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Interview mit Dr. Mag. Christoph von Ach, Generalsekretär des EVTZ Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino

Christoph von Ach ist Generalsekretär des EVTZ Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Er hat Rechtswissenschaften an den Universitäten Wien und Innsbruck studiert, sowie Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck. Von Ach hat im Jahr 2008 mit der Dissertation zum Thema „Ethnische Gewerkschaften in Italien“ promoviert und den akademischen Grad Doctor iuris erhalten. In den Jahren 2001-2002 hat er seinen Zivildienst beim ASGB abgeleistet, dem er immer freundschaftlich verbunden geblieben ist.
ASGB: Lieber Christoph, als Generalsekretär der Europaregion ist es deine Aufgabe, das gemeinsame Büro der Europaregion zu koordinieren. Wie gestaltet sich die Provinz- bzw. Regionen übergreifende Zusammenarbeit und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Christoph von Ach: In der Europaregion wird die grenzübergreifende Zusammenarbeit auch im Arbeitsalltag gelebt. Das heißt, dass es Mitarbeiter aus allen drei Mitgliedsländern gibt und das gemeinsame Büro von drei Direktoren bzw. Direktorinnen geleitet wird, je eine/einer aus Tirol, dem Trentino und aus Südtirol. Unsere tägliche Arbeit besteht vor allem darin, gemeinsame Projekte aller drei Länder anzustoßen, zu koordinieren und umzusetzen.
ASGB: Kritiker bezeichnen die Europaregion oftmals als leere Hülle. Dabei war Sinn und Zweck der Schaffung der Europaregion das Zusammengehörigkeitsgefühl der historisch verbunden Provinzen Bozen und Trient, sowie dem Bundesland Tirol zu verstärken und auf europäischer Ebene die Verbundenheit Alttirols zu untermauern. Ist es gelungen, die Zusammenarbeit Tirols, Südtirols und des Trentino ­dauerhaft auszubauen?
CvA: Die Europaregion als öffentliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit gibt es erst seit dem Jahr 2011. Damals wurde vom Bundesland Tirol sowie den Autonomen Provinzen Bozen und Trient die Möglichkeit genutzt, einen so genannten “Europäischen Verbund territorialer Zusammenarbeit”, kurz EVTZ, zu gründen. Damit wurde die bisherige eher informelle und nicht institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den drei Landeshauptleuten, die unter der Bezeichnung “Europaregion” bekannt war, auf eine dauerhafte rechtliche Basis gestellt. Insofern ist unsere Institution noch sehr jung. Aber es hat in den vergangenen sieben Jahren bedeutende Projekte gegeben, die die Zusammenarbeit zwischen den Teilen der historischen Gefürsteten Grafschaft Tirol vertieft haben. Insbesondere die drei Landesverwaltungen beginnen in einem größeren Rahmen zu denken und einen Gesamttiroler Standpunkt einzunehmen. Zwar bleibt noch viel zu tun und sehr viele Vorhaben sind noch Stückwerk geblieben, aber die Zusammenarbeit im Jugendbereich, im Kulturbereich, im Zivilschutz, im Sozialen aber auch im öffentlichen Personennahverkehr zeigen, dass die Bereitschaft für eine Zusammenarbeit auf Ebene der Europaregion gegeben ist.
ASGB: Die Themen Arbeit und Soziales nehmen in der Europaregion eine zentrale Rolle ein. Wurden in diesem Zusammenhang von den drei Akteuren in der Europaregion bereits gemeinsame Projekte lanciert, die für die Bürger erfassbare Vorteile gebracht haben?
CvA: In diesen Bereichen wurde bisher vor allem wichtige Vorarbeit geleistet, denn das Arbeits- und Sozialrecht zwischen den Mitgliedsländern ist aufgrund der Staatsgrenze, die Südtirol und das Trentino von Nord- und Osttirol trennt, sehr unterschiedlich ausgeprägt. Regelmäßige Tagungen in Zusammenarbeit mit dem AFI, der Arbeiterkammer Tirol und der Trentiner Arbeitnehmerorganisation LaRes sorgen dafür, dass nachahmenswerte Beispiele aus den jeweiligen Ländern auch in den anderen Mitgliedsländern bekannt gemacht werden. Ebenso wurde eine Grundsatzübereinkunft zwischen den Soziallandesräten aller drei Ländern erzielt, die eine Abstimmung in sozialpolitischen Bereichen vorsieht. Zentrales, konkretes Projekt ist aber die Weiterentwicklung des Euregio­FamilyPass, einer Vorteilskarte die es sowohl im Bundesland Tirol, als auch in Südtirol und dem Trentino gibt. Die Vorteile und Preisnachlässe dieser einheitlich gestalteten Karte sollen für die Inhaberinnen und Inhaber in allen drei Ländern gleich gelten und dadurch einen erlebbaren und unmittelbaren Vorteil für die Bevölkerung der Europaregion darstellen.
ASGB: Der Vorstand der Europaregion setzt sich aus den Landeshauptleuten Tirols, Südtirols und des Trentino zusammen. Es gibt Bereiche, in denen diese aber komplett getrennt agieren, obwohl eine Zusammenarbeit tatsächlich sinnvoll wäre. Ein Beispiel könnte ein gemeinsames IT-System im Gesundheitswesen sein, welches durchaus Einsparungen, Effizienz und Produktivität erhöhen könnte. Die Europaregion wäre geradezu prädestiniert, ein solches Projekt zu koordinieren. Ist man diesbezüglich bzw. in anderen Bereichen im Gespräch mit dem Vorstand, oder gibt es Bereiche, die weiterhin Tabu sind?
CvA: Selbstverständlich ist gerade das Gesundheitswesen ein Bereich, in dem eine Zusammenarbeit auf der Ebene der Europaregion besonders sinnvoll und meiner Ansicht nach auch notwendig wäre. Leider blockieren hier eine unnachgiebige Bürokratie und leider auch ein gewisses Kirchturmdenken einen zügigen Ausbau der Kooperation. Dies ist auch den politischen Entscheidungsträgern bewusst, allerdings werden wir gerade in diesem so sensiblen Bereich vermutlich noch intensiv für eine echte Zusammenarbeit werben und das notwendige Bewusstsein schaffen müssen.
ASGB: Christoph, welche Initiative der Europaregion liegt dir besonders am Herzen und welche Rolle sollte die Europaregion in der Zukunft spielen?
CvA: Das Arbeitsprogramm des Jahres 2018, das unter Südtiroler Präsidentschaft erstellt wurde, sieht den Aufbau eines “Euregio-Sprachnachweises” nach dem Vorbild der Zweisprachigkeitsprüfung vor. Ich glaube, dieses Projekt ist ein zukunftsorientiertes Vorhaben, um auf dem Arbeitsmarkt zwischen Kufstein und Ala ein Instrument zu schaffen, mit dem man Sprachkenntnisse für alle verständlich und nachvollziehbar nachweisen kann. Damit würde eine Errungenschaft der Südtiroler Autonomie auch für Nord- und Osttiroler, bzw. Trentiner zugänglich gemacht. Ich glaube, die erfolgreiche Umsetzung dieses Projektes wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung einer immer stärkeren Integration und Identifika­tion der Landesteile, die vor allem auch über die Kenntnisse der beiden großen Landessprachen erfolgen muss.
ASGB: Noch eine letzte Frage: Was wünschst du dem ASGB in den kommenden Jahren?
CvA: Ich wünsche meiner Gewerkschaft, dass sie die Anliegen ihrer Mitglieder und der Arbeiterschaft Südtirols weiterhin so erfolgreich vertritt und sich nicht unterkriegen lässt - auch nicht von den Intrigen und der Missgunst so genannter “Genossen”, die selbst nach Jahrzehnten immer noch nicht verstanden haben, dass die Südtirolerinnen und Südtiroler das Recht auf eine eigene, von den staatsweiten Organisationen unabhängige Gewerkschaftsvertretung haben. Der ASGB ist der wichtigste Sozialpartner auf Arbeitnehmerseite in Südtirol, das ist gut so und soll so bleiben. Glück auf!

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Stellungnahme zum Entwurf des neuen Wohnbaugesetzes

Den Entwurf des neuen Wohnbaugesetzes kann man getrost als unausgegoren bezeichnen.
Das aktuell gültige Landesgesetz Nr. 13/98, welches im Laufe der Zeit regelmäßige Anpassungen erfahren hat, ist im Wesentlichen durchaus ausgeglichen.
Deshalb ist es in diesem Zusammenhang völlig unverständlich, dass der zuständige Landesrat Christian Tommasini das Rad neu erfinden will. So wurde beispielsweise die Kompaktheit des neuen Wohnbaugesetzes, welches von den aktuell in Kraft stehenden 152 Artikel auf 54 Artikel geschrumpft ist, als außerordentliche Erleichterung der Lesbarkeit proklamiert. Fakt ist, dass dieses neue, gestutzte Gesetz nur einen groben Rahmen vorgibt, der vorsieht, dass bedeutende Faktoren erst im Laufe der Zeit durch Beschlüsse der Landesregierung oder mittels Durchführungsverordnungen geregelt werden sollen. Unabhängig vom Umstand, dass dieses Gesetz aktuell somit kaum Rechtssicherheit bietet, wird es im Laufe der Zeit von Beschlüssen oder Durchführungsverordnungen derart gemästet werden, dass sich die Lesbarkeit im Vergleich zum gültigen Landesgesetz Nr. 13/98 zweifelsfrei verschlechtern wird.
Verschlechtern werden sich laut Gesetzesentwurf auch die Bedingungen für die Bürger. So wird leichtsinnig z.B. die angemessene Wohnfläche verringert. Eine Tatsache, die nicht nur planlos erscheint, sondern auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird.
Genauso achtlos ersetzt im Entwurf des neuen Wohnbaugesetzes die neue Berechnung der Konventionalfläche eine etablierte, gerechte Methode. Zukünftig gibt es keine Korrekturkoeffizienten mehr, d.h., dass die Fläche der Balkone, Keller, Terrassen etc. gleich berechnet wird, wie z.B. jene eines Wohnzimmers – mit ausschließlich negativen Folgen.
Das Beibehalten am System EEVE als Grundlage für Förderungen ist auch nicht nachvollziehbar, vor allem aufgrund des bekannten Sachverhaltes, dass sich die Einführung der EEVE in vielen Fällen negativ auf die Antragsteller ausgewirkt hat.
In dieser Form ist dieser Gesetzentwurf absolut abzulehnen, da er Unsicherheiten und großteils Rückschritte im Vergleich zur aktuellen Regelung birgt.