Aktuell

Soziale Gerechtigkeit durch Wohnbaupolitik

Zehn Punkte für neues Wohnen in Südtirol
1. Klare Gesetze aus einem Guss
Südtirols Wohnungspolitik der Zukunft entscheidet sich an der Novellierung der Landesgesetze für „Raum und Landschaft“ sowie der „Wohnbauförderung“. Diese beiden Gesetze können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Dahinterstehen muss ein einziges, schlüssiges Zukunftsmodell.Der Umstand, dass der Entwurf „Raum und Landschaft“ viele Verweise auf zu erlassende Durchführungsbestimmungen enthält, erschwert die Einschätzung, wohin die Reise führen soll.
2. Landschaftliches Grün schützen
Der Schutz des landschaftlichen Grüns und die Einschränkung des Bodenverbrauchs werden als primäre politische Ziele betrachtet und sind auch der Dreh- und Angelpunkt im Entwurf des Landesgesetzes für „Raum und Landschaft“. Die darauf aufbauenden Maßnahmen müssen diesem Grundsatz systematisch Folge leisten. Neben einer breiten Palette an Förderungsmaßnahmen zur Wiederverwendung von bebautem Grund bedarf es strenger Zweckbestimmungen, die neuen Flächenverbrauch nur als letzte Option zulassen.
3. Grundwohnbedarf sichern
Alle Menschen haben ein Anrecht auf eine angemessene Wohnung, welche die Gesundheit und das Wohl gewährleistet. Das ist im Art. 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verankert und muss durch entsprechende politische Maßnahmen gewährleistet werden. In diesem Sinne muss bei der Zuweisung von Wohnungen, öffentlichen Beihilfen und Förderungen, der Grundwohnbedarf der Person bzw. des Haushaltes im Vordergrund stehen. Das Kriterium des Grundwohnbedarfs muss das der Ansässigkeit ersetzen, das aktuell im Landesgesetzesentwurf vorgesehen ist.
4. Wohnungsmärkte trennen
Mit der Sozialbindung stellt die öffentliche Hand sicher, dass die Wohnbauförderungen und die Zuweisung von Baugrund nachhaltig wirken. Faktisch: Die ihr unterstellten Wohnungen sind dem Grundwohnbedarf vorbehalten. Eine Sozialbindung „auf ewig“ würde diese Wohnungen trenn-scharf von jenen unterscheiden, die für den freien Markt bestimmt sind. Die Trennung der beiden Märkte hat Auswirkungen auf das Preisniveau, das nach unten tendieren würde.
5. Grundstückspekulation vermeiden
Bei Umwidmung in Baugrund steigt der Wert des Grundstücks rasant, und zwar allein aufgrund einer politischen Entscheidung, ohne dass der Eigentümer einen besonderen Wirtschafts- oder Arbeitsaufwand geleistet hätte. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, dass mindestens zwei Drittel des Wertzuwachses infolge von Umwidmung der öffentlichen Hand zufließen. Unter dieser Voraussetzung kann Baugrund zu sozialen Preisen angeboten und leistbares Wohnen ermöglicht werden.
6. Beobachtungsstelle Wohnen
Um die Wohnbauplanung auf Gemeinde- und Landesebene zu ermöglichen, ist eine zentrale Einrichtung zur ständigen Beobachtung der qualitativen und quantitativen Aspekte von Nachfrage und Angebot im Wohnbereich notwendig. Dieses Instrument ist vor dem Hintergrund des schonenden Umgangs mit landwirtschaftlichem Grün, der erweiterten Entscheidungsspielräume für Gemeinden und der Festsetzung von „gedeckelten Preisen“ unerlässlich.
7. Geförderten Wohnbau vorsichtig erneuern
Die geltende Wohnbauförderung hat breiten Schichten der Bevölkerung den Zugang zum Eigenheim ermöglicht. Trotz einiger Probleme bleibt sie ein Erfolgsmodell. Dieses Modell kann ergänzt werden, und zwar mit innovativen, parallel verlaufenden und funktionell getrennten Systemen (z.B. Wohnungen zum ´gedeckelten Preis´, Cohousing). Die Realität wird zeigen, welche Instrumente sich herauskristallisieren, um die politischen Ziele bestmöglich zu erreichen.
8. Sozialen Wohnbau stärken
Das Wohnbauinstitut ist heute nicht in der Lage, der großen Nachfrage an Sozialwohnungen nachzukommen. Daher müssen die Bauanstrengungen verstärkt werden. Ausgehen soll das WOBI hier von der Sanierung des eigenen Wohnungsbestandes und der Wiedergewinnung von Altbausubstanz. Die Nutzung der Militärareale, die an das Land übertragen werden, bieten enormes Potential. Umso mehr soll nur im Ausnahmefall auf landwirtschaftliches Grün zurückgegriffen werden.
9. Neue Rolle für das Wobi
Ein Teil des Immobilienbestandes des WOBI soll allen Personen mit Grundwohnbedarf zur Miete angeboten werden. Damit wird der Zugang zur Wohnung der individuellen sozio­ökonomischen Lage angepasst, die soziale Durchmischung in den Wohnhäusern gefördert und das Preisniveau am privaten Mietmarkt beeinflusst. Auf lange Sicht ist eine Abschaffung der Mietbeihilfen denkbar.
10. Mehr Mietwohnungen
Um leerstehende Wohnungen wieder auf den Markt zu bringen und erschwingliche Mieten zu gewährleisten, sollte eine öffentliche Einrichtung geschaffen werden, die zwischen Vermietern und Mietern vermittelt – nach dem Vorbild des Vorarlbergers „VOGEWOSI“. Private können dieser Landesstelle ihre leerstehende Wohnung für eine Vermietung überlassen und erhalten die Gewähr für die pünktliche Zahlung der Miete. Diese Schnittstelle übernimmt die finanziellen und rechtlichen Risiken und die Verwaltungskosten.
Quelle: AFIIPL Arbeitsförderungsinstitut

Aktuell

Tag der Arbeit

Sichere Arbeit – angemessene Renten – soziales Europa lautete das Motte der 1. Mai-Feier 2017, die traditionsgemäß am Festplatz in Völs am Schlern stattfand.
Auch heuer konnte Priska Auer wieder eine Reihe von Ehrengästen begrüßen, allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher, den Bürgermeister von Völs, Othmar Stampfer, den Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, die Landesrätin Waltraud Deeg, die L.Abg. Magdalena Amhof, Helmuth Renzler und Walter Blaas, den Herausgeber der Tageszeitung, Arnold Tribus u.a.m.
Nach den Grußworten des Landeshauptmannes und des Bürgermeisters hielt unser Vorsitzender Tony Tschenett sein Referat zum Tagungsmotto, welches wir in gekürzter Form wiedergeben:
„Der 1. Mai ist der Tag der Arbeiter, der Tag der Gewerkschaften. Der 1. Mai ist aber auch der Tag aktuelles anzusprechen und einen Blick in die Zukunft zu wagen. Unsere heutige erste Mai-Feier steht unter dem Motto: sichere Arbeit, angemessene Renten und soziales Europa.
Zum Thema Arbeit steht in der italienischen Verfassung im Artikel 36 unmissverständlich geschrieben: Der Arbeiter hat Anspruch auf einen Lohn, der dem Umfang und der Qualität seiner Arbeit angemessen und jedenfalls ausreichend sein muss, ihm und der Familie ein freies und würdiges Leben zu gewährleisten. Tatsache ist, dass viele Arbeitnehmer heute kein freies und würdiges Leben führen können. Prekäre Arbeitsverhältnisse, zu geringe Löhne, zu hohe Lebenshaltungskosten und nicht zuletzt eine hohe Arbeitslosigkeit bei über-50-jährigen Personen machen vielen Menschen zu schaffen. Deshalb kann aktuell nicht von sicherer Arbeit gesprochen werden.
Die Realeinkommen in der Privatwirtschaft sind zwischen 2009 und 2014 um 2,8 Prozent gesunken. Die Löhne sind in diesem Zeitraum zwar gestiegen, aber nicht im richtigen Verhältnis zur Inflation. Diese Daten sind einer erst kürzlich veröffentlichten ASTAT-Studie zu entnehmen.
Eine solche Studie in den Händen zu halten ist für uns äußerst wichtig. Den Schönwetterrednern, die die Gehaltserhöhungen als ausreichend bezeichnen, kann man endlich mit Fakten begegnen. Und diese Fakten werden auch Grundlage zukünftiger Lohnverhandlungen sein. Fast in allen Wirtschaftsbereichen, egal welcher beruflicher Qualifikation und Altersklasse die Arbeitnehmer angehören, ergibt sich ein inflationsbereinigter Wertverlust der Entlohnung. Dies stimmt einerseits bedenklich, andererseits muss dieser Umstand Anlass für Politik und Sozialpartner sein, Lösungen zu finden, dieser Entwicklung entschieden entgegenzutreten.
Unsere Forderung an die Wirtschaft ist deshalb eindeutig: Faire Löhne für die Arbeit. Waren die Arbeitnehmer während der Wirtschaftskrise gegenüber den Unternehmen solidarisch, so erwarten wir uns jetzt auch von den Unternehmern Solidarität gegenüber den Arbeitnehmern! Die Politik hat durch Steuerentlastungen in Krisenzeiten Arbeitsplätze gerettet, nun wird es Zeit einen Teil des Kuchens an die Arbeitnehmer weiterzugeben.
Ich vermisse auch Maßnahmen zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit von über-50-jährigen. Die Thematik der Zielgruppe 50+ sollte in engem Zusammenhang mit dem zu erwartenden Fachkräftemangel gesehen werden. Der Mangel an Fachkräften ist mit großer Wahrscheinlichkeit die größte Herausforderung für den Südtiroler Arbeitsmarkt. Von besonderer Bedeutung ist daher eine umfassende Qualifizierungsstrategie, die auf die Bedürfnisse von Erwachsenen sowie den Qualifikationsanforderungen der Betriebe ausgerichtet ist. Entsprechende Qualifizierungsangebote sind über die gesamte Lebens- und Arbeitsspanne bereit zu stellen.
Genau so wichtig wie sichere Arbeit, sind angemessene Renten. Es ist Tatsache, dass viele Rentner momentan kaum über die Runden kommen – auf einen Inflationsausgleich warten sie bisher vergebens, obwohl vom Verfassungsgericht bereits 2015 vorgesehen. Deshalb erachten wir es als richtig, dass das Fürsorgeinstitut NISF autonom verwaltet werden muss. Dies um der Südtiroler Bevölkerung angemessene Renten und Sozialleistungen garantieren zu können. Die konföderierten Gewerkschaften haben erst im Februar ein gemeinsames Dokument verabschiedet, wo sie unter anderem darlegen, dass die Sozialleistungen im gesamten Staatsgebiet einheitlich sein müssen. Dem widersprechen wir in aller Deutlichkeit. Die Politik muss die lokale Verwaltung des NISF als autonome Zuständigkeit ins Land zu holen. Dann hätten wir wirklich die Möglichkeit für sichere, angemessene und nachhaltige Renten zu sorgen.
Ich möchte im Rahmen des heutigen Festes aber auch einen Appell an die jungen Anwesenden richten: Denkt an eure Zukunft und zahlt in einen Zusatzrentenfonds ein. Dies ist für die meisten die einzige Chance im Alter ein würdevolles Leben zu führen. Und zwar auch, wenn wir die autonome Zuständigkeit für das Sozialvorsorgeinstitut bekommen – so realistisch muss man sein.
Auch zukunfts- und rentenorientiert ist das Projekt „Forum Zukunft Kind“, das der ASGB im Oktober 2016 ins Leben gerufen hat. Weil die Palette an Wünschen zum Thema Nachwuchs und Beruf derart umfassend ist, versammelt das Forum Zukunft Kind die Vertreter von mehr als 15 Organisationen, Vereinen und Verbänden an einem Tisch. Die Tatsache, dass viele Mütter, seltener auch Väter, in der Privatwirtschaft keine Entscheidungsfreiheit haben, für eine anständige Elternzeit zu optieren, mit dem Ergebnis, dass sich viele Mütter dafür entscheiden, zu Hause beim Kind zu bleiben, ist sicher eines der brennendsten Themen. Denn das Resultat des zu Hausbleibens sind Lücken in der Rentenbiografie. Um dem entgegenzuwirken, fordert das „Forum Zukunft Kind“ die Möglichkeit einer unbürokratischen Lösung für eine geförderte freiwillige Rentenfortzahlung. Diese sollte mindestens zwei Erziehungsjahre abdecken. Nicht minder wichtig sind flexible Betreuungszeiten und -modelle, verlängerte Betreuungszeiten an Kindergärten und Grundschulen durch private Organisationen, eine Grundsicherung für Kinder oder die Förderung von Betrieben, die Arbeitsplätze für Eltern schaffen.
Noch nie wurde das Thema Europa kontroverser diskutiert als heute. Ich möchte an diesem feierlichen Tag nicht auf die Aussagen der rechtspopulistischen Parteien in Europa eingehen, die ganz offen gesagt nur Hetze betreiben und keine Lösungsansätze haben. Sehr wohl muss aber erlaubt sein zu kritisieren, dass in Europa vieles falsch läuft und dass es eines europäischen Reformprozesses bedarf um das Ziel, ein soziales Europa, zu erreichen.
Unter einem sozialen Europa, stelle ich mir ein Europa vor, indem in allen Ländern die gleichen Voraussetzungen herrschen. Die unterschiedliche Fiskalpolitik – zu unseren Lasten – sorgt dafür, dass bereits einige Südtiroler Betriebe ins europäische Ausland ausgesiedelt sind. Dies kostet uns Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und schadet der Wirtschaftsleistung. Rückblickend gesehen, haben wir viel zu kurzsichtig wirtschaftlich instabile Länder aufgenommen, die nach wie vor Nettoempfänger europäischer Mittel sind. Solange Beschäftigte aus der EU nicht unionsweit die gleichen Rechte und Löhne bekommen, wie in ihrem Ursprungsland und Wettbewerbsvorteile von Billiglohnländern oder fiskalpolitische Unterschiede vorhanden sind, wird ein soziales Europa nicht funktionieren.
Im Zuge der Aufnahmediskussion über die Flüchtlinge hat sich herausgestellt: Europa ist nicht geeint. Es gibt keinen fairen Verteilungsschlüssel, viele europäische Länder haben Zäune gebaut und das Schengen-Abkommen außer Kraft gesetzt. Man erinnere sich nur an die Diskussion am Brenner einen Zaun zu installieren und Personenkontrollen durchzuführen. Ganz vom Tisch ist dieses Thema übrigens immer noch nicht. Das Projekt Europäische Union funktioniert nur, wenn man zusammensteht. Dann hat ein soziales Europa eine Chance.
Weil ich vorhin angesprochen habe, dass einige europäische Betriebe ins Ausland ausgesiedelt sind, ist es mir aber doch auch ein Bedürfnis, jene Betriebe zu loben, die trotz der vielleicht besseren Produktionsbedingungen in Billiglohnländern ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Südtirol abgegeben haben und in Südtirol investieren. Stellvertretend für alle erwähnen möchte ich die Firma Leitner, die GKN-Gruppe und die Firma Duka! Danke für euer Bekenntnis zu Südtirol und zur Südtiroler Arbeiterschaft.
GLÜCK AUF!!