Aktuell
Einfachere Verfahren, leistbares Wohnen

Das neue Gesetz Raum und Landschaft

Ein umsichtiger Umgang mit Grund und Boden, einfachere Verfahren für die Bürger und leistbares Wohnen: All das hat man sich mit dem Gesetzentwurf Raum und Landschaft zum Ziel gesetzt, der derzeit von Landesrat Richard Theiner ausgearbeitet wird. Wir haben mit dem Landesrat über Ziele, Inhalte und den weiteren Werdegang des Gesetzes gesprochen.
Aktiv: Herr Landesrat, in den letzten rund 50 Jahren ist das Raumordnungsgesetz des Landes zwar jährlich abgeändert worden, an eine Neufassung hat sich aber niemand getraut. Warum tun Sie sich das an?
Landesrat Richard Theiner: (lacht) Das frage ich mich auch manchmal… Nein, Spaß beiseite: Auch meine Vorgänger haben schon versucht, Novellen auf den Weg zu bringen, vielleicht war die Zeit dafür aber noch nicht reif. In jedem Fall kann man nicht ewig an einem Gesetz herumbasteln und die Praxis zeigt dies auch: vier von zehn Verfahren vor dem Verwaltungsgericht drehen sich heute um das Bauen, unser Raumordnungsgesetz entspricht nicht mehr den gesellschaftlichen und rechtlichen Anforderungen und die Ziele eines solchen Gesetzes sind heute völlig andere als noch vor 50 Jahren. Dasselbe gilt für das Landschaftsschutzgesetz. Deshalb sind wir die Novellierung angegangen – aus Notwendigkeit und weil wir wollen, dass sich dieses Land nachhaltig entwickelt.
Aktiv: Wäre eine solche nachhaltige Entwicklung denn mit den alten Gesetzen nicht zu erreichen?
LR Theiner: Nein, davon bin ich überzeugt. Beide Gesetze haben zwar in den letzten Jahrzehnten gute Dienste geleistet, heute sind die Voraussetzungen und die Ziele aber andere.
Aktiv: Zum Beispiel…?
LR Theiner: Nehmen wir das Wohnen: Anfang der 1970er-Jahre, als das geltende Raumordnungsgesetz geschrieben wurde, war die Wohnungsnot in Südtirol das drängendste Problem. In der Zwischenzeit ist enorm viel gebaut worden, nur können sich viele Südtirolerinnen und Südtiroler eine Wohnung heute schlicht und einfach nicht leisten. Da müssen wir nun den Hebel ansetzen.
Aktiv: Und wie macht man das: Das Versprechen nach leistbarem Wohnen klingt nach Utopie.
LR Theiner: Es mag vielleicht so klingen, es ist aber realistisch umsetzbar. Wir haben in diesem Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgesehen, die sich positiv auf die Immobilienpreise auswirken werden. Die Palette reicht von der Vorschrift, dort zu bauen, wo schon gebaut wurde, im Siedlungsgebiet also, über den Wertausgleich, der in den Bereich Wohnen fließt, bis hin zur Regelung, wonach mindestens 60 und im Bedarf bis zu 100 Prozent des neu entstehenden Wohnraums Ansässigen vorbehalten ist.
Aktiv: …und dann gibt es im Gesetzentwurf auch noch das neue Instrument der Preisdeckelung…
LR Theiner: …das schon allein deswegen ein interessantes ist, weil es den Wohnbau fördert, ohne öffentliches Geld zu verbrauchen. Vielmehr können die Gemeinden bei der Ausweisung neuen Baulandes festschreiben, dass ein Teil der entstehenden Wohnungen zu einem zuvor festgelegten Preis verkauft oder vermietet werden müssen. Die Bauherren, egal ob Private, Genossenschaften oder Bauunternehmen, müssen sich an diese Preisdeckelung halten.
Aktiv: Sie versprechen eine „positive Auswirkung auf die Immobilienpreise“. Geht das konkreter?
LR Theiner: Sicher! Ich bin überzeugt, dass es künftig in allen Landgemeinden Wohnungen mit Quadratmeterpreisen von rund 2300 Euro geben wird und in Bozen von unter 3000 Euro.
Aktiv: Leistbares Wohnen ist ein wichtiges, allerdings nicht das einzige Ziel des Gesetzes.
LR Theiner: Nein, auch der umsichtige Umgang mit Grund und Boden, die Eindämmung von Flächenverbrauch und Zersiedelung sind Ziele dieses Gesetzes. Wir erreichen sie, indem wir klar zwischen inner- und außerhalb des Siedlungsraumes trennen. Innerhalb liegt der Fokus auf dem Nutzen, außerhalb auf dem Schützen, innerhalb sind wir flexibel, außerhalb penibel.
Aktiv: Das heißt im Klartext?
LR Theiner: dass das landwirtschaftliche Grün künftig in allererster Linie der Landwirtschaft vorbehalten bleibt, während wir Wohnen und Arbeiten im Sinne einer umfassenden Nahversorgung innerhalb des Siedlungsgebietes konzentrieren. Damit schützen wir auch nachhaltig unsere Natur- und Kulturlandschaft, die nun einmal unbestreitbar das größte Kapital dieses Landes ist.
Aktiv: Darüber hinaus sollen die Verfahren für die Bürger klarer, einheitlich und einfacher werden.
LR Theiner: Auch das ist ein erklärtes Ziel, das man an zwei Maßnahmen festmachen kann. Die erste: Künftig wird es in jeder Gemeinde eine Servicestelle für Bau- und Landschaftsangelegenheiten geben, die als einzige Anlaufstelle der Bürger fungiert. Sie nimmt alle Dokumente entgegen, berät, holt Gutachten ein und händigt Genehmigungen aus.
Aktiv: Und das zweite Beispiel neben der Servicestelle?
LR Theiner: Im bürokratischen Aufwand wird künftig zwischen kleinen und größeren Arbeiten unterschieden und es gilt: je kleiner die Arbeiten, desto kleiner der Aufwand. Mit der Baubeginn- und Tätigkeitsbeginn-Meldung etwa führen wir zwei einfache Baurechtstitel ein, während die Baugenehmigung nur mehr auf umfassendere Arbeiten beschränkt bleibt. Bisher war es ja so, dass die Bürokratie dieselbe war, egal, ob man eine Tür versetzt oder ein Haus gebaut hat.
Aktiv: Das Gesetz verspricht einfachere Abläufe, Maßnahmen für das leistbare Wohnen, Klarheit, Rechtssicherheit und einen effizienten Landschaftsschutz. Warum wird dann immer noch diskutiert?
LR Theiner: So einfach ist es leider nicht, denn die Materien Raumordnung und Landschaftsschutz sind hoch komplex und für die Entwicklung unseres Landes fundamental. Wir haben uns deshalb die nötige Zeit genommen, das Gesetz in unzähligen Treffen mit allen Interessierten zu diskutieren, wir haben Stellungnahmen eingeholt, Verbesserungen vorgenommen, Schwachstellen beseitigt und sind nun der Meinung, dass der Gesetzentwurf ein sehr guter ist.
Aktiv: Wie geht’s mit dem Entwurf weiter?
LR Theiner: Er wird nach seiner Genehmigung durch die Landesregierung noch in diesem Jahr an den Landtag weitergereicht, wo er ausführlich im zuständigen Gesetzgebungsausschuss diskutiert wird. Noch im Laufe des Winters soll er dann ins Plenum des Landtags kommen und wird dort – so hoffe ich zumindest – als Gesetz verabschiedet.
Herr Landesrat, vielen Dank für das Gespräch

Aktuell

Siebte landesweite Unterschriftensammlung
für die Direkte Demokratie in Südtirol

Auch die siebte Unterschriftensammlung für eine gute Regelung der Direkten Demokratie ist erfolgreich und eine unaufschiebbare Verpflichtung für den Landtag, endlich, nach 16 Jahren, eine brauchbare Regelung zu verabschieden.
Am 4. September 2017 haben die Einbringer der zwei Volksbegehren zur Direkten Demokratie die unterstützenden Unterschriften von über 11.000 Bürgerinnen und Bürgern im Landtag übergeben. Die vorgeschriebene Zahl von 8.000 Unterschriften ist damit deutlich überschritten worden und so sind beiden Volksbegehren erfolgreich eingereicht. Folglich muss sowohl die originale Version des Gesetzentwurfes Amhof/Foppa/Noggler – Ergebnis eines zweijährigen partezipativen Verfahrens und einer Zusammenarbeit von Landtagsmehrheit und -minderheit – und die von der Initiative für mehr Demokratie verbesserte Version desselben, vor den Landtagswahlen abschließend behandelt werden.
Diese siebte landesweite Unterschriftensammlung für die Direkte Demokratie in Südtirol ist ein absolutes Novum, denn gesammelt worden ist dieses Mal nicht für den Gesetzentwurf der Initiative, sondern für einen von ihr angestoßenen Kompromissvorschlag, der im Landtag erarbeitet wurde, mit Bürgerbeteiligung und parteiübergreifend. Jetzt hat dieser Gesetzentwurf nicht nur eine institutionell verbindliche Bestätigung durch die Bürgerinnen und Bürger erhalten, sondern es sind von deren Seiten auch noch einmal Verbesserungsvorschläge eingebracht worden, die behandelt werden müssen. Der wohl gewichtigste betrifft das Beteiligungsquorum. Dieses ist im Gesetzentwurf A/F/N mit 25 Prozent festgelegt worden. Ein Grund für die verhinderte Weiterbehandlung des Gesetzentwurfes, die das Volksbegehren nötig gemacht hat, war das für bestimmte Kreise innerhalb und außerhalb der Mehrheitspartei reduzierte Quorum. In der verbesserten Version sind als Gegengewicht zu Tendenzen, dieses im Zuge der Behandlung wieder anzuheben, 15 Prozent vorgesehen.
Diese siebte Unterschriftensammlung war die schwierigste, aber sie ist wieder eine Pionierleistung im Kampf um eine bessere Demokratie in unserem Land. Gesammelt wurde nicht für einen eigenen Vorschlag, der voll und ganz überzeugt, sondern für einen Kompromissvorschlag, der zwar mit Bürgerbeteiligung zustande gekommen ist, der aber unter der Federführung der Präsidentin des 1. Gesetzgebungsausschusses, Frau Magdalena Amhof, selbst auch schon wieder ein parteiinterner Kompromiss ist: innerhalb der SVP scharf an der Grenze des Akzeptablen.
Die schwierigste Unterschriftensammlung auch wegen des Zeitpunktes der Sammlung, der zur Nutzung der gesetzlich vorgegebenen Fristen, unausweichlich zur Gänze und mit allen vorstellbaren Einschränkungen im Sommer lag. Die Unaufmerksamkeit der Medien hat diese schlechten Bedingungen verstärkt und voll zum Tragen kommen lassen.
Umso mehr ist die Leistung von wenigen Menschen zu schätzen und gebührend zu würdigen – ein lehrreiches Beispiel dafür, wie viel auch wenige Menschen bewegen können. Menschen, die einen Teil ihres Sommers darauf verwendet haben, ihren Mitmenschen die Gelegenheit zu geben, mit ihrer Unterstützung den Demokratisierungsprozess in Südtirol weiter zu treiben.