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Landeshauptmann Luis Durnwalder bei Bundesvorstandssitzung des ASGB

Themen: Sozial-, Wohnbau- und Strompolitik

Der Landeshauptmann nahm auf Einladung des ASGB am 20. Jänner 2011 im Rahmen der Bundesvorstandssitzung zu diesen Themen Stellung.
Eingangs stellte der Landeshauptmann fest, dass die Autonomie in Südtirol allen Volksgruppen und Wirtschaftszweigen Vorteile bringt. Er erinnerte daran, dass in den 1960 und 70er Jahren viele Südtiroler das Land verlassen und sich im Ausland eine Arbeit suchen mussten. Somit ist dem Land auch viel an beruflichem Wissen, Erfahrung in Intelligenz verloren gegangen.
Heute steht Südtirol im europäischen Vergleich sehr gut da, so der Landeshauptmann, es herrscht defacto eine Vollbeschäftigung, um die Südtirol von den umliegenden Regionen beneidet wird; aber es muss alles unternommen werden, auch jenen Menschen einen Arbeitsplatz zu verschaffen, die keinen haben, oder gewisse Probleme haben, eine Arbeit zu finden. Dies trifft auf ältere Arbeitnehmer, Behinderte und vor allem Frauen zu, die wegen der Kinderbetreuung ihren Beruf aufgegeben haben. Die Schaffung von drei- bis viertausend Arbeitsplätzen für diese Menschen ist auf Dauer billiger als die Bezahlung des Arbeitslosengeldes oder des Platzes in den Behindertenwerkstätten, so Durnwalder.
Der Landeshauptmann berichtete, dass er sich mit Ärzten des Innsbrucker Krankenhauses betreffend der Errichtung einer Abteilung für neurologische Rehabilitation im Krankenhaus Sterzing getroffen hat. Dabei wurde festgestellt, dass die Gehälter in den österreichischen Krankenhäuser niedriger sind als in Südtirol. Das sagt aber wenig aus, da das Leben in Südtirol teurer ist als in Österreich. Es ist eine Tatsache, dass in Südtirol viele Haushalte armutsgefährdet sind und deshalb auch die Sozialpartnerschaft gefordert ist.
Was die Vertragsverhandlungen für das öffentliche Personal betrifft erinnerte der Landeshauptmann daran, dass für 2010-2012 ein nationaler Lohnstopp gilt, die Nachzahlung für 2009 wäre jedoch möglich. Das Land hat gegen die staatliche Bestimmung rekuriert und wartet noch auf das Ergebnis. Das Land Südtirol bzw. die Region, so der Landeshauptmann, haben in den letzten Jahren so manche sozialen Akzente gesetzt wie z.B. das Familiengeld, die Pflegesicherung, das Sozialgeld, die Zusatzrente usw.
Zur Pflegesicherung, welche dem Land 2010 182 Millionen Euro gekostet hat, und der Bedarf 2011 wieder um zwei Millionen Euro steigen wird, hat der Landeshauptmann Bedenken, was den Fortbestand dieser Form der Pflegesicherung anbelangt.
Was die Steuern betrifft erinnerte Durnwalder daran, dass Südtirol keine Steuerhoheit hat und diese auch nur schwer zu bekommen sein wird, es sei denn, alle italienischen Regionen erhielten sie. Aufgrund des Mailänder Abkommens hat das Land aber kleine Gestaltungsmöglichkeiten, was die IRAP und die regionale IRPEF-Steuer anbelangt und hat diese Möglichkeit auch genutzt. Die regionale IRAP wurde bekanntlich abgeschafft, außer für Banken und Versicherungen. (dies bedeutet ein Minus von 68 Millionen an Steuereinnahmen im Jahr). Dadurch sollen Arbeitsplätze in der Krise erhalten und neue geschaffen werden. Was den regionalen Zuschlag der Einkommenssteuer (IRPEF) anbelangt, so sind Personen mit einem Einkommen von weniger als 12.500 Euro bzw. 25.000 Euro, wenn Kinder zu Lasten leben, befreit. (dies bedeutet ein Minus von 8 Millionen Euro an Steuereinnahmen), so der Landeshauptmann.
Betreffend Wohngeld ist der Landeshauptmann davon überzeugt, dass dieses in dieser Form nicht länger bezahlt werden kann, da die Ausgaben nun über 30 Millionen Euro pro Jahr betragen und die Nutznießer in erster Linie die Vermieter sind. Das Land hat kürzlich beschlossen, dass das Wohngeld des Landes 400 Euro pro Monat nicht mehr übersteigen darf. Auf Dauer gesehen muss das Land aber mit dem Wohngeld zurückfahren, da dies zu immer höheren Mieten führt. In Südtirol stehen so viele Wohnungen leer, dass über Jahre keine neuen gebaut werden müssten, aber die Besitzer sind nicht bereit zu vermieten. Das Land hat angeboten, dass das Wohnbauinstitut die Wohnungen anmietet und dann vermietet aber auch das wurde nicht akzeptiert. Die Gemeinden hätten die Möglichkeit die Steuer auf leerstehende Wohnungen ordentlich zu erhöhen!
Der Landeshauptmann berichtete, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen für Akademiker ein Schwerpunkt der nächsten Jahre sein wird. Auch wird das Land die Investitionen in Forschung und Entwicklung verdoppeln.
Was die Strompolitik anbelangt, so muss man sehen, ob Sonderprogramme für Familien möglich sind. Das Land verfügt erst seit kurzer Zeit über die verschiedenen Konzessionen im Strombereich und deshalb muss man sehen, was in Zukunft möglich sein wird.
In der anschließenden Diskussion wurde bemängelt, dass im Bereich Sanität immer mehr Dienste ausgegliedert bzw. mit Werkverträgen vergeben werden. Dadurch werden Zweisprachigkeit und Proporz umgangen.
Die Vertreter der Schule forderten vom Landeshauptmann die volle Umsetzung der Schulautonomie und die Ausschreibung von Wettbewerben für die deutsche und ladinische Schule. Auch die Anerkennung von Studientiteln stellt noch immer ein Problem dar.
In der Diskussion wurde auch der hohe Lebensstandard angesprochen. Der Konsument braucht Geld um die angebotenen Güter kaufen zu können. Mit den von den nationalen Kollektivverträgen vereinbarten Löhnen und Gehältern wird das Auskommen mit dem Einkommen im Tourismusland Südtirol immer schwieriger.
Der Vorsitzende Tony Tschenett stellte fest, dass die Sozialpartnerschaft in Südtirol in Sachen Zusatzverträge nicht funktioniert, die Verbände weigern sich gebetsmühlenartig Verträge auf Landesebene abzuschließen. Er fordert eine weitere Reduzierung der Steuern, sollte es in nächster Zeit nicht möglich sein, Zusatzabkommen abzuschließen.
Auch der angekündigte Stellenabbau im öffentlichen Dienst wurde angesprochen; dieses Damoklesschwert über den Köpfen der öffentlich Bediensteten trägt nicht zu deren Motivation bei.
Tony Tschenett bedankte sich beim Landeshauptmann für sein Kommen und dafür, dass er den Bundvorstandsmitgliedern Rede und Antwort gestanden hat. Ganz besonders bedankte er sich dafür, dass sich der Landeshauptmann in Fragen der Gleichstellung des ASGB immer auf die Seite des ASGB gestellt hat.

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ASGB zur Armut in Südtirol

Krise kann nur mit höherer Kaufkraft bewältigt werden

Die anhaltende Wirtschaftskrise und die steigende Armut in Südtirol kann nur durch eine spürbare Stärkung der Kaufkraft erreicht werden. Dies betont der Autonome Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) in Anlehnung an die Äußerungen von Landesrat Theiner über die Armutssituation in Südtirol und fordert gleichzeitig die Wirtschaft zu mehr Verhandlungsbereitschaft auf.
„Deutschland hat es vorgemacht: höhere Löhne im Jahr 2010 haben zu einem höheren Wirtschaftswachstum geführt", beruft sich der Vorsitzende des ASGB, Tony Tschenett auf die positiven Entwicklungen in Deutschland. „Das, was wir als ASGB seit Monaten und Jahren betonen, ist, dass nur über die Kaufkraftstärkung der breiten Bevölkerung eine gesunde Wirtschaftsentwicklung möglich ist. Andere Länder haben es verstanden, unsere Wirtschaft scheinbar nicht. Während die Preise und Tarife weiter steigen, stehen die Gehälter schon lange still", so Tschenett weiter.
„Mit den Abfederungsmaßnahmen der öffentlichen Hand gegen die Krise werden zwar die Symptome bekämpft, sie machen aber nur dann Sinn, wenn auf der anderen Seite die weniger krisengeschüttelten Sektoren mittels Zusatzkollektivverträgen einen Reallohnzuwachs ermöglichen. Der Spielraum hierfür wäre auch mit der drastischen Senkung der Wertschöpfungssteuer IRAP in den letzten beiden Jahren vorhanden", erklärt Tschenett weiter. Bei den Zusatzverträgen seien aber auch die öffentlichen Arbeitgeber Land, Sanität, Gemeinden usw. gefordert. Sie hätten die staatlich angeordnete Einfrierung der Gehälter mit Berufung auf die Autonomie vermeiden können. Der Kaufkraftverlust von Tausenden öffentlich Bediensteten belaste die gesamtwirtschaftliche Situation auf jeden Fall, so der ASGB. „Die lohnabhängig Beschäftigten haben in Südtirol bereits viele Opfer gebracht. Im neuen Jahr müssen ihnen daher die Erfolge, die gerade auch die Beschäftigten für die Unternehmen mit erwirtschaftet haben, zugutekommen. Sie warten noch immer auf ihren gerechten Anteil am Wirtschaftswachstum" fordert Tschenett.
Was die Rentner betrifft, so ist vor allem die Politik gefordert. Eine wirksame Unterstützung könne es hier nur durch entsprechende Umschichtungen im Landeshaushalt geben, in dem Gelder für verzichtbare Projekte für mehr Existenz sichernde Aufgaben verwendet werden, fordert Tschenett weiter. „Wir stimmen Landesrat Theiner zu, dass junge Menschen keine feste Arbeit mehr finden. Unsere Arbeitgeber sehen durch den Konkurrenzkampf leider nur den kurzfristigen Kostenvorteil „billiger" Arbeitsverträge und wälzen die mittel- und langfristigen Nachteile für die Gesamtwirtschaft und das Sozialsystem auf die Allgemeinheit ab." Allerdings könnte das Land hier den Anfang machen und statt der zahlreichen prekären Arbeitsverträge wieder ordentliche Arbeitsverhältnisse schaffen.