AFI - WORK & ME

AFI - WORK & ME

Themenwettbewerb | Die Gewinner 2015/16

Eine Südtiroler Alltagsgeschichte aus dem Jahre 2050
Wir befinden uns in Kohlern, Südtirol im Jahre 2050. In einer kleinen energieautarken Holzvilla in der autofreien Designzone Kohlerns ist unser Protagonist Hans Hofer grade aufgestanden und macht sich einen Gemüsedrink zum Frühstück. Er ist 40 Jahre alt, ein sportlicher Junggeselle und Vater. Mit der heutigen durchschnittlichen Lebenserwartung von 100 Jahren stellt er eine Ausnahme dar schon mit 40 ein Kind zu haben.
Nach seinem Frühstück möchte Hans ins Bad und sich für seine Arbeit fertig machen, aber alle drei Bäder sind besetzt. Untypischerweise wohnen nämlich außer ihm noch seine Eltern und sein Sohn Florian in dem Haus. Sehr zum Frust von Hans sind seine Eltern auch noch mit 80 Partymäuse geblieben und organisieren sich spontan im Netz ihre Privatparties auch gerne mal in der eigenen Villa. Deren liebsten Freunde kommen aus (Yancheng), China und Қӯрғонтеппа (Qurgonteppa), Tadschikistan. Da diese Freunde früher Mediziner waren und zum Teil aus Spaß an der Freude immer noch im Rentenalter Teilzeit arbeiten, wissen sie nicht nur wie man richtig feiert, sondern sind auch immer auf dem neuesten Stand bzgl. der aktuellsten Diabetisbehandlungsmethoden, was aus gegebenem Anlass insbesondere Hans‘ Mutter interessiert.
Es leuchtet „Skype3000“ auf und Hans kann sich vom Warten ablenken. Es ist Maria, Florians Mama. Hans hat sie damals 2039 kennengelernt, als er sich eine zweijährige Auszeit vom Berufsleben gegönnt und im Rahmen seines persönlichen Selbstfindungsdrangs zu Fuß auf eine Weltreise begeben hatte. Maria ist inzwischen nach Alaska gezogen, um von dort aus einen Abenteuerpark zu eröffnen und erzählt ihm wie’s läuft.
Früher arbeitete Maria in der Lebensmittelqualitätskontrolle, wollte dann aber ihrem Leben einen aufregenderen Touch geben und hat sich während ihres Sabbatjahres in die USA verliebt. Das Geschäft läuft dort drüben in Alaska trotz zugenommener Unwetter recht gut. Durch die gestiegenen Temperaturen, haben der Schnee und das Eis mehr Land freigeschmolzen, wo heute mehrere Siedlungen errichtet werden konnten. Zudem kann Maria ein buntes und sich ständig änderndes Unterhaltungsprogramm wie z.B. Surfen bei Überschwemmungen oder Hurricane-Fallschirmspringen für ihre Gäste anbieten, die zahlreich und von überall aus der Welt herkommen. Durch die Zunahme der Stürme und Naturkatastrophen, die inzwischen perfekt vorhergesagt und denen durch die neuen Technologien und Umbauten relativ gefahrenlos begegnet werden können, wird das Angebot an Flug- und Bootsausflügen noch viel spannender!
Nach dem Anruf ist endlich ein Badezimmer frei und Hans kann sich für seinen Job fertig machen. Er arbeitet in der internationalen Reiseagentur „Flightexperience Mundos“ als angestellter Flug-Reiseführer für den Alpenraum. Das Gebiet wurde durch das Engagement und der Zusammenarbeit von fünf NGOs unter strengem Naturschutz gestellt und ist nun das europaweit berühmteste Erholungsgebiet für Ökotouristen. Deswegen kommen auch nur lautlose elektrobetriebene Helikopter bei den Rundflügen zum Einsatz.
Hans war nicht immer Flug-Reiseführer gewesen. Vor zwei Jahren hatte er sich entschieden seine Laufbahn als IT-ler zu beenden, sich als Pilot umzuschulen und somit sein Hobby zum Beruf zu machen. Nachdem er bereits zwei verschiedene Weiterbildungen im informationstechnischen Bereich getätigt und als Datenbankmanager, Web Supporter und schließlich SEO-Berater gearbeitet hat, hatte er irgendwann von der digitalen Welt die Nase voll, welche ohnehin im Alltag schon so präsent ist. Ihn rief es zurück zur Natur und auch zu mehr sozialen Kontakten. Alle von seinen jetzigen Pilot-Kollegen sind, wie er, Quereinsteiger und kommen aus den unterschiedlichsten Branchen vom Hausmann, über Steward bis hin zum Polizisten.
Der Arbeitstag ist heute eher kurz. Nur vier Stunden. Erst einen Rundflug mit einer kleinen Familie bestehend aus einem netten Pärchen von 50 Jahren und ihrem Adoptivkind aus Guinea-Bissau und dann eine Wanderin im Rentenalter mitten in den Bergen absetzen, damit sie nach dem Abenteuerprinzip den Heimweg selber findet. An manchen Tagen fliegt Hans bis zu 10 Stunden hin- und her. Meistens tagsüber, aber auch öfter mal nachts, um seine Touristen bei ihren Nachtwanderungen zu unterstützen.
Nach der Arbeit fühlt er sich noch sehr fit und organisiert ein Treffen mit seinen Freunden. Da er etwas trinken möchte, nimmt er den Skytrain runter zur Stadt. Das öffentliche Verkehrsnetz ist sehr gut ausgebaut und kann relativ problemlos und unkompliziert überall genutzt werden. Zum Beispiel braucht man keine Tickets zu lösen, da jede Person von Sensoren in den Türbereichen sofort automatisch erfasst wird und die Kosten für die Fahrstrecken ganz genau kalkuliert und die Abrechnungen monatlich online zugesandt werden. Dies spart Zeit und Stress. In fünf Minuten ist Hans in Bozen und trifft sich mit seinen Südtiroler Freunden Hamid, Yue, Karl und Annika. Die meisten kennen sich von fachübergreifenden Projekten im Rahmen ihrer Arbeit.
Früher hätte man gesagt 16 Uhr sei zu früh, um eine Kneipentour zu starten, aber 2050 gibt es keine ‚standardisierten‘ Tagesabläufe mehr. Also gehen die fünf in die neue Bar namens „Südtirol wie damals“, von der Hamid seit längerem so begeistert erzählt hatte. Denn dort ist die Innenausstattung wie vor 200 Jahren, der Keller stammt sogar noch aus dem 14. Jahrhundert, aber ausgestattet ist alles nach den besten technologischen Neuerungen. Dort verbringen sie entspannt ihre Zeit und unterhalten sich, wie unglaublich doch die Zeit gewesen sein muss, als Energie über Kohlekraftwerke und Atomreaktoren bezogen wurde, deren Betrieb heutzutage weltweit verboten ist.

Verfasst von Juliane Freitag
Werbeanzeigen: