Die freiwillige Rentenfortzahlung wird von der Region Trentino-Südtirol gefördert, und zwar in Höhe des gesamten freiwillig gezahlten Beitrages, höchstens jedoch bis zu 9000 Euro im Jahr bzw. 4000 Euro im Jahr bei Selbständigen oder Freiberuflern. Der Beitrag wird für eine Dauer von bis zu 24 Monaten gewährt. Falls der Vater des Kindes nachweislich mindestens drei Monate Elternzeit in Anspruch genommen hat, wird diese Dauer auf 27 Monate angehoben. Entscheidet sich ein Elternteil in den ersten fünf Lebensjahren des Kindes für Teilzeitarbeit (höchstens 70 Prozent), kann der Beitrag auch zur Aufstockung auf eine hundertprozentige Rentenabsicherung verwendet werden. In diesem Fall werden vier Jahre lang bis zu 3500 Euro ausgezahlt.
Wo hakt es?
Das Forum Zukunft Kind sieht in der Umsetzung der genannten Förderung zwei große Probleme. Zum einen wird die Möglichkeit der geförderten freiwilligen Rentenfortzahlung kaum kommuniziert und ist deshalb auch kaum bekannt.
Das zweite (und weit größere) Problem ist die Abwicklung der Förderung. Diese sieht vor, dass der Antragsteller um die freiwillige Fortzahlung der Rentenbeiträge ansucht, was der (ASWE) Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung gemeldet wird. Das Vorsorgeinstitut INPS hat danach die Aufgabe, die Höhe der Beiträge zu berechnen und stellt diese dem Antragsteller „in Rechnung“, der sie umgehend und regelmäßig zu begleichen hat. Bis 30. Juni des Folgejahres muss dann der Antrag auf Rückvergütung an das Land gestellt werden, die Rückvergütung selbst erfolgt dann einige Zeit danach. Konkret heißt dies, dass die freiwilligen Rentenbeiträge vom Antragsteller vorfinanziert werden müssen, was sich sehr viele nicht leisten können. Zudem braucht der Antragsteller finanziell einen langen Atem, erfolgt die Rückvergütung doch erst Monate nach den Einzahlungen. Insofern erreicht man einkommensschwache Familien nicht – und damit jene, die die Hilfe am dringendsten nötig hätten.
Was fordert das Forum Zukunft Kind?
Das Forum Zukunft Kind fordert deshalb, den bürokratischen Iter der Förderung massiv zu verkürzen und zu vereinfachen. Anstatt den Antragsteller zuerst zur Kasse zu bitten und danach eine Rückvergütung zu gewähren, wäre ein Antrag und die darauffolgende direkte Zahlung der Beiträge von Seiten der ASWE an das INPS weit logischer, unbürokratischer, schneller und vor allem sozial ausgeglichener. Auch einkommensschwache Familien hätten so problemlos Zugang zu dieser essentiellen Förderung.
Das Forum Zukunft Kind fordert zudem, dass die Förderung der freiwilligen Rentenfortzahlung – für eine Dauer von 24 Monaten – bis zum fünften Lebensjahr des Kindes möglich sein muss. Dies auch deshalb, weil durch die neue Regelung der Arbeitslosenunterstützung (max. zwei Jahre) kaum noch jemand Anrecht auf diese Förderung hat.
Was würde die Neuregelung kosten?
An sich würde die Neuregelung nichts kosten, die Beiträge würden anstatt über den Umweg Bürger direkt an das INPS bezahlt. Nimmt man sich aber auch des zweiten Problems – der mangelnden Kommunikation – an, würde die Bekanntheit der Maßnahme steigen und damit auch die Zahl jener, die den Beitrag zur freiwilligen Rentenfortzahlung in Anspruch nehmen würden. Einer Schätzung des daraus resultierenden Finanzbedarfs kann man die Zahlen aus dem Jahr 2014 zugrunde legen. Damals haben rund 700 Mütter das Arbeitsverhältnis im ersten Lebensjahr des Kindes aufgelöst. Kämen diese in den Genuss der Förderung, würde dies Kosten in Höhe von maximal 12,6 Millionen Euro verursachen. Diese Summe ergibt sich aus der Multiplikation der potentiellen Nutznießerinnen (700) mit der maximal möglichen Fördersumme (9000 Euro ) und der maximal möglichen Förderungsdauer (zwei Jahre).